Von UB nach Beijing

Ulan Bator – Gobi – Innere Mongolei – Mauerland – Peking

Peking 12:45 Uhr: Viel haben wir noch nicht von dieser Stadt gesehen – abgesehen von den vielen, riesigen Asphaltstraßen, Wohnhäusern und kleinen Läden rechts und links der Straße. Schon 50 km vor der „Innenstadt“ ist alles vollgebaut und es wird fleißig erweitert. Wir sind gestern Abend in der Hauptstadt Chinas angekommen – mit den Fahrrädern. Eigentlich wollten wir bei einem WarmShowers- oder Couchsurfing-Gastgeber unterkommen. Es ist schön mit den Leuten vor Ort ins Gespräch zu kommen und von ihrer Sicht mehr über die Städte zu erfahren. Leider hat auf unsere diversen Anfragen kaum jemand geantwortet, bzw. haben wir wenn dann nur Absagen bekommen. Also haben wir ein Hotelzimmer gebucht. Mit 30 Euro pro Nacht für uns recht teuer, für Peking recht günstig. Wir haben etwas mehr Platz als in unserem Zelt, aber dafür eine Toilette und eine Dusche! Da es in unserem Hotel keinen Wäschedienst gibt, haben wir uns heute morgen auf die Suche nach einer Wäscherei begeben. Das war gar nicht so einfach, denn die erste Wäscherei hatte zu, die anderen, die wir in einigen km Entfernung gefunden haben, nehmen pro Teil zwei bis drei Euro – unbezahlbar also, denn bei uns hat sich seit dem Weggang aus Ulan Bator einiges an Wäsche angesammelt. Im Hotel fragten wir erneut nach Hilfe, aber die Frau an der Rezeption blieb beharrlich bei dem Standpunkt uns nicht helfen zu können. Während Chris den Kampf an der Rezeption ausfocht, unterhielt Lisa sich vor dem Hotel mit zwei Männern, die unsere Geschichte mit dem Fahrrad von Deutschland bis nach China gefahren zu sein sehr ungläubig aber auch begeistert verfolgten. Ich sei zu abgemagert und zu jung. Ich bestätigte mehrfach, dass wir genug essen und es uns gut geht und erklärte, dass wir aber dringend eine Waschmaschine brauchen, um unsere Wäsche zu waschen. Wie sich herausstellte arbeiteten die beiden Männer im Hotel und wissen wo die Waschmaschine steht. Kurzerhand brachte einer der beiden, der Hotelkoch, uns – wohl verbotener Weise – in eine kleine Kammer mit einem wunderschönen Toplader! Herrlich! Jetzt sitzen wir in unserem Hotelzimmer und warten bis die Waschmaschine durchgelaufen ist… Wo wir die ganze Wäsche in unserem winzigen Zimmerchen aufhängen werden, müssen wir wohl noch herausfinden. Die Zeit, die wir jetzt übrig haben können wir jedenfalls gut mit Blogschreiben ausfüllen.

Bevor wir zu dem kommen, was bisher geschah ein kleiner Kommentar zu den Kommentaren: DANKE 🙂 Wir freuen uns jedes mal, wenn wir von einer/einem von euch etwas lesen können und sind begeistert darüber, dass es Leute gibt, die unseren Blog tatsächlich lesen. Es gibt sogar solche, die nach neuen Blogeinträgen fragen! Wir freuen uns euch ein stückweit in andere Welten hinein nehmen zu können und unsere Erlebnisse zu teilen. Wenn wir dann eine Rückmeldung von euch bekommen ist diese ganze Blog-Geschichte noch viel persönlicher. Also macht gerne weiter so 🙂 das ermutigt uns. Zu Christl: Unsere Räder haben noch keine Namen, außer „Drahtesel“ zählt… abgesehen von diversen Beschimpfungen, mit denen Chris sein Rad oder einzelne Teile immer wieder belegt, reden wir auch nicht sonderlich viel mit den Rädern. Aber mich würde es nicht wundern, wenn wir bald damit anfangen :). Vielleicht hat ja jemand von euch eine Idee für einen guten Namen für unsere Räder. Ich würde sagen wir sind für jeden Vorschlag offen, verdient hätten sie es nach vier Monaten Reise ja schon. (Vielleicht nützt uns als Anhaltspunkt für die Namensgebung Chris‘ Vergleich meines Rades mit einer dicken Gazelle und seines mit einem kleinen Büffel.)

Ulan Bator

Und nun zurück in die Mongolei. Nach unserem letzten Blogeintrag haben wir viel hin und her überlegt wohin und wie es nun weiter gehen soll. Wir verlängerten unseren Aufenthalt in Ulan Bator Tag für Tag, halfen Froit und der Näherin so gut wir konnten eines der Jurten-Zelte rechtzeitig herzustellen und lernten eine Menge dabei.

Damit wir auf der weiteren Reise nicht zu einsam werden haben wir unsere Reisegruppe vergrößert und eine kleine Gitarre angeschafft. Ich denke, für Chris war das sein nachgeholtes Geburtstagsgeschenk. Froit half uns dabei eine passende Hülle für das Instrument herzustellen – viel professioneller, als wir es uns erhofft hatten. Wahrscheinlich wäre die Gitarrentasche auch noch hübscher geworden, hätten wir gar nicht mitgeholfen 🙂 . Wir nutzten die Zeit, um die Räder sauber zu machen und auf Vordermann zu bringen und schlussendlich war eine Entscheidung gefallen: wir fahren am Sonntag mit dem Zug bis Sainshand und die restlichen 200 km bis zur chinesischen Grenze durch die Gobi mit dem Rad. Am Ticketschalter besorgten wir also ein Nachtticket mit dem Regionalzug und verabschiedeten uns schweren Herzens von Froit und seiner Frau. Die hatte am letzten Abend extra für uns Pommes und Mozarellasticks (aus Deutschland) gemacht, weil Froit sie darum gebeten hatte. Richtig süß 🙂 Wir konnten jedoch das Essen leider nicht so sehr genießen wie wir wollten, weil es uns die ganze Zeit in Ulan Bator Bauch-mäßig nicht ganz so gut ging. Das gehört wohl zum Reisen dazu. Da wir am Sonntag erst spät am Abend am Zug sein mussten, gönnten wir uns einen weiteren Besuch in der Church of all Nations in Ulan Bator, in der wir zwei Wochen zu vor auch schon waren. Es war wie Heimkommen für uns. Wir haben uns sehr wohl gefühlt und sind herzlich aufgenommen worden. Ein Missionsteam aus England und zwei aus den USA waren auch da und so hatten wir viele junge Leute, mit denen wir uns nach dem Gottesdienst unterhalten konnten. Die Briten haben bei einem Sommercamp des Kinderheims geholfen. Die amerikanischen Teams waren von World-Race-Teams von Mission Adventure (oder so). Es war sehr ermutigend mit ihnen zu reden. Nach dem Gottesdienst versorgte eine pensionierte Kinderärztin Chris noch mit den nötigen Magen-Darm-Medikamenten. Dann konnte es ja weiter gehen – in die Wüste.

Gobi

Kamelherden in der Ostgobi kreuzen mehrfach unseren Weg

Nach einer ruckelnden und schaukelnden Nacht im Zug kamen wir sehr früh in Sainshand an. Zu früh bahnten wir uns unseren Weg durch die unterschiedlichen Schlafabteile, um zu unseren Rädern zu kommen. Wir hatten verstanden, dass wir 10 Minuten vor Ankunft bei den Rädern sein sollten. Das hatten wir wohl falsch verstanden. Das Personal im Gepäckwagen schlief noch tief und fest. Mit einer halben Stunde Verspätung kamen wir an und unsere Räder wurden uns aus einer Höhe von ca. 1,50 m auf den Bahnsteig gereicht. Sau schwer die Teile so voll bepackt. Aber es geht alles.
Wir hielten uns eine Weile in der Stadt auf, kauften ein, unterhielten uns mit einer Englisch-Lehrerin aus Ulan Bator, die gerade Mutter geworden ist und mit ihrem Mann und Kind zu den Eltern des Mannes nach Sainshand gezogen ist. Sie genoss es mit uns englisch zu reden und teilten das Vergnügen gerne und quatschten mit ihr über die verschiedenen erneuerbaren Energien in dieser Region des Landes. Mit dem Zug sind wir an vielen Wind-Parks vorbei gefahren. Ein Fahrradfahrer hielt an und fragte ob wir Hilfe bräuchten.

Am Melonenacker plötzlich beschenkt

Als wir auf guten Asphaltstraßen aus der Stadt herausfuhren kamen wir erstaunlicherweise an einem Wassermelonenfeld vorbei, auf dem gerade ein paar Männer arbeiteten. Diese winkten uns zu sich und schenkten uns zwei kleine Melonen – die besten, die ich in meinem Leben bisher gegessen habe. Vielleicht auch weil sie in so einer Wüstenregion zwischen Kamel- und Pferdeherden einfach noch mal viel besser schmecken.

Am Abend kamen wir am Kloster Khamir Khiid an. Auf dem Weg suchten wir immer wieder nach Dinosaurierknochen, da Froit uns erzählt, sie würden praktisch aus dem Boden sprießen – man kann ja nie wissen. Leider haben wir nichts gefunden. Am Abend übernachteten wir dann tatsächlich das erste Mal in einer richtigen Jurte in einer Art Ger-Camp. Es war etwas besonderes – sollte uns in den nächsten Tagen aber überraschenderweise noch öfter passieren.

Vom Kloster aus wollten wir dann nicht den ganzen Weg nach Sainshand zurück fahren, um auf die große Straße zur chinesischen Grenze zu kommen. Deshalb folgten wir einem off-road Weg zur großen Straße. Erstaunlicherweise kamen wir recht gut voran und es war ein schöner Weg. Eine Weile fuhren wir auf eine (Kupfer?)-Miene zu. Von Weitem hatten wir den Eindruck auf Mordor zuzufahren (nur, dass auf dem Turm der Miene kein Feuerauge brannte und die Sonne schien).


Nach der Miene machten wir auf einem verlassenen alten LKW-Reifen Mittagspause. Von hinten kam ein LKW angefahren und ich dachte schon, dass wir gleich mit schön viel Staub paniert würden, wenn er an uns vorbei fährt, als der Fahrer einen Bogen in Windrichtung um uns herum machte und anhielt. Er gesellte sich kurz entschlossen zu uns und obwohl wir uns nur mit Hand und Fuß verständigen konnten unterhielten wir uns bestimmt eine dreiviertel Stunde mit ihm. Wir zeigten uns Bilder, erklärten wo wir her kamen, wo wir hin fahren (so eine Weltkarte ist doch richtig praktisch). Wir teilten unsere letzte Wassermelone mit ihm und er schenkte uns ein paar Flaschen Wasser und leckere Süßigkeiten für die weitere Fahrt, bevor er sich nach ein paar Selfies mit uns Richtung Ulan Bator auf den Weg machte.

Auf der großen Straße angekommen ging es mit Rückenwind weiter und wir hatten den Eindruck, dass der Wind uns mit aller Gewalt nach China schieben wollte. Unser Ziel für die Nacht war eine auf unserer Karte eingezeichnete Tankstelle und wir erhofften uns dort etwas Wasser und einen windgeschützten Platz für unser Zelt erhalten zu können. Der Wind war so stark, dass wir befürchteten die Zeltstangen würden brechen oder das Zelt würde einfach davon fliegen, wenn wir es in den endlosen Weiten aufstellten. Einen Laden in dem wir Wasser kaufen konnten gab es zwar nicht, aber die Frau von der Tankstelle führte uns in eine alte, etwas ranzige Jurte und meinte, wir könnten dort übernachten. Draußen im Zelt wäre es zu kalt. Nach einer Weile verstanden wir, dass diese Jurte eher als Koch- und Abstellplatz über den Tag hinweg diente und niemand mehr darin wohnte und machten es uns so gut wie möglich gemütlich. Erst später merkten wir, dass wir in dem Vorzelt eines Mäusebaus übernachteten und die ganze Nacht hörten und sahen wir die nicht ganz so kleinen Tierchen um uns rumkriechen. Wir hatten etwas Angst um unsere guten Fahrradtaschen, aber es passierte nichts – Gott sei Dank! Der Sternenhimmel in dieser Nacht war unglaublich schön.
Wir waren dankbar für den windstillen Ort, versuchten am nächsten Morgen aber dennoch so bald als Möglich weiter zu ziehen und die kleine Mäusefamilie hinter uns zu lassen. Eine Frühstückspause legten wir ein paar Kilometer später ein. Das Fahrradfahren war an diesem Tag so angenehm wie am Tag zuvor und mit viel Rückenwind ging es erstaunlich schnell Richtung China weiter.

Die Polizei, dein Freund und Papp-Kamerad

Schon viel früher als gedacht kamen wir in der Grenzstadt an und entschieden kurzentschlossen, dass wir noch an diesem Tag versuchen würden die Grenze zu überqueren. Auch hier an der mongolisch-chinesischen Grenze durften wir nicht einfach mit dem Rad nach China hineinfahren, sondern mussten uns einen Fahrer suchen. Es gibt mongolische Jeep-Fahrer die damit ihr Geld verdienen die Leute über die Grenze zu bringen – ich würde sie Schleuser nennen. Einen solchen Schleuser handelten wir um die Hälfte des zuerst genannten Preises herunter (das letzte mongolische Geld, das wir noch besaßen) und dann ging es ab nach China.

Zwischenspiel:

Chris sitzt neben Lisa in einem Hörsaal der BUAA, einer der 91 Universitäten Pekings und tippt. Zhipeng, der sich auch den englischen Namen Will gegeben hat, war eben mit uns im Sommerpalast und hat uns spontan mit in seine englische Grundvorlesung in Computer Sciences gebracht, eine Einführung für Luft- und Raumfahrtstudiengänge. Jetzt sitzen wir hier also und hören uns sozusagen rocketsciences an. Irgendwo in Peking… Da bietet es sich doch an unseren vorgestern begonnen Blogeintrag fortzuführen.

Innere Mongolei

Erenhot. Die Grenzstadt auf chinesischer Seite strahlt und glänzt verglichen mit dem staubig-ärmlichen Ulan-Bator und den Steppen der Ostgobi. Alles ist sauber, die Straßen riesig und überall flitzen kleine Elektro-Roller und dreirädrige Transporter auf den Radstreifen, die teilweise breiter sind als die Autofahrbahn. Wir fühlten uns wie im Himmel und China, so machte es den Eindruck, war verglichen mit der Mongolei, einfach superreich. Wir würden natürlich auch noch andere Seiten sehen, doch hier wurde geklotzt, nicht gekleckert.
Wir hatten es hier nicht schwer, ein Hotel zu finden, das uns aufnahm – schließlich waren wir in einem Grenzort. Es war nicht das schickste und neuste, für umgerechnet 10 Euro (80 Yuan) aber supergünstig und wir genossen die Dusche und die weichen Betten nach unseren letzten Jurtennächten und heißen Wüstenritten. Nur die Speisekarte, selbst bebildert, hat es uns etwas schwer gemacht. Im Nachhinein können wir bei manchen Sachen nur spekulieren, was wir gegessen haben. Die vermeintlichen Bratkartoffeln waren jedenfalls eher Feuerkartoffeln – so scharf wie die waren. 😉 Hier haben wir gemerkt, dass wir wirklich in China angekommen sind. Kartoffeln und Nudelsuppe durften wir nämlich mit Stäbchen essen.
Tagsdrauf, nachdem wir eine Unicom China Sim-Card, einen neuen Campingkocher für umgerechnet 5 Euro (Benzinkocher hat den Dienst quittiert) sowie „einen stabil wirkenden Fahrradständer“ (Nummer 6, starb 2 Tage später) besorgt hatten und wir uns für die Reise gerüstet fühlten, brachen wir nach Süden auf. Raus aus der Stadt, rein in die Wüste.

Dinos geleiten uns aus der Stadt

Im Endeffekt war die Landschaft hier erstmal eine Fortsetzung der uns bekannten Ostgobi: Extrem trockene Steppe, relativ flach und derbe heiß. Anders waren die Straßen, von denen es viel mehr und viel größere gab. So fuhren wir über 100 km auf einer Art Autobahn, da es keine andere Straße gab. Das war allerdings auch sehr angenehm, da der Seitenstreifen sehr breit und stets frei war.
Eigentlich planten wir lediglich unsere Wasservorräte aufzufüllen, bevor wir uns ein Nachtlager auf dem Weg suchen würden. Doch die nette alte Dame am Rastplatz („Nowhere Mart“ auf OpenStreetMaps) bot uns mit Gesten an, unser Zelt auf dem Parkplatz vor dem Laden aufzuschlagen. Hier wären wir – dank der beiden großen Kameras am Gebäude – sicher. Soviel meinten wir zu verstehen. Und da wir wirklich müde waren, entschieden wir uns zu bleiben.
Es stellte sich heraus, dass dies – obgleich wir seit dem Zeltaufbauen neugierig beobachtet wurden – die richtige Entscheidung war, schließlich bekamen wir als wir unser Abendessen kochten, allerlei Tomaten und eine große Gurke aus dem heimischen Garten des älteren Paares, das den Laden betrieb. Als wir unsere selbstgezimmerte Nudelsuppe schlürften wurden wir zudem mit Gebäck beschenkt, das wir hineintunken sollten. Und siehe da: Es war superlecker!

Am nächsten Morgen wurde uns unser Wasser vor der Abfahrt umsonst nochmal aufgefüllt und wir mussten nicht nochmal einen Haufen kleine Wasserflaschen kaufen. Unser zweiter Tag auf chinesischen Straßen war wieder von trockener Hitze, diesmal jedoch auch von Gegenwind geprägt. Dank VPN Dienst (hier ist ja viel geblockt) konnten wir jedoch – neben Textnachrichten – auch den Online-Deutschlandfunk empfangen, dessen Podcasts uns etwas von der schweißtreibenden Plackerei ablenkten. Am späten Nachmittag durchquerten wir eine größere Stadt und mussten hier von der „Autobahn“ auf eine Art „Bundesstraße“ wechseln, die wesentlich schmaler und ohne Seitenstreifen war. Jedoch kamen wir so recht bald, etwa 20 km außerhalb der Stadt, an einer mit Gers bestückten Event-Location vorbei. Per Translator fragten wir, ob wir unser Zelt auf dem Gelände für die kommende Nacht aufschlagen dürften. Doch ehe wir uns versahen saßen wir mit Tee in den Händen in einer der Jurten, uns wurden Duschen aufgeschlossen und zum Essen lud man uns obendrein auch noch ein. Diese geballte Gastfreundschaft machte uns baff, vor allem, da wir annahmen, dass die Leute hier ihr Geld eigentlich mit Gästen verdienten.
Als wir am Abend – nachdem Chris noch ein paar Lieder auf der Gitarre zum Besten gab – noch halfen, die Tische im großen Festzelt zu decken, ging uns langsam auf, dass dieser Ort eher ein Veranstaltungsort als ein Ferienort war, wie wir es zuerst annahmen. Am nächsten Tag würden hier 100 Gäste zum Mittagessen antanzen. Recht früh ging am folgenden Tag deshalb auch der Trubel ums Kochen los. Es wurden – als wir unsere Taschen gerade aus dem Ger holten – Säckeweise Gemüse und Fleisch herangekarrt, gewaschen, geschnibbelt, gehackt und gekocht. Nichtsdestotrotz ließ man es sich nicht nehmen, uns die Reste vom gestrigen Abendessen (Nudeln mit Fleisch, gebratene Kartoffeln mit viiiel Knoblauch, mongolischen Milchtee sowie „Germknödel“-artige Hefeklöse) zum Frühstück aufzuwärmen. Gestärkt und immer noch gerührt verabschiedeten wir uns von allen, dankten und brachen in einen weiteren, sich aufklarenden Tag auf. Diesmal dankenswerter Weise wieder mit Rückenwind.

Im Festzelt

Wir wurden auf dem weiteren Weg noch des Öfteren beschenkt, sei es Wasser das uns aus dem Auto gereicht wurde oder das Kilo Tomaten, das uns Vater und Sohn am Abend vom Motorrad aus in die Hand drückten. Diese liebevollen Gesten gaben uns Kraft über die Strapazen dieser Tage hinweg immer wieder das Positive zu sehen.

Tankwart testet die Fortbewegung der Zukunft
Was man am Wegrand eben mal findet…
Britische Telefonzellen im Tagebau
Alte Vulkankraterchen
So was aber auch…

Das Positive sehen hört sich recht hart an, aber um ehrlich zu sein war die Fahrt durch die Gobi wirklich sehr anstrengend. Wir verbrannten uns Arme, Beine und vor allem die Nase, die Haut an den Händen und Lippen fing an sich zu schälen. An Wasser hatten wir nur das, was wir zum trinken und kochen brauchten. Waschen wäre Verschwendung gewesen. Da in China nicht jede Bank autorisiert ist, internationale Transaktionen durchzuführen, war es teilweise sehr schwierig an Bargeld zu kommen, von Kartenzahlung ganz zu schweigen.
Etwas ähnliches passierte uns dann auch, als wir nach fünf Tagen entschieden, es wäre dringend an der Zeit eine Dusche ausfindig zu machen und etwas Wäsche zu waschen. Wir suchten uns aus diesem Grund in der nächst größeren Stadt ein Hotel, nachdem wir nach mehreren Versuchen eine Bank gefunden hatte, die bereit war uns Bargeld auszugeben. Es war dementsprechend schon recht spät. Ein Hotel war schnell gefunden und die Taschen waren bereits zur Hälfte im Zimmer, als die Rezeptionistin uns mit einer entschuldigenden Miene doch wieder wegschicken musste. Ihr Hotel war nicht autorisiert Ausländer zu beherbergen. Wir nahmen also unsere Taschen und suchten weiter. Im nächsten Hotel ging es uns genauso: Nach einer halben Stunde an der Rezeption fanden die Angestellten heraus, dass es ihnen nicht möglich ist uns aufzunehmen. Sie halfen uns jedoch ein Hotel zu finden, das uns aufnehmen würde. Dieses Hotel war um einiges größer und – wer hätte es gedacht – auch doppelt so teuer. Da es schon dunkel geworden war und wir wirklich müde waren und eine Dusche brauchten, diskutieren wir nicht lange und checkten in das Hotel ein. Auf den ersten Blick hin funktionierte das problemlos. Dann – wir duschten eben – klopfte es laut an der Tür. Ein Mann stand davor, dem der pitschnasse Chris plötzlich Rechenschaft darüber ablegen sollte, warum wir in China seien und was wir hier wollten. Erst nach einer unterbrechenden Frage von Chris, wer das denn wissen wolle, gab sich der Polizist in Zivil zu erkennen, in dem seine Übersetzungs-App „Police“ hervorpiepste. Er fotografierte Chris noch und gab sich damit zufrieden. Lisa würde nicht aus der Dusche herauskommen müssen. Immerhin konnten wir bleiben, wenngleich wir uns ungemein unwillkommen fühlten.

Für Ulanqab, wo wir am nächsten Tag übernachteten, hatten wir dann schon „den Dreh raus“ und checkten online ab, welches Hotel auch Ausländer aufnehmen durfte. Booking.com sei Dank fanden wir so recht schnell ein Zimmer für die Nacht. Es ist schon witzig, wie sich Städte einteilen lassen in: „mit Hotels für Ausländer“ und „ohne Hotels für Ausländer“ oder in „mit Haferflocken im Supermarkt“ und „ohne Haferflocken im Supermarkt“. So ist es – obgleich wir es sehr genießen auf dem Land unterwegs zu sein und die lokale Gemüse- und Tofuküche zu erforschen – immer wieder gut, in einer Stadt Dusche und Einkaufsmöglichkeiten zu finden, bevor man den nächsten 7-Tage Trip durch die Pampa anging… wie er jetzt anstand.

Mauerland

Von Ulanqab aus fuhren wir noch etwa 50 Kilometer nach Süden, wo wir – nachdem wir zufällig über einen uralten buddhistischen Tempel gestolpert sind – nach Osten abbogen.

Die kommenden Tage würden wir an der altehrwürdigen Great Wall of China entlangradeln. Den entsprechenden Symbolen auf unserer OpenStreetMap-Karte folgend, kamen wir zu seltsamen, scheinbar aus Lehm gestampften Turmformationen, die wie sich herausstellte, linienförmig angeordnet die irdenen Überreste dieses Weltwunders waren. Nur einen kurzen Moment vom desolaten Zustand dieses verheisungsvoll „Große Mauer“ genannten „Bau“-Werks enttäuscht, wurde die Faszination und der Entdeckergeist von Chris dann doch geweckt. Jeder neue Turm, jede erkennbare, halbverblasste Mauerlinie wurde gefeiert, jedes stehengebliebene Stück Mauer gleich doppelt. Als wir nach ein paar Tagen die Mauer die ersten Berge im Zickzack erklimmen sahen, war Chris im siebten Himmel. So folgten wir ihr weiter, etwa dreißig Kilometer nach Norden, quer über die Berge (und unerwarteterweise auch durch einen 966 Meter langen Tunnel durch den Berg hindurch) und wieder hinab ins Tal, wo sich die Mauer – nun mehr dem ähnelnd was man so an Bildern kennt – elegant ins Tal schlängelte.

In dem kleinen Dorf unten in dem breiten Tal das wir erreichten kehrten wir in ein kleines Restaurant ein. Wir fragten nach vegetarischem Essen und Chris wurde in die Küche geführt, wo der Koch auf Tomaten, Eier und grüne Bohnen deutete – oder etwas das zumindest eine ähnliche Form hatte, jedoch nichts war, was wir beide je vorher gegessen hatten. Auf jeden Fall war das Essen superlecker und das Tomatenrührei sollte es deshalb noch öfter geben – wenngleich nie so lecker wie dort. Der Koch unterhielt sich noch eine Weile interessiert per Translator mit uns, bevor er nach Hause ging und das Restaurant damit ohne Koch ließ. Beim Einkaufen kurz darauf sprach uns auch der Ladenbesitzer an und wir plauderten eine Weile mit ihm. Inzwischen waren alle Ausführungen bereits im Translator gespeichert, weshalb Chris schnell von unserem Vorhaben „berichten“ konnte. Kurzerhand entschloss sich der Ladeninhaber, uns mit in die Dorfmitte zu nehmen, um uns das „älteste Haus“ in dieser „alten Stadt“ zu zeigen. Wie folgten ihm, wie er auf seinem E-Roller dahinflitzte und kamen tatsächlich zu einer Art Stadt-Turm über einer zentral wirkenden alten Kreuzung der wiederum uralt wirkenden Gässchen. Mit einem Schlüssel, den er mal eben irgendwo hervorzauberte, sperrte er den Turm auf und führte uns hinauf.

Nach diesem kurzen Sightseeing in dieser „alten Stadt am äußersten Rand Shanxis“ verließen wir die Provinz Shanxi auch unmittelbar, wie uns die Willkommens-SMS zur Provinz Hebei verriet. Wir folgten der Mauer immer noch, doch sie war inzwischen etwas in die Ferne gerückt, einige Kilometer nördlich im ost-west-ausgerichteten Tal. Wir verbrachten die Nächte abseits der Siedlungen und Städte auf Wiesen an kleinen Canyons, hinter Deichen an trockenen Flussbetten und zwischen Hecken und Feldern. Mal weckte uns Verkehr, mal eine Gruppe lautstark trainierender Frauen und wieder ein anderes Mal waren es Explosionen und das auf sie folgende Donnergrollen, das Chris im Halbschlaf von Bombenangriffen, Atomunglücken und ähnliches denken ließ. Wahrscheinlich waren es Sprengarbeiten für eine weitere Hochgeschwindigkeitszuglinie oder Autobahn. Die Chinesen hören einfach nicht auf, ihr Land mit Infrastruktur vollzupflastern. Das sieht man nicht nur am ohnehin dichten Straßennetz, sondern auch daran, dass alte Straßen nicht erneuert werden, sondern einfach neue Straßen daneben oder darüber hinweg gebaut werden, was seltsam mäandrierende Straßenbündel entstehen lässt. Ein wenig wie in der Mongolei, nur dass hier mit Asphalt nicht gespart wird. Wie meinte der Russe, den wir auf dem Weg in Zhangjiakou trafen etwas ironisch? „Repairing is exhausting, boring and expensive. Building new roads and houses is more fun.“
Bei Zhangjiakou war es auch, das Chris sich seinen ersten Platten einhandelte – nach 5000 Kilometern. Obgleich er sich hätte freuen können, dass sein teurer Schwalbe-Plus Reifen so lange gehalten hat, ärgerte es ihn, dass er nach Dornen und Steinen der Gobi nun auf dem teuren chinesischen Asphalt einen Platten bekam. Und noch mehr ärgerte ihn, dass seine Luftpumpe von Aldi jetzt doch den Geist aufgab. Nach einer dreiviertel Stunde fluchenden Abmühens mit der Pumpe und weiteren zehn Minuten resignierenden Herumsitzens am Straßenrand hielt ein Wagen. Ein junger Mann erkundigte sich auf Chinesisch nach unserem Problem, bot Hilfe an. Leider streikte der Translator aufgrund der wirklich nervigen chinesischen Internetzensur wieder. Dennoch schafften wir es ihm zu vermitteln, dass unsere Pumpe hinüber sei und flux setzte er sich in den Wagen und düste nach Hause, um uns seine zu holen. Als er wieder zurück war, funktionierte der Translator auch wieder, bzw. der VPN Dienst, den man hier wegen der Great Fire-Wall braucht. In der Unterhaltung mit unserem Retter meinten wir, er würde uns zu sich nach Hause einladen. Als wir ihn dann tatsächlich in dem Dorf fanden, das er uns auf unserer Karte zeigte, war er sehr erstaunt. Er hatte nicht damit gerechnet, dass wir zu ihm kommen würden. Etwas peinlich berührt über das Missverständnis machten wir uns schließlich aus dem Staub. Beziehungsweise aus dem Dorf hinaus und IN den Staub und schlugen unser Zelt am Feldrand auf.

Wir überquerten einige trocken-dürre Hügel und Berge, zogen an endlosen Staus von Kohle-Lkws vorbei, sausten klammheimlich durch Tunnel-Baustellen, fuhren über die gewaschenen Straßen herausgeputzter Retortenstädte mit Appartment-Hochhäusern und Fake-Fachwerk-Spas sowie im Smog des dichter werdenden Verkehrs; wir umrundeten einen See, kämpften uns durch unüberschaubare Straßendschungel mit und ohne Radstreifen und suchten Umwege, um bewachte Wohnviertel, Kasernen und für Radler gesperrte Tunnel. Und schließlich kamen wir zurück zu ihr: Badaling, die Great Yanqing Great Wall, die große, alte Chinesische Mauer.

Nachdem wir am Fuß des Berges vor der majestätisch auf den Graten thronenden, golden im abendlich leuchtenden, Mauer ankamen, besetzten wir eine der leerstehenden und heruntergekommenen Wohnanlagen, die die Wegränder säumen und bauten unser Nachtlager darin auf.
Natürlich ist auch dieses Mauerstück in den letzten Jahrzehnten teilweise restauriert und touristisch eingebettet worden. Doch selbst nachdem die ersten fünf Touristenbusse ihre Passagiere vor den Treppenaufgängen zum Mauerweg erbrachen, hatten wir diesen fast für uns alleine, denn die wenigsten wagten sich über den dritten oder vierten Turm hinaus, ob der körperlichen Anstrengung auf den steilen Treppen wegen oder des Regelgehorsams angesichts der für uns unverständlich übersetzten Schilder.


Schweißgebadet brauchten wir danach erstmal ein paar kalte Getränke und eine deftige Mahlzeit, kamen aber auch so gestärkt nur noch 16 Kilometer weit an diesem Tag, bevor wir in den Bergen vor Peking unsere letzte Zeltnacht vor der Stadt einlegten.
Die Abfahrt nach Peking durch die Berge war atemberaubend schön und wir kamen noch mehrfach durch diverse Mauerabschnitte hindurch und an ihnen vorbei. Links und rechts von uns erhoben sich die felsig zerklüfteten Bergflanken, zwischen welche sich niedrige Wälder schmiegten und neben dem einen oder anderem grünen Baum am nackten, warm-orange leuchtenden Fels auch mal ein kleiner roterblauer Pagodenschrein herausstach

Peking

Leider kamen wir zu schnell aus den Bergen heraus und so kämpften wir uns noch 60 Kilometer weit durch das Pekinger Stadtgebiet, bis wir schließlich unsere Unterkunft erreichen würden, die wir nachts zuvor mangels Couchsurfing- und Warmshowers-Hosts buchten. Unterwegs kamen wir an jeder Menge Merida und Giant Bike Stores vorbei. Da Chris Kette am Vortag unvermittelt gerissen war und wir sie gerne ersetzten wollten, machten wir an einem der Läden halt – wo Chris sich bei der Gelegenheit auch gleich noch ZWEI neue Ständer anmontieren ließ (Nummer 7 und 8).
Hier vor dem Geschäft war es auch, das wir „Will“ kennenlernten, den wir aber lieber Zhipeng nannten 😉 Er ist ein furchtbar süßer chinesischer Masterstudent, der uns durch Übersetzen am Laden half und uns dann auch noch zum Mittagessen einlud, weil er es genoss, endlich mal wieder etwas Englisch zu reden – und er selbst ein leidenschaftlicher Radler ist.
Wie so viele davor fragte uns auch Zhipeng nach WeChat, dem chinesischen Pendant zu Whatsapp bzw. Facebook und wir mussten leider verneinen. Wir einigten uns deshalb darauf auf altmodische Weise zu kommunizieren und Short Messages zu schreiben, denn Zhipeng bot uns an am Freitag etwas Zeit mit uns zu verbringen und uns die Stadt zu zeigen.
Peking war an diesen Tagen unglaublich heiß. Es gibt Bemühungen die Stadt zu begrünen und so dem Problem Herr zu werden. Bei so viel Asphalt scheint jedoch noch mehr nötig zu sein, denn die Hitze und der Smog stauen sich unangenehm über der unvorstellbar großen Stadt mit ihren ca. 21 Millionen Einwohnern. Umso mehr genossen wir an dem Abend die Dusche und die Klimaanlage in unserem winzigen Hotelzimmer. Von wo aus wir anfingen diesen Blogeintrag zu schreiben.

Um euch auf den neuesten Stand zu bringen: Wir sitzen mittlerweile nicht mehr im Vorlesungssaal der Universität, sondern im Zug – auf dem Weg zu neuen Abenteuern. Peking haben wir mittlerweile hinter uns gelassen. Und auch wenn wir viel Positives gelesen haben, so war es auch diesmal ein Abenteuer für sich die Räder mit uns zu nehmen. Aber dazu später mehr.
Von dem Wäsche-waschen-Desaster und unserer Rettung durch den Koch des Hotels haben wir ja schon erzählt. Der Hotelkoch Rheizhin wurde während unseres Aufenthalts in Peking eine feste Größe für uns. Er erkundigte sich immer, wenn er uns sah nach unserem Wohlbefinden, ob unsere Wäsche getrocknet ist, ob wir schon etwas gegessen haben und wurde nicht müde zu betonen, dass wir viel zu mager wären und er es toll findet, dass wir mit dem Fahrrad fahren. Einfach ein herrlich lieber Mensch.

Natürlich machten wir auch etwas Sightseeing in Peking. Wir schauten uns den Konfuziustempel an, gingen im dortigen hippen Stadtviertel umher, wo es vor Touristen und jungen Einheimischen nur so wimmelte und genossen die lauen Sommernächte. Generell schien es so, als ob die Stadt erst spät Abends erwacht. Viele Einkaufsläden hatten bis 21 oder 22 Uhr geöffnet. Das ergibt Sinn, denn die dann sind die Temperaturen gerade so aushaltbar. Wir machten uns auf die Suche nach einem Sommerkleid für Lisa und durchstöberten einige kleinere Läden. Die Mode hier in Peking hat etwas für sich. Lisa gefiel der extravagante, schräge, teilweise veraltete, aber dennoch hippe Stil sehr gut. An Asiatinnen sieht das auch gut aus. Das Stöbern machte Spaß, gekauft haben wir jedoch nichts.

Wir besuchten den Tempel of Heaven, fuhren über den Tian’anmen Platz und schauten uns vom Hügel im Park hinter der verbotenen Stadt eben diese bei Sonnenuntergang an und schlussendlich trafen wir uns an unserem letzten Tag in Peking wieder mit Zhipeng und besuchten den Sommerpalast. Wir haben uns sehr gefreut ihn wieder zu sehen. Es war auch sein erstes Mal im Sommerpalast, aber er konnte uns viele Infos über die Geschichte Chinas und über die Kultur im Allgemeinen geben. Spontan entschlossen wir uns dann ihn mit in seine Vorlesung zu begleiten. Zur Pause und am Ende der Vorlesung ertönte anstatt eines Gongs klassische Musik aus den Lautsprechern. Etwas ungewöhnlich, aber nett.

Da wir uns am Abend nicht mehr entscheiden konnten wohin wir als nächstes Fahren, kauften wir erst am Tag der Abfahrt das Zugticket nach Zhangjiajie, um die Nebelberge zu besichtigen. Entgegen unserer Befürchtungen, es gäbe keine Tickets mehr, konnten wir doch noch zwei Tickets für den Nachtzug ergattern. Wir packten unsere elf Taschen und machten uns rechtzeitig auf den Weg zum Bahnhof. Im Internet hatten wir gelesen, dass der Bahnhof West recht groß sein soll und es wurde empfohlen mindestens zwei Stunden vor Abfahrt dort zu sein. Und tatsächlich: Der Bahnhof war riesig! Für uns sehr undurchsichtig mit seinen chinesischen Beschilderungen. Kaum jemand sprach Englisch und es war schon eine Herausforderung für sich mit den Rädern zum richtigen Haupteingang zu kommen. Erst versuchten wir es über das Untergeschoss und wurden in den zweiten Stock verwiesen, also Treppauf mit den Rädern. Dort angekommen schickte man uns ein Stockwerk tiefer. Wir folgten erneut einer steilen Treppe den Weg hinab, was mit den vollbepackten Fahrrädern kein Spaß war. Dort fragten wir die Sicherheitskräfte vor Ort wo wir denn die Räder nun aufgeben könnten. In China dürfen die Räder nicht im Zug transportiert, sondern müssen über die «Zugpost» verschickt werden. Aber wo findet man diese «Zugpost»? Das wussten leider nicht einmal die Sicherheitskräfte vor Ort, oder sie verstanden uns nicht richtig. Irgendwann schickte man uns zu einem Mann in Uniform. Er sah aus wie ein Polizist. Dieser geleitete uns in eine etwas dubios wirkende Ecke des Bahnhofs und zwei weitere Männer in Uniform wiesen uns an die Taschen von den Rädern zu nehmen. Wir fragten wo wir denn unsere Zugtickets abholen könnten. Die online gebuchten Tickets mussten am Bahnhof noch einmal mit unseren Reisepässen verifiziert werden. Einer der Männer geleitete uns zu einem Servicefenster, wo eine recht kurz angebundene, aber immerhin etwas englisch sprechende junge Frau unsere Tickets ausstellte. Wir fragten sie, wo wir unsere Räder aufgeben könnten und bekamen keine richtige Antwort. Schon hatte der Mann in Uniform, der uns zu dem Serviceschalter begleitete Chris Rucksack geschnappt, um wieder zu den Räder zurück zu laufen. Wir folgten ihm. Bei den Rädern füllte einer der Männer einen offiziell aussehenden Lieferschein aus, was eine Weile dauerte, da er kein Englisch sprach und unsere Namen eher abmalte, als abschrieb. Dann erklärte er uns, dass er für die Räder 800 Yuan haben wolle, das sind umgerechnet 100 Euro. Die Vermutung, dass hier etwas gewaltig schief läuft hat sich dadurch so verstärkt, dass wir unsere Räder schnappten und nur noch von diesem Ort weg wollten. Die Diskussion mit den Männern, die Suche nach dem richtigen Cargo-Service, die Ticketabholung all das hat uns so viel Zeit gekostet, dass wir noch eine dreiviertel Stunde hatten, bis der Zug abfahren würde. Und wir wussten immer noch nicht wo wir hinmussten, um die Räder aufzugeben, geschweige denn, wo unser Zug abfahren würde. Und auf einmal war da ein Mann im roten T-Shirt und zeigte uns, dass wir ihm folgen sollten. Er stieg auf seinen Roller, fuhr um das riesige Bahnhofsgebäude herum und da standen wir vor dem Southgate und dem China Railway Express Service!!! Der Mann erklärte den Angestellten unsere Situation und eine Frau vor Ort hatte ein Übersetzungsprogramm auf ihrem Handy. Wir wurden nach gefährlichen Gegenständen gefragt und gaben an ein Taschenmesser und Sachen zum Kochen dabei zu haben. Das gute Taschenmesser mussten wir abgeben. Wir haben verstanden, dass sie es in einem Extrapacket hinterher schicken würden – ich denke es war das letzte Mal, dass wir das Messer gesehen haben. Danach wurde unser Gepäck und die Räder gewogen und durchläuchtet. Wir bezahlten ca. 250 Yuan, die 50 Yuan Wechselgeld steckte der Mann im roten T-Shirt ein. Er zeigte uns noch kurz wo wir den Eingang zu den Gleisen finden würden und nach mehreren Sicherheitskontrollen haben wir es – Gott sei es gedankt – auf die letzte Minute in den Zug geschafft. Ich würde fast behaupten, dass es in Deutschland mit am einfachsten ist, mit dem Fahrrad und dem Zug zu fahren. Die Sicherheitskontrollen in den Zügen sind wahnsinnig streng seit dem wir aus Europa heraus sind und das ist teilweise der pure Stress. Jetzt sitzen wir im Zug, haben einen kleinen Rucksack für zwei Tage gepackt und haben keine Ahnung wann und wo wir unsere Räder wieder sehen werden. Falls die Fahrräder doch weg sein sollten, dann werden wir wohl backpackend und mit leichtem Gepäck weiter durchs Land ziehen… So oder so, wir werden es euch bei der nächsten Gelegenheit berichten.
😉

Wulingyuan – hier wanders wir, bis die Ràder da sind