Back on the road: Malaysia – Myanmar – Corona

Stille.

Flammen züngeln wärmend vor uns auf und werfen ihren orangegelben Schein auf unsere Beine, Arme, Gesichter. Von den Tassen mit süßem Gewürztee in unseren Händen steigen feine Fäden wohlriechenden Dampfes auf. Gelegentlich nippen wir daran während unsere Blicke verloren auf der Glut und dem kleinen Feuer ruhen. Es knackt. Ansonsten ist es still.

Dann klackern die Tasten der kleinen Tastatur auf Lisas Schoß, als Erinnerungen, Gefühle, Gedanken, Erlebtes, Erhofftes, Erwünschtes durch ihre Finger auf den Bildschirm unseres kleinen Tablets fließen, Lettern aufreihen, Wörter bilden, Sätze aufbauen. Das Schreiben ist eine Aufgabe, die wir uns gegeben haben, um unsere Erlebnisse mit euch zu teilen. Doch erfüllt es auch einen anderen Zweck. Es bedeutet Reflektion, Geschehnisse und Begegnungen erneut zu durchleben, zu bewerten und wertzuschätzen. Und das ist gerade womöglich wichtiger, als zu irgend einem anderen Zeitpunkt unsere nun elfmonatigen Reise.

Der Faden unserer Geschichte endete in Adrian Chans kunstvoll und praktisch renovierten Rad-Gasthaus, dem Titi Terras Village House in Balik Pulau auf der Insel Penang in Malaysia. Hier nehmen wir ihn wieder auf. Nachdem wir neben einer Gruppe russischer Studierender, die hier Unterschlupf gefunden haben, da sie nicht nach China zurück konnten (Corona), auch unsere Fahrräder vorfinden durften, die wir hier zurückgelassen hatten, waren wir recht entspannt und genossen es, die Seele etwas baumeln zu lassen, bevor wir weiterfahren würden. Wir räumten unsere sieben bzw. siebenhundert Sachen von einem Raum in den nächsten, um die Taschen neu zu packen, kochten, kauften ein, reparierten und montierten Radtachos. Außerdem bemühten wir uns, anfallende Arbeiten im kostenlosen Guesthouse für Radreisende zu erledigen: Kehren, Wischen, Badputzen, Bettwäsche waschen, Laub rechen und wilde Papaya-Keimlinge aus dem Kompost in den Garten umsetzen. Es tat dementsprechend etwas weh, von diesem schönen Ort, an dem man auch gut hätte Wurzeln schlagen können, wieder aufzubrechen.

Über die Nordroute der Insel, eine Berg- und Küstenstraße, kamen wir trotz der Verlockungen schöner Strände, an denen wir Rast machten (die vermeindlich letzten Strände der Reise, waren wir doch jetzt auf dem Weg nach Myanmar, Indien und den mittleren Osten), doch noch nach Georgetown. Vorbei an einem niederländischen Fort aus Kolonialzeiten, Kanonen und Kirchen und jeder Menge Wolkenkratzer-Wohnbauten für die Gutbetuchten, kamen wir auch noch an DAS Radreisenden-Selfie-Streetart-Kunstwerk, das man auf seiner Reise durch Malaysia unbedingt mitnehmen musste.

Die weitere Fahrt von Penang in Malaysia zur thailändischen Grenze verlief ob der kurzen Reisezeit recht ereignislos. Erst auf einer Fähre voller motorrollerfahrender Smartphonenutzer oder smartphonenutzender Motorrollerfahrer (siehe Foto), die uns übers Meer nach Butterworth brachte, dann teils mit Bus, teils mit dem Rad weiter nach Kangar in Perlis, wo wir eine kurze Nacht verbrachten, ehe wir wieder nach Padang Besar zum Grenzübergang aufbrachen.

Wie immer machten wir beim Radfahren die schönsten Begegnungen und so kamen wir an ein kleines Straßenlokal in dem eine kleinen Gruppe Menschen saß und miteinander redeten und aßen. Neben dem Lokal war eine Filtermaschine, wie wir sie aus Thailand kannten. Das Leitungswasser war im Großteil der Länder durch die wir reisten nicht trinkbar. In Thailand und Malaysia gibt es dafür Filtermaschinen am Straßenrand. Für ein paar Cent kann man dort seine mitgebrachten Gefäße mit Trinkwasser füllen. Sehr praktisch! Als Chris gerade noch Kleingeld zählte, kam der junge Besitzer des Lokals nebenan vorbei und drückte ihm Kleingeld in die Hand. Es sei seine Maschine und sein Lokal und er würde uns einladen. Sehr nett! Wir bedankten uns.

Kurze Zeit später, als alle unsere Wasserflaschen befüllt waren, gingen wir zu dem Tisch im Lokal hinüber, um uns noch einmal bei dem netten jungen Mann zu bedanken. Da stand eine ältere Frau auf, die fließend Englisch sprach und lud uns zum Mittagessen ein. Wir sollten uns vom Buffet einfach nehmen, was wir wollten. Wir unterhielten uns noch eine Weile mit ihr über ihr Leben, ihren Beruf und unsere Reise.

Es war keine weltbewegende Begegnung. Mir (Lisa) ist es dennoch wichtig diese Geschichte mit euch zu teilen, weil sie für so viele Situationen steht, in denen wir von anderen freimütig beschenkt, versorgt und freundlich aufgenommen wurden. Es war für uns nicht die Ausnahme, dass so etwas passierte, sondern eher die Regel. Ich wünsche mir, dass wir selbst mit einer solchen Selbstverständlichkeit fremde (vielleicht auch etwas verrückte) Menschen in unserer Mitte aufnehmen, ihnen begegnen, helfen, sie versorgen und beschenken. Ich gehe fest davon aus, dass das Auswirkungen hat, nicht nur auf deren Leben, sondern auch auf unseres und dass es die Welt ein bisschen besser macht. Wie wir gelernt haben: Das kann so einfach sein.

An der thailändischen Grenze angekommen, dauerte es viel länger, als wir es vom letzten Mal gewohnt waren. Wir mussten Geld, Hotelbuchungen und ein Ausreiseticket nachweisen. Natürlich hatten wir nichts von dem – nicht wirklich jedenfalls. Gestresst und genervt, weil wir auf der anderen Seite der Grenze noch den in Kürze abfahrenden Zug nach Bangkok erwischen wollten, wurde per Online-Banking-App bewiesen, dass wir Finanzmittel hatten, per Facebook-Chat-Verlauf, dass wir ein „Hotelzimmer“ in Bangkok bei Parn & Neemo von Granny Bike.Bed hatten und mit dem Rad, dass wir keine Ausreisetickets brauchten…

Nach einer Weile gab sich der Beamte mit den Nachweisen zufrieden, die wir ihm geben konnten und lies uns passieren. In der Grenzstadt Padangbesar kamen wir zwar noch rechtzeitig zu dem Zug, den wir nach Bangkok nehmen wollten. Am Schalter erfuhren wir dann jedoch, dass eine Fahrradmitnahme nicht möglich sei. Dazu müssten wir bis in die Stadt Hat Yai fahren. Da uns nichts besseres einfiel, aßen wir in Padangbesar zu Abend und fuhren die 50 km bis Hat Yai im Dunkeln mit dem Rad, wo wir uns ziemlich müde ein Hotelzimmer am Busbahnhof suchten. Am nächsten Tag fuhren wir mit einem fahrbaren Kühlschrank aka. Nachtexpress bis Bangkok durch. Es war eine interessante Fahrt. Zum einen, weil ich ca. zwei Stunden ohne Probleme mit Sophia über das Internet telefonieren konnte (wohlgemerkt: ich war mit dem Zug unterwegs!) und zum anderen, weil wir am Bahnhof einen deutschen Radreisenden aus Freiburg getroffen hatten, der uns im Zug mit allerlei Tipps und Reiseanekdoten bis spät in die Nacht unterhielt.

Und dann waren wir wieder in Bangkok. Ich glaub wir haben es im letzten Blogeintrag schon erwähnt: es ist schön, bekannte Orte noch einmal zu besuchen. Das fühlte sich etwas an wie nach Hause kommen, weil es schon vertraut ist. Wir suchten den Weg direkt zu Granny Bike.Bed, ein kleines Hostel für Radreisende, bei denen wir das letzte Mal sowohl einige warme Klamotten sowie unsere Schlafsäcke gelassen hatten. Die Zeit in Bangkok nutzen wir, um unsere To-Do Liste abzuarbeiten: Visum beantragen, Wäsche waschen, Taschen aussortieren, Fahrrad reparieren und einem kleinen bisschen Sightseeing. Nebenbei kauften wir jede Menge Fahrradzubehör bei einem Radhändler – vor allem Flaschenhalter. Wir hatten schließlich vor noch laaange und durch trockene Regionen weiterzuradeln.

Nach drei Tagen ging es weiter: mit dem Nachtbus vom wohl größten Busbahnhof Südostasiens an die thailändische Grenze mitMyanmar (Birma). Völlig verwirrt erwachten wir, geweckt durch die Busbegleiterin: „MAE SOD!“. Der Bus war – bis auf uns – vollkommen leer. Schnell packten wir unsere Taschen und stürzten hinaus. Die Räder wurden gerade entladen. Während wir sie bepackten und der Bus beim Wegfahren fast über uns fuhr, beobachtete uns vom Tor des Busterminals aus bereits ein Radfahrer mit vollbepacktem Rad. Wir steuerten den Ausgang an und er kam uns entgegen. Der Thai mit dem Buff, der Sonnenbrille und dem krassen High-End-Rad stellte sich uns als „Yun“ vor. Er fragte direkt, ob wir gern duschen und frühstücken würden. Er sei ein Warmshowers Gastgeber aus Mae Sod und wir könnten gerne zu ihm kommen. Eigentlich war unser Plan am selben Tag noch über die Grenze nach Myanmar zu fahren, aber wir entschieden uns spontan der Einladung zu folgen und mit Yun zu fahren, auch wenn wir zu Beginn noch etwas skeptisch über dieses unerwartete Treffen und die Angebote waren. Es stellte sich schnell heraus, dass er einen tollen kleinen Radladen betreibt und sein Rad – auf Stand-by bepackt – nur zum Training jeden Morgen umherfährt. Als wir in seinem Shop duschten, nebenan lecker zum Roti-Frühstück eingeladen wurden und dann seinen Laden erkundeten, bot er uns an, bei ihm zu übernachten und noch einen Tag in Mae Sod zu bleiben. Auch dieses Angebot nahmen wir spontan an. Es sei ein anderes Radfahr-Pärchen in Mae Sod und wolle morgen nach Myanmar. Mit denen könnten wir doch einfach gemeinsam fahren, schlug Yun vor. So lernten wir kurze Zeit später die beiden Schweizer Jolien und Mirko kennen. Die beiden waren seit zwei Monaten unterwegs und sind von Singapur durch Malaysia nach Thailand gefahren und waren nun ebenfalls auf dem Weg nach Myanmar. Ihr Ziel: mit dem Rad zurück in die Schweiz. Dafür hatten sie sich ein Jahr frei genommen und die Reise im Voraus gut geplant. Gemeinsam putzten wir bei Yun unsere Fahrräder, bzw. putzte eher Yun sie für uns – sehr fachmännisch. Unsere Räder waren schon lange nicht mehr so sauber, sie sollten es leider aber auch nicht lange bleiben. Aber für diesen kurzen Moment war es sehr befriedigend.

Nach der Putzaktion hatten wir spontan einen Termin mit Thibauld aus Frankreich. Von ihm haben wir bereits in Laos von anderen Reisenden erfahren und waren neugierig auf seine Arbeit vor Ort. Der „evangelikale“ und „charismatische“, „wiedergeborene Christ“, als den sie beschrieben, war tatsächlich ein total energetischer und inspirierender Charakter. Wir trafen ihn im Borderline Café, das wir nachher durchstöberten und hübsche Karen-Handwerkssachen bestaunten. Thibauld, der vor drei Jahren aus Frankreich nach Myanmar reiste und hier traditionelle Musik und Kultur filmte, kam hier zum Glauben und fand seine Berufung darin, den Menschen in Mae Sod, bzw. in den Flüchtlingslagern um Mae Sod und auf der burmesischen Seite, zu helfen. Die Karen (lt. Internet, wir hatten immer „Kamer“ verstanden), die in Myanmar einen „staatlichen Genozid“ erleiden, flüchten nach Thailand und leben dort oft unregistriert und ohne Papiere in großen Flüchtlingslagern wie Mae La, eine Stunde außerhalb von Mae Sod, mit über 40.000 Geflüchteten bzw. staatenlos geborenen. Anfangs wurden sie noch gut aufgenommen, mittlerweile sind sie im Stadtbild Mae Sods nicht mehr so gern gesehen. Viele Hilfsorganisationen haben sich hier niedergelassen, um an der Grenze zu Myanmar den Geflüchteten zu helfen. So auch Thibauld. Er schmuggelt Hilfsgüter nach Myanmar. Bisher finanziert er seinen Aufenthalt von Erspartem. Jetzt baut er einen Moringa-Vertrieb auf (Superfood). Mit dem Vertrieb versucht er Arbeitsplätze vor Ort zu schaffen und die Hilfe zu finanzieren. Thibaud war eine beeindruckende Person und auch wenn er nicht viel Zeit hatte, mit uns zu Quatschen, sind wir sehr dankbar für diesen Einblick in seine Geschichte und sein Engagement.

Auf geht’s! Myanmar, wir kommen!

Am nächsten Morgen sollte es dann endlich nach Myanmar weiter gehen – gemeinsam mit Jolien und Mirko. Wir trafen uns vor Yuns Laden, denn die andern wollten noch ein paar Kleinigkeiten bei ihm besorgen. Erneut wurden wir von Yun, seiner Frau und der Ladenmanagerin überraschenderweise zum Frühstück eingeladen. Er hatte ein großes Buffet besorgt: unterschiedlichstes Gemüse, Reis, Tofu, Fisch! Dabei hatte ich schon etwas zum Frühstück eingekauft und Mirko und Jolien hatten im Hotel gefrühstückt. Nun denn, wir freuten uns dennoch über die Einladung und stärkten uns vor der Weiterreise. Und als wäre es nicht schon genug gewesen, zauberte Yun jedem von uns noch ein Lunchpaket auf den Tisch. Dann begleitete er uns noch bis zur Grenze, um dort Mirko und Jolien zu einem Outdoor-Laden und uns zur Post zu bringen. Im Outdoor-Laden dann traf uns ein kleiner, aber nicht unbedeutender Schock: die Verkäuferin lief doch tatsächlich mit einer großen, zitronenfarbenen Würgeschlange um den Hals im Laden herum. Beide waren schön anzusehen, aber mit so etwas hatten wir dann doch nicht gerechnet.

Dieser Überraschung folgte dann direkt die nächste. Yun verkündete uns, dass er uns nicht nur bis zur Grenze, sondern auch darüber hinaus begleiten und uns in Myanmar in den ersten Tagen den Weg weisen würde. Wir waren platt. Dieser Mann steckte voller Spontanität und Überraschungen und das mit seinen 62 Jahren. Er betonte immer wieder in seiner fröhlichen, unbeschwerten Joda-Art, dass er schon ein alter Mann sei – darüber konnten wir nur lachen.

Nun denn – also zu fünft nach…

Myanmar

Nach dem Grenzübertritt (dieser dauerte aufgrund der neuen Corona-Health-Checks etwas länger als gedacht) fuhren wir aus der Stadt hinaus, auf gut asphaltierten Wegen, aber in diffusem Licht und rauchiger, staubiger Luft.

Wir aßen in einem Straßenlokal zu Mittag für umgerechnet knapp sechs Euro für fünf Personen, bevor es dann den Berg hochging – 800 Höhenmeter. Der Weg war schön und kaum befahren. Wir kamen an mehreren Tempeln vorbei, sahen Mönche in einem uralten Mini an uns vorbeidüsen. Als wir schließlich an einem kleinen Holzverschlag mit kleinem Laden-Tisch davor Rast machten, etwas Tee tranken und getrocknete Bananen snackten, wendeten sich plötzlich alle Köpfe der Radler ungläubig staunend dem entgegen, was da die Bergstraße herunterkam: ein Elefant. Und oben drauf ein junger Bursche in dessen Genick. Wir fühlten uns wie im Traum. Und er starrte mindestens genauso fasziniert auf uns und unsere beladenen Räder herab, wie wir auf ihn und sein Reittier. Doch letzteres trug ihn – völlig unbeeindruckt – einfach davon.

Schwere und schwerbeladene Reittiere begegnen einander

Dann, nach einigen weiteren Wendungen, Klostern, bemalten Felsen mit Stupaspitzen und Bauern, die im trockenen Gras arbeiteten, genossen wir endlich die lange, lange Abfahrt. Erst auf guten, dann auf sehr holprigen, zentimeterdick mit Staub bedeckten Straßen. Das ging an die Substanz unserer Räder. Die Rauchfahnen, die wir vom Berg aus noch aufsteigen sahen, wurden nun zu Flammensäumen, die sich durch das Unterholz zu beiden Seiten des Weges fraßen. Inmitten des Buschbrandes und auf teilweise knöcheltief staubigen Straßen brach dann noch Lisas Frontgepäckträger von der Gabel, was sie damit löste, dass sie die Radtasche von dort quer über ihre Hinterradtaschen schnallte. Im zunehmenden Zwielicht, Rauch und Schweiß unseres Angesichts, hofften wir auf ein rasches Ankommen.

Als es schon dunkel wurde bog Yun endlich in einen Hof ein und erklärte, er wolle hier nur kurz ein Bier trinken, bevor es weiter geht. Wir waren schon ziemlich am Ende unserer Kräfte für den heutigen Tag. Chris, erst irritiert und genervt, freute sich bei diesen Worten dann doch sehr über die Aussicht auf ein kühles Bier. Wie sich herausstellte war das jedoch nur ein Scherz. Wir waren nicht zum Biertrinken hier – besser: wir hatten unser Tagesziel doch schon erreicht – das Haus der Familie von Yuns Ladenmanagerin. Diese nahmen uns neugierig, freundlich und herzlich auf. Sie hatten ein Festessen für uns gekocht und uns Plätze unter ihrem Dach frei geräumt, wo wir schlafen dürften.

Wir aßen zu fünft um einen kleinen runden Tisch und wurden königlich bewirtschaftet, in einem Haus, das nicht an die Elektrizität angeschlossen war (sie hatten eine Solarpanel für ein bisschen Licht am Abend). Wir konnten davon ausgehen, dass diese Familie das beste Essen für uns gekocht hatte und dabei keine Kosten gescheut hat, obwohl sie sichtlich wenig hatten. Zudem ist es in Myanmar verboten Ausländer im eigenen Haus aufzunehmen. Diese müssen in Hotels oder dafür vorgesehenen Unterkünften untergebracht werden. Das wir auch streng kontrolliert. In dieser Nacht jedoch bekamen wir keinen Besuch von Offiziellen.

Nachdem wir gegessen hatten, wurden die Reste in die Küche geräumt, wo sich die Familie versammelte und sie verputzte. Es war schon ein komisches Gefühl so bevorzugt zu werden und es war uns allen auch ein wenig unangenehm – allen bis auf Yun, der ja wusste was passiert.

Nach einer kurzen Dusche im Hof (für alle vorbeikommenden Motoradfahrer waren wir der Hingucker schlechthin), fielen wir auf unsere Matten unter dem Hausaltar und schliefen ein.

Am nächsten Morgen wurden wir erneut mit gutem, reichlichem Frühstück verabschiedet, bevor es auf die staubigen Pisten ging, die in keiner Karte verzeichnet waren. Später fuhren wir auf Asphalt und Betonwegen, vorbei an Dorfgemeinschaften, die die Straße betonierten und einen Spendentopf aufgestellt hatten. Yun erklärte, dass die Regierung sich nicht um die Straßen in Kamer Gebieten kümmert. Wir kamen in eine Kleinstadt, in der wir uns mit Longyis (Wickelröcken die von Männern und Frauen gleichermaßen getragen werden) eindeckten.

An einer von vielen Spendenstellen für Pagodas blieben wir stehen, aßen Melonen und Yun schickte Chris zum Fotografieren zur Pagoda, 600 Meter abseits des Weges. Diese war sehr pompös. Ein Mann führte Chris zum Goldenen Berg hinauf, wo er sich niederwarf und Chris bedeutete es ihm gleichzutun. Aus Respekt aber mit flauem Gefühl gehorchte er, zu Gott betend.

Am Abend, pünktlich zum Sonnenuntergang, gelangten wir schließlich an unser Tagesziel Mawlamyaing, wo Yun uns in einem Guesthouse absetzte, sich plötzlich verabschiedete, uns erklärte, dies wäre das Last-Goodby und verschwand. Wir waren etwas perplex und konnten nicht recht glauben, dass Yun auf einmal so verschwinden würde.

Wir gingen zu viert Abendessen beim Inder um die Ecke. Zuvor wurden wir von dem Rezeptionisten gewarnt, nicht auf den Nachtmarkt zu gehen, um Essen zu holen. Den meisten Ausländern würde vom Essen dort schlecht werden und er müsse täglich Medikamente verteilen. Er empfahl uns das chinesische und indische Essen um die Ecke. Es half jedoch nichts – zumindest nicht für Lisa, die sich die ganze folgende Nacht hin übergab und kaum ein Auge zutat. Keine Ahnung, wann es ihr das letzte Mal so schlecht ging und sie sich so elend fühlte. Aber es war das erste Mal auf dieser Reise.

Am nächsten Tag wollten wir eigentlich mit Mirko und Jolien weiterfahren. Zudem war Joliens 30ster Geburtstag und den wollten wir gerne mit ihr feiern. Nun denn, es sollte nicht sein. So geschwächt und müde wie Lisa war, war nicht an Fahrradfahren zu denken. Nicht in an die 40 °Celsius. Während sie das Bett hütete, ging Chris mit Mirko und Jolien zum Geburtstagsfrühstück und schaute danach mit Yun die Stadt an. Der stand am Morgen nämlich doch einfach wieder vor dem Hotel – er hörte einfach nicht auf uns zu überraschen. Wobei das eigentlich weniger überraschend kam. 😉

Während Chris für Lisa noch Bananen und Brot besorgte, kam er an einem der unzähligen Stände vorbei, an denen meistens Frauen, zwischen fleckigen Gläsern, Dosen und Schalen, denen würzige Aromen entstiegen, grüne, herzförmige Blätter mit kleisterartiger Paste bestrichen und mit Betelnussscheiben, Tabak, Gewürzen und Honig belegten, ehe sie diese zu kleinen Päckchen falteten und an ihre Kunden verkauften. Oder in Chris Fall – verschenkten. Wir haben auf dem bisherigen Weg durch Myanmar ständig Menschen, Männer wie Frauen, diese Mischungen kauen sehen, die deren Zähne rot färbten und sie veranlasst, ständig roten Schlonz in der Gegend herumzuspucken. Aus diesem Grund war uns das traditionsreiche Betel-Kauen auch erst einmal sehr unsympathisch. Das Lächeln der Menschen war dennoch meist interessant und schön.

In diesem unbeobachteten Moment auf der Straße schlug Chris dann doch zu und probierte die Volksdroge, die ihn etwas an das Koka-Blätter-Kauen der Andenvölker erinnerte. Das etwas zu große Kaupäckchen erfüllte seinen Mund erst mit würziger Frische, dann mit der Süße des Honigs und schließlich mit einer leicht scharf Schmeckenden Taubheit, die sich vom Mund aus langsam Richtung Kopf ausbreitete. Der Ekel über den Tabakgeschmack, der sich nach und nach durch setzte und die Angst vor rotgefärbten Zähnen ließen ihn aber nicht weit kommen und so spuckte er, kaum mehr als 200 Meter weiter die Straße hinab, den Betel-Tabak-Schlonz über die Brüstung der Uferpromenade in den Fluss. Etwas angewidert aber beschwingt durch diese neue Erfahrung und vielleicht auch durch die betelbedingte Leichtigkeit im Kopf, brachte er die Bananen zu Lisa. Und putzte erstmal mehrfach hintereinander seine Zähne.

Am nächsten Tag dann packten wir unsere Sachen und fuhren weiter, obwohl wir es hätten bleiben lassen sollen. Lisa fühlte sich etwas besser, konnte auch frühstücken, war aber immer noch sehr schlapp und müde. Nachdem wir unsere Räder in einem Radladen von Yuns Freunden noch einmal durchcheckten und reparierten und wir sogar einige neue Rohrschellen mit Lochbohrung als Ersatzteile für die Frontträgeraufhängung machen lassen konnten, brachte Yun uns noch bis zur Stadtgrenze. Dort verabschiedeten wir uns endgültig von dem herzlichen, liebevollen Thai, der uns so viel Freude bereitete.

Erst spät, obwohl wir nur 42 km gefahren sind, kamen wir in Zin Kyiak an, wo Chris am nächsten Morgen zu einer Pagoda auf dem Berg fahren wollte. In diesem Ort gab es kein Hotel, was uns vor eine weitere Herausforderung stellte. Noch guter Hoffnung schoben wir unsere schweren Räder den extrem steilen Berg bis zum nächsten Kloster hinauf. In Thailand hatten wir gute Erfahrungen mit der Gastfreundschaft der buddhistischen Mönche gemacht. Noch auf dem Weg nach oben kam uns ein Mann entgegen, der schwer humpelte. Mit Händen und Füßen erklärten wir ihm, wonach wir suchten und er nahm uns (bzw. nur Chris, weil Lisa als Frau mit kurzen Hosen das Kloster nicht betreten durfte) mit zum Abt des nächsten Klosters, warf sich vor diesem nieder und bedeutete Chris das gleiche zu tun. Er erklärte dem Abt unsere Situation, woraufhin dieser recht streng und abwehrend reagierte und uns bedeutete, dass wir hier nicht willkommen waren. Der Mann gab jedoch nicht so einfach auf, nahm uns von einem Kloster mit ins nächste und fragte sich durch, bis er uns zu einem kleinen Haus  brachte, in dem ein einzelner Mönch saß. Wieder wurde uns bedeutet, uns vor dem Mönchen auf den Boden zu werfen. Es ist ein recht komisches Gefühl. Dieser Mönch jedoch war jedoch gutmütig und so konnten wir in seinem Haus unser Zelt aufstellen und für eine Nacht dort bleiben.

Wir waren beruhigt, wurden mit Tee und Kaffee versorgt, bekamen Wasser, um uns zu waschen. Kurz bevor Lisa sich schon auf ihre Isomatte verkrümeln wollte (nach einem erneut sehr aufregenden und sehr anstrengenden Tag) und während Chris sich noch Waschen war, kam dann doch noch „Besuch“. Die Dorf-„officals“ standen in der Tür, zusammen mit Victoria, einer Amerikanerin, die übersetzen sollte. Wir, also auch der etwas verdutzte, dafür frisch gewaschene Chris, wurden gefragt, wo wir herkamen, wohin wir wollten, ob wir geplant hatten hier zu übernachten, und so weiter und so fort. Erst wurde uns gesagt, dass noch Busse in die nächste Stadt mit Hotel fahren würden und wir einen dieser Busse nehmen sollten. Nach ein paar weiteren Erklärungen und dem Abfotografieren unserer Reisepässe, willigten sie jedoch ein, dass wir für eine Nacht bei dem Mönch bleiben durften. Uns fiel ein Stein vom Herzen. Fünf Minuten später lagen wir in unserem heißen Zelt und schiefen ein.

Am nächsten Morgen stellten wir noch unsere Taschen bei der Peace-Corps-Freiwilligen Victoria ab, bevor wir uns auf unseren Weg zum Fuß des Berges machten.

Während Chris die knapp 900 Höhenmeter bis zum Kloster hochstrampelte, setzte sich Lisa unten im Dorf zwischen den dortigen Klöstern auf eine Bank. Sie wollte die angekündigten 3 Stunden, die Chris für seine Tour veranschlagte, nutzen um ihren Krimi zu lesen, den sie sich in Bangkok bei Parn & Neemo eingepackt hatte. So stellte sie sich einen gemütlichen Vormittag im Schatten mit wenig Bewegung vor. Gemütlich im Schatten war es dann auch, nur das Lesen konnte sie vergessen. Kurz nachdem Chris gegangen war, setzte sich eine ältere Nonne zu ihr auf die Bank und begann ein Gespräch. „Gespräch“ ist etwas viel gesagt, denn reden konnten sie nicht wirklich miteinander. Sie verstand so wenig Englisch wie Lisa Burmesisch. Aber irgendwie klappte es doch. Zwischenzeitlich gesellten sich immer wieder Leute aus dem Dorf zu ihnen. Männer, Frauen, Kinder kamen, spielten Ball und verabschiedeten sich wieder. Ein Lehrer war auch dabei, der konnte sogar ein wenig Englisch und erklärte den anderen, was sie hier machte. Es war interessant, dieses Dorfleben mitzuerleben. Anscheinend war Lisa jedoch mindestens genauso interessant. Die Zeit verging. Sie boten ihr Tee, Gebäck, Bonbons und Getränke an. Die Nonne brachte ihr ein paar burmesische Wörter bei, die sie alle schon wieder vergessen hat und freute sich sehr über die Bilder ihrer Familie, die wir vor Beginn der Reise extra hierfür hatten entwickeln lassen.

Chris war indessen eine Serpentine nach der anderen hinaufgestrampelt. Er genoss den schweißtreibenden Kampf gegen die Erdanziehungskraft bei 40° Celsius und streckenweise 20 bis 35 Prozent Steigung, vor allem in den Kehren.

Und nicht nur die Höhe mit den immer weiteren Ausblicken über das Land belohnten ihn dafür, sondern auch die Einladungen der Mönche, die ihn immer wieder in ihre am Wegrand liegenden Kloster einluden, Tee, Kaffee, Wasser, Energydrinks sowie Obst und Kekse anboten. Die Begegnungen mit den buddhistischen Geistlichen waren schön und ihre Einladungen ehrten ihn. Hier machte Chris jedoch auch eine Entdeckung die ihn etwas betrübte, nämlich die sehr hetzerische Titelseite einer Zeitung, die laut Impressum u.a. von Mönchen herausgegeben wurde (was Chris den Fotos entnahm) und die in fetten Lettern erklärte, dass Myanmar vom Islamischen Staat mit der Zerstörung bedroht würde. Ziemlich haarsträubende Behauptung, ist dessen Einflussgebiet doch mehrere Tausend Kilometer entfernt. Doch unterstreicht dieser Fund, was wir davor und danach noch über Religion, Politik und Macht in Myanmar lernen sollten: die buddhistisch-religiöse und politische Führung im Land stellt die muslimische Minderheit, insbesondere die Rohinya, unter Generalverdacht und bezichtigt sie, eine Religion des Terrors zu leben und zu fördern, welcher die friedliebenden Buddhisten des Landes schutzlos ausgeliefert wären. Wären – gäbe es nicht die extreme systematische Diskriminierung und Vertreibung muslimischer Gemeinschaften bis hin zu ganzen Ethnien. Würde man nicht deren Häuser und Dörfer niederbrennen, damit sie nicht zurückkehrten. Würde nicht der buddhistische Klerus Myanmars Diffamierung und Hetze selbst übers Land treiben und Menschen ins Unglück stürzen, Elend und Not über sie bringen… Wir hatten den Buddhismus in allen vorangegangen Ländern, aber insbesondere Laos und Thailand als überaus friedfertige Religion wahrgenommen, Mönche und Landsleute als die entspanntesten und großzügigsten Menschen während der Reise kennengelernt. In Myanmar mussten wir dann feststellen, dass Macht und Angst sowie das geschickte Spiel mit ihr, scheinbar auch einen anderen Buddhismus gebären können.

Verglichen mit den streng dreinblickenden Fotografien hoher Geistlicher, die man oft an öffentlichen Gebäuden und Klostern fand sowie dem garstigen Abt und seinen Kollegen, die uns am Vortag kaltschnäuzig abwiesen, waren die Mönche die Chris hier traf ihm gegenüber sehr aufgeschlossen, interessiert und großzügig. Zeigt sich halt doch wieder: Verallgemeinerungen sind Quatsch und Menschen sind nicht ihre vermeintlichen politischen oder ideologischen Ansichten.

Oben auf dem Berg tappste Chris dann (bereits etwas in Eile geraten, hatte der lange und unterbrechungsreiche Aufstieg ihm doch viel Zeit gekostet) durch die Gänge und über die Plätze des Bergklosters Zin Kyiak. Buddhastatuen, Stupas und Co hatte er bereits zu genüge gesehen und so galt sein Blick vor allem den kuriosen Details und den sagenhaften Aussichten von dort oben.

Mit heißen Bremsscheiben und durchgerüttelt und -geschüttelt kam Chris dann schließlich wieder in der Siedlung am Fuß des Berges an, wo er Lisa mit einer alten bebrillten und kahlgeschorenen Nonne auf einer Bank sitzend fand. Daneben eine Gruppe von Frauen und einige spielende Kinder. Als sie Chris erblickten verfinsterten sich ihre Blicke etwas…

Lisa hatte ausgerechnet, dass Chris, wenn alles gut gehen würde gegen 14 Uhr zurück sein würde. Als er jedoch um 16:30 Uhr immer noch nicht da war, wurde sie etwas unruhig und vor allem die Nonne und die Dorfbewohner schüttelten die Köpfe über ihren Mann, der sie hier sitzen lies und forderten sie auf ihn anzurufen. Zum Glück kam Chris in genau diesem Moment – empfangen von den vorwurfsvollen Augen der Frauen. In dem Moment tat er Lisa etwas leid.

An diesem Tag fuhren wir noch 30 km weiter bis Thaton und suchten uns ein Hotel für die Nacht. Am nächsten Morgen fuhren wir für umgerechnet sechs Euro zu zweit mit den Rädern im Zug nach Yangon. Yangon ist die größte Stadt in Myanmar und es gibt schöne Ecken in dieser Stadt, die muss man jedoch aufmerksam suchen.

Über die Zugfahrt möchte ich (Lisa) gerne noch ein paar Worte verlieren. Ich denke es war die spannendste, aber auch langsamste Zugfahrt, die ich je erlebt habe. Für ca. 200 km fuhren wir 10 Stunden mit dem Zug. Dieser wackelte, ruckelte und zuckelte langsam vor sich her, vorbei an abgebrannten oder noch brennenden Feldern, kleinen Dörfern mit laubgedeckten Bambushäusern. Die Zugtüren standen offen und man konnte sich nach Lust und Laune nach draußen hängen (nur sollte man aufpassen, nicht von einem am Rand stehenden Busch gepeitscht zu werden). An den Decken hingen Ventilatoren, die nur mäßig gut funktionierten. Ab und zu mussten wir sie mit dem Finger anstubbsen, damit sie sich wieder drehten. Wobei sie das jedoch meist so langsam taten, dass nicht merklich Wind bei uns ankam, in dem viel zu heißen Upper-Class-Zugabteil. Immer wieder kamen (wie in den Zügen Südostasiens so üblich) HändlerInnen vorbei. Hierzulande trugen sie ihre Körbe und Eimer auf den Köpfen und boten daraus Essen und Getränke feil. Mit burmesischem Essen sind wir jedoch vorsichtig geworden, vor allem, wenn es nur noch lauwarm war. Fleisch kauften wir ja ohnehin nicht. Also kauften wir eine Mango und hielten uns unsere knurrenden Mägen.

Als es schon dunkel wurde, kamen wir in Yangon an. Anscheinend gab es hier einen Stromausfall. Die Stadt war stockfinster und so bekamen wir einen ersten etwas schummrigen, gruseligen Eindruck von dieser Metropole. Vor manchen Läden und Restaurants brummten laute Dieselgeneratoren. In anderen wurden kurzerhand einfach Kerzen auf die Tische gestellt – perfekt für ein hübsches Candle-light-Dinner auf Plastikstühlen mit dem Liebsten. Wir hielten uns von den schmuddeligen Kantinen fern und holten stattdessen in einer Bäckerei einfach eine Kleinigkeit zum Abendessen (Fehlgriff: die Käsebrötchen waren natürlich nicht salzig herb, sondern süß) und fuhren zu unserem Hotel.

Der nächste Tag war der 06. März 2020 und somit ein Freitag. Wir sind recht spät aufgestanden, haben die Visaanträge für Indien ausgefüllt (und das Datum mehrfach aufgeschrieben, weshalb es nun auch hier steht 😉 ) und waren Geldabheben und -wechseln. Während Chris beim Geldwechsler war, passte ich (Lisa) draußen auf die Räder auf und machte folgende Beobachtung: In Myanmar laufen so gut wie alle (Männer, Frauen und Kindern) in Wickelröcken herum – sogenannte Longyis. Das ist uns natürlich auch schon vorher in den Dörfern aufgefallen. Hier in der Stadt ergab sich ein für mich dennoch etwas abstruses Bild: Die Banker, Manager und sonstige wichtige Personen hatten bunte Wickelröcke an und dazu gebügelte, karierte oder weiße Hemden. Auch die Teenager, die in Straßenlokalen arbeiteten, trugen selbstbewusst die traditionelle Kleidung. Eine Sache, die ich sehr bewundernswert fand: Alle konnten selbst mit langem Wickelrock Fahrrad fahren!

Kurz vor Dienstschluss standen wir an der indischen Botschaft. Die Leute waren sehr nett, nahmen unsere Anträge jedoch nicht mehr entgegen. Dies muss am Vormittag geschehen. Wir könnten also sehr gerne am Dienstag wiederkommen. Die Bearbeitung der Anträge würde dann ca. drei Werktage dauern. Wir rechneten: Bis Dienstag waren es noch drei Tage, dann nochmal drei Tage bis wir unsere Pässe mit Visum (falls wir es bekommen würden) wieder abholen könnten. Das würde bedeuten eine Woche in Yangon verbringen zu müssen, ohne die Orte Myanmars anschauen zu können, die wir eigentlich noch sehen wollten (Bagan und den Inle See). Kurzerhand entschlossen wir uns also dazu, nicht zu viel Zeit in Yangon zu verschwenden und mit dem Bus nach Mandalay zu fahren. Dort gab es auch ein indisches Konsulat, das Visumsanträge entgegennahm. Von Mandalay aus, so planten wir, könnten wir dann an den Inle Lake und von dort mit dem Rad nach Bagan und zurück nach Mandalay fahren, unser Visum abholen und dann an die indische Grenze radeln. Wir ärgerten uns also nur kurz über die verpasste Möglichkeit die Visumsanträge nicht am Vormittag schon in Yangon abgegeben zu haben. Und wir sollten uns sogar noch darüber freuen, dies nicht getan zu haben…

Wir waren gespannt auf den Rest dieses Landes, das bisher keinen leichten Start mit uns hatte. Harsche Bedingungen, teils furchtbare Straßen, nervtötende Hupen, Trockenheit, Rauch, Hitze und dann noch nicht mal gutes Essen. Jedoch wollten wir Land und Leuten gerne noch eine zweite Chance geben, hatten wir doch von so vielen Menschen gehört, dass Myanmar bezaubernd schön sei.

Lisas Exkurs: Sklaverei in Myanmar

Bevor wir schließlich den Bus nach Mandalay nahmen, besuchten wir in Yangon (eher zufällig) eine Fotoausstellung mehrerer NGOs auf einem zentralen Platz in der Stadt. Dort wurden sehr spannende und wichtige Themen weltweit, aber auch Myanmar betreffend thematisiert. Es ging unter anderem um Kinderarbeit und Sklaverei, Landenteignung und Krieg in Myanmar, um Drogensucht, das Tragen von Kopftüchern und das Leben und Arbeiten in Kleiderfabriken. Lisa war erstaunt, dass es in einem Land, dass mehr oder weniger von einer Militärdiktatur geführt wird, eine solche Ausstellung mitten in der Stadt möglich war.

Eine der Foto-Stories, die dort geteilt wurden, möchte ich (Lisa) euch gerne weitererzählen. Sie erzählt von einem acht Jahre alten Jungen, der mit seiner Familie in einer Ziegelbrennerei arbeitet. Zehn Stunden am Tag schleppt er 11 kg schwere Körbe voll Dreck – jeden Tag legt er so 18 km zurück. Dabei trägt er ca. 3 Tonnen am Tag. Sein Tagesverdienst liegt bei 2,30 Euro. Er verdient mit seiner ganzen Familie nicht genug, um sich das Essen für den Tag leisten zu können. Deshalb müssen sie sich von dem Besitzer der Brennerei Geld leihen, um genug Lebensmittel kaufen zu können. So bleiben sie in dem Schuldenkreislauf. Die Geschichte erzählt von dem Leben eines bestimmten Jungen in Myanmar. So wie er ist jedoch mindestens jedes zehnte Kind in Myanmar von Kinderarbeit betroffen. Die Familie lebt in moderner Sklaverei. Weltweit sind laut Angaben von IJM mehr als 40 Millionen Menschen von Sklaverei betroffen. 10 Millionen davon sind Kinder.

Auch wir sind während unserer Reise an solchen Ziegelbrennereien in Myanmar vorbeigefahren. Natürlich haben wir keine Ahnung, ob die Menschen, die dort leben und arbeiten unter fairen Bedingungen beschäftigt wurden. Aber es macht nachdenklich und traurig. Wie gut haben wir es da in Europa?!

Ich möchte diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen, ohne euch in diesem Zusammenhang etwas über die Arbeit von IJM zu erzählen. Seit geraumer Zeit unterstützen wir die International Justice Mission (IJM). Eine christliche Organisation, die sich gegen moderne Sklaverei weltweit einsetzt. Durch manche Länder, in denen die Organisation wirkt, sind wir mit dem Fahrrad gefahren oder wollen dort noch fahren (Thailand, Kambodscha, Indien). IJM arbeitet gemeinsam mit den Behörden vor Ort und die Mitarbeiter kümmern sich mit Sozialarbeitern und Psychologen um die Nachbetreuung der Menschen, die bereits von Sklaverei befreit werden konnten.

Wie viele der Produkte, die wir im täglichen Leben brauchen mit Sklaverei zusammenhängen könnten hätte ich nie gedacht. IJM zählt hier zum Beispiel Blumen, Schmuck, Handy, Reis, Kaffee, Kleidung, Make-Up und Schokolade auf. Es gibt viele Dinge, die wir tun können, um dem entgegenzugehen. Der erste Schritt ist, sich bewusst zu machen, dass es so etwas tatsächlich noch gibt auf dieser Welt. Der zweite Schritt, den jeder von uns tun kann, ist bewusst einzukaufen. Nicht zu Letzt können wir die wunderbare Arbeit von IJM auch finanziell unterstützen. Wenn ihr euch dazu informieren wollt, dann schaut doch auf ihrer Internetseite vorbei: www.ijm-deutschland.de

Mandalay

Ich (zur Abwechslung benutze auch ich, Chris, jetzt mal die erste Person) will mich nicht beschweren. Das Reisen macht wirklich Spaß. Aber es kann auch so anstrengend sein. Und ich meine nicht das Radfahren. Ich meine das NICHT-Radfahren.

Die Busfahrt nach Mandalay ließ uns ziemlich schlaflos. Obwohl die Straßen gar nicht so schlecht waren und wir von der knapp 20 Kilometer Anfahrt per Rad zum Busbahnhof quer durch die Stadt schon ziemlich fertig waren, kamen wir kaum zur Ruhe. Was unter anderem an den ständigen Pausen lag, die der Fahrer machte und zu denen alle Fahrgäste den Bus zu verlassen hatten. Mitten. In. Der. Nacht. . .

Etwas zu früh am Morgen für meinen Geschmack kamen wir in Mandalay an. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, die jungen Mönche hingegen schon auf dem Weg und bettelten uns ziemlich direkt um Almosen an. Wir waren fix und fertig, mussten auf Toilette, hatten Durst, wollten Schlafen – mussten aber die Fahrräder wiederbeladen. Und währenddessen standen die kleinen Jungs um uns und warteten mit ihren Töpfen darauf, dass wir ihnen endlich etwas gaben. Sie bekamen auch etwas Geld, gar nicht so wenig. Sie zogen ab. Dann kamen die nächsten.

Wir machten also, dass wir davonkamen, bevor wir kein Geld mehr in der Tasche hatten. Schließlich hatten wir hier in Myanmar ja jede Nacht Hotels zu bezahlen. Also strampelten wir los durch die kühle Morgenluft, machten uns auf Richtung Stadtzentrum und zu dem Hotel, das Chris als bezahlbar und sauber online identifizierte. Dort angekommen konnten wir zwar noch nicht einchecken, da unser gebuchtes Zimmer noch nicht frei war, aber immerhin die Taschen abladen, Frühstücken und die Toilette benutzen. Vor dem Hotel lernten wir dann noch Jay kennen, einen Radreisenden aus Manipur, Indien. Er war die 7 Monate zuvor mit dem Rad durch Südostasien gereist und da er als erster Inder aus Manipur solch eine Unternehmung machte, unterstütze ihn die Regierung dabei so gut sie konnte. Und zusammen mit der Tatsache, dass das Konsulat in Mandalay an jenem Tag noch geschlossen war, rettete uns diese Begegnung womöglich noch davor, einen teuren Fehler zu machen. Denn…

Oh oh!

An dem Morgen, an dem wir zum indischen Konsulat aufbrechen wollten, um unsere neu ausgefüllten Visaanträge, Passbilder und jungfräulichen Dollarscheine einzureichen, frühstückten wir mit Jay an einem Tisch. Er wusste, dass wir in seine Heimatregion Manipur einreisen wollten und lud uns bereits zu sich ein, sicherte uns allerlei Unterstützung zu und hieß uns in Indien schonmal herzlich willkommen. An diesem Morgen jedoch trafen wir ihn etwas beunruhigt an. Und er zögerte nicht, uns den Grund seiner Beunruhigung mitzuteilen: Die indische Regierung hatte am Vortag wegen des Corona-Virus die Grenzen geschlossen. Verlautbarungen von Regionalregierungen Manipurs und Nagalands verkündeten, dass das Grenzpersonal angewiesen wurde, niemanden aus Myanmar einreisen zu lassen.

Jay sagte uns, er könne es nicht ganz glauben und würde uns nochmal informieren, ob sich diese Informationen noch bestätigen würden oder nicht. Wir gingen dennoch zum Konsulat, um dort noch einmal selbst nachzufragen. Doch wir kamen gar nicht bis zum Eingang, da trafen wir bereits auf ein älteres Ehepaar, das vor dem Konsulat damit beschäftigt war, mit dem Handy einen Flug zu buchen. Die Landgrenze, so der Hintergrund, sei ja geschlossen. Da bliebe ja aber noch der Flug, oder? Wir wollten es dennoch von einer offiziellen Stelle hören. Doch als uns selbst der Pförtner sagte, dass wir nicht über die Landgrenze einreisen können, war klar: Jetzt den Visumsantrag abzugeben wäre nichts als Geldvernichtung.

Durch die WhatsApp Gruppe „Cycling the World Q&A“ wusste die Community durch uns direkt bescheid über den Grenzschluss und durch selbe Community wurde uns nach und nach bestätigt, dass nicht nur diese Grenzen zu Indien, sondern bald alle Landgrenzen zu Indien geschlossen wurden. Und wir erfuhren, dass nicht nur wir hier in eine knifflige Lage gekommen sind. Andere waren auf demselben Weg wie wir, hatten jedoch nicht das Glück, ihre 165 Dollar pro Person nicht bereits in ein aussichtsloses Unterfangen versenkt zu haben.

Das unerwartete Ende unserer Reise

Wir saßen also in der Sackgasse. Unser Vorhaben, über Land und somit auf die Weise zurück zu reisen, wie wir gekommen sind, war damit beerdigt: China war dicht, Indien jetzt auch, der Landweg somit versperrt.

Zur selben Zeit etwa waren unsere lieben Freunde Jannik und Clara in Griechenland unterwegs. Dorthin waren sie gereist in der Absicht uns entgegenzukommen. Mit der Fähre von Venedig sind sie kurz vor Ausbruch der Corona-Epidemie in Norditalien noch dem Lock-Down der Region entkommen. Dann, nach fast drei Wochen Radreise über griechisches Fest- und Inselland, sollte sie eine Fähre in die Türkei bringen. Doch als die Fähr-Crew mitschnitt, dass Clara und Jannik vor ihrer Einreise nach Griechenland in Italien waren, was in diesem Moment DER Brandherd des Covid-19 Virus in Europa schlechthin war, endete ihre Glückssträhne abrupt. Ein Mitarbeiter meldete dies noch vor Anlegen an die türkische Grenzpolizei am Hafen, was – trotz der Tatsache, dass seit Verlassen Italiens bereits mehr als 14 Tage potenzielle Inkubationszeit vergangen waren und eine Ansteckung laut gegenwärtigen Kenntnisstandes ausgeschlossen werden konnte – dazu führte, dass die beiden die Fähre nicht verlassen durften und wieder nach Griechenland zurückgebracht wurden.

Der ursprüngliche Plan, uns in Georgien zu treffen, wurde schon immer unwahrscheinlicher. Doch als auch die Türkei begann Grenzen zu schließen und es nicht sicher war, ob unsere Freunde oder wir noch in die Türkei hätten einreisen dürfen, entschieden wir, uns in Griechenland zu treffen, um von dort gemeinsam nach Deutschland zu radeln.

An diesem Plan festhaltend und mit einem Flug am 20.März ab Yangon als Deadline radelten wir einen Tag später aus Mandalay fort und folgten dem Strom Irrawaddy nach Sagaing und zwei weitere Tage den Landstraßen über Nabuaing und Myingyan nach Nyaung-U zur Weltkulturerbestätte und Nr. 1 Sehenswürdigkeit Myanmars: nach Bagan, der mittelalterlichen Hauptstadt des Königreichs Bagan, deren Übereste noch heute kilometerweite Ebenen entlang des Irrawaddy mit einer schier endlosen Zahl von uralten Tempeln, Pagoden und Stupas füllen.

Wir hatten noch eine Woche in Myanmar übrig und die wollten wir nutzen, um das Land kennenzulernen. Mandalay selbst hatten wir – bis auf die mehrfach gefahrenen Strecken durch die Stadt – nicht wirklich erkundet, was dann auch der Grund war, warum wir an diesem Tag nicht weit kamen. Gut, ein anderer Grund waren Chris‘ 12(!) Instagramposts, die er absetzte, um unsere „Follower“ auf den neusten Stand zu bringen – von Lombok bis Mandalay – und sie damit auch vom Ende unseres Overland-Abenteuers zu unterrichten.

Die letzten Tage unserer Overland Reise bis und durch Myanmar

 Vom Hotel aus, wo wir noch vor die Tür geschickt wurden, da das Gebäude „desinfiziert“ werden sollte, radelten wir an den Irrawaddy, den wir bis dahin noch gar nicht gesehen hatten – und waren von der Schönheit seines Anblicks überrascht. Glitzernd unter dem mattblauen Himmel wand sich der Strom in mehreren Armen und Schleifen, die von der Breite her je eigene Flüsse hätten sein können, durch die staubtrockene, savannenhafte Ebene. Unterhalb der steilen Böschungen, die immer wieder hohe Abbruchkanten aufwiesen lagen etliche kleinere und mittelgroße Fischerboote, dazwischen auch mal größere Frachtkähne und auch das ein oder andere Frachtschiff. Wir sahen kleine Hausboote und große, teils mehrbugige schwimmende Festungen aus Holz und mit goldenen Verzierungen. Zwischen den Booten, den Ufern und den Siedlungen mit niedrigen Holzbauten, die meist auf Stelzen in der flacheren Ufernähe lagen, wuselten spielende Kinder mit ihren traditionellen „Gesichtsbemalungen“, die man hier in Myanmar auch zum Sonnenschutz aufträgt, aber auch jede Menge Männer und Frauen, die Fässer, Körbe, Säcke und Eimer, Balken, Bretter und Fischernetze über Planken auf Kähne und Boote oder von ihnen heruntertrugen sowie ältere Damen, die Wäsche auf langen Leinen zum Trocknen aufhängten.

Auch entlang der Straßen, wo sich oft Marktstände mit Fisch, Obst und Fleisch aneinanderreihten oder große, leere Wasserkrüge aus gebranntem Lehm pyramidenförmig aufgestapelt auf ihren Verkauf warteten, Kinder spielten, Hunde tollten und Männer wie Frauen beim Vorbeiradeln und Winken mit ihrem betelnussroten Lächeln und Lachen grüßten, war so viel zu sehen, dass sich selbst Chris irgendwann über Lisas Engelsgeduld mit ihm wunderte, da er ständig anhielt um den Leuten zuzusehen, Fotos zu schießen oder einen kleinen Umweg zu fahren, um sich etwas vermeintlich Interessantes anzuschauen.

So war es kein Wunder, dass wir nach knapp 20 Kilometern bereits in Sagaing eine Bleibe für die Nacht suchen mussten. Also fuhren wir über die nördliche der zwei großen Brücken im Sonnenuntergang über den Strom hinweg in die an dessen Westufer liegende Stadt, in der Hoffnung, ein Hotel zu finden, das Ausländer aufnehmen durfte. Wir hatten Glück und konnten Unweit der Brückenabfahrt ein immerhin nicht unbezahlbares Zimmer in einem kleinen familienbetriebenen Hotel beziehen und duschen, bevor wir uns anschickten, noch etwas Essbares (und möglichst bekömmliches sowie vegetarisches) zu finden. Nach einigen Anläufen und mit etwas Hilfe von Google gelang dies dann auch und wir blieben von unerfreulichen Überraschungen im Nachgang verschont.

Nach dem Frühstück am folgenden Tag unterhielten wir uns noch lange mit der Hotelbesitzerin, einer relativ jungen Frau mit ziemlich guten Englischkenntnissen. 10 Jahre lang lebte, studierte und arbeitete sie in Singapur. Als Ingenieurin fand sie in Myanmar keinen Job, der ihrer Ausbildung entsprach und das Leben in den Metropolen sagte ihr nicht zu, weshalb sie nun hier mit ihrer Familie dieses Hotel betreibe. Insgeheim träume sie aber seit ihrer Kindheit davon, Kranfahrerin zu werden, was in Myanmar jedoch ein reiner Männerberuf sei – eine unglaublich spannende Frau!

Dann ging es zurück auf die heißen, trockenen und staubigen Straßen. Wir überquerten die alte südliche Brücke und bogen auf einen kleinen Seitenweg ab, der näher am Fluss verlief. Bis er schließlich wortwörtlich in den Fluss hineinlief. Unten angekommen standen Langboote bereit, um Mensch und Moped auf die andere Seite des Flussarms zu bringen. Wir waren etwas verwirrt, als der Fährmann uns eine Hin- und Rückfahrt verkaufen wollte. Und als uns auf dem kleinen Boot dann auch noch zwei Frauen Schmuck und Figuren aus Jade verkaufen wollten, dämmerte uns, dass wir da womöglich unabsichtlich auf dem Weg zu einer Sehenswürdigkeit waren.

Chris Neugier war geweckt und so wollte er, als wir schließlich an uraltem Ziegel-Mauerwerk entlangfuhren, unbedingt hinein und sehen, was es dort zu entdecken gab. Lisa ließ es zu, obgleich sie zunehmend genervt war. Schließlich lagen vor uns – sollten wir den kürzesten Weg einschlagen – noch knapp 170km nach Bagan. Und unser gekühlt abgefülltes Wasser war bereits jetzt pisswarm. Über Sandpisten und gestampfte Erde rutschten und rollten wir durch die uralte Festungsanlage, die von großen Stupas, mehreren Pagodas und mindestens einem zentralen Turm sowie jeder Menge Verkäufer gefüllt war, die metallene Glöckchen und Glocken als auch Jade-Ohrringe und -Ketten, -Frösche und -Elefanten zu verkaufen versuchten. Zu Lisas unmittelbaren Bedauern relativ erfolgreich: Chris kaufte dieses und jenes und argumentierte, jetzt wo wir ohnehin bald nach Europa fliegen müssten, könnten wir auch noch ein paar Mitbringsel einpacken.

Die Sonne brannte erbarmungslos und beschattete Wegabschnitte waren besonders rar. Nach rund 100 Tageskilometern erreichten wir im Dunkel der über uns hereingebrochenen Nacht den Ort Myinyang, wo wir es darauf ankommen lassen wollten, ob sich hier eine Unterkunft finden ließ. Falls nicht, könnten wir unser Zelt immer noch außerhalb der Ortschaft aufschlagen. Im Dunkeln würde es dann immerhin leichter sein, ungesehen zu bleiben. Zu unserer Erleichterung mussten wir uns dann jedoch nicht mit dem Risiko herumschlagen, von der Polizei dabei aufgegriffen zu werden, wie wir unser gemeingefährliches Zelt völlig illegaler Weise einfach auf einer Wiese errichteten. Und obendrein, müssten wir keine Hunde fürchten, die uns im besten Fall durch ihr beständiges Bellen die Nacht über wachgehalten hätten.

Am Ortseingang der Stadt gab es ein schickes Restaurant, dem wir auf Anhieb zutrauten, Essen zu servieren, das uns nicht für Stunden in geflieste Räume oder über Eimer zwingen würde. Zugegeben, es war recht teuer, beinahe deutsches Preisniveau (was für uns inzwischen ziemlich teuer war), aber dafür gab es Pizza und obgleich sie klein waren und wir drei davon brauchten, plus Joghurt mit Obstsalat, um satt zu werden, haben wir das total genossen. War gar nicht schlecht. Und die Angestellten halfen uns überdies, eine Bleibe für die Nacht zu finden.

Gestärkt durch dieses Abendmahl, eine Nacht in einem gemütlichen und sauberen Bett und einem dekadenten Frühstücksbuffet auf dem Dach des Hotels, legten wir am Folgetag auch die letzten 70 Kilometer noch gut gelaunt zurück.

Beim Getränke kaufen (ab und zu brauchten wir einfach etwas zum Abkühlen) wurden wir dann von Kinderscharen umringt, die uns schweigend beobachteten bis deren Unterrichtspause verging oder von alten Ladies eingeladen, die uns auf eine überdachte Liegefläche auf Stelzen (so eine Art Bushaltestelle hier) dirigierten und uns mit Chilisalat, überreifen (matschigen) Bananen und Tee versorgten. Einmal kamen wir durch ein Dorf an dessen Straßenrand immer wieder Frauen oder auch Kinder saßen die etwas verkauften. Am Ende dieses Dorfes ging es steil bergab bis die Straße in eine pure Sandpiste überging. Mit viel Schwung und seinen breiten Reifen schaffte Chris es, die Balance zu halten und ohne ins Schwimmen zu kommen über den zweihundert Meter Abschnitt zu radeln und gleichzeitig die Hände der angerannten Kinder mit einem High-Five abzuklatschen. Selbige Kids rannten dann weiter Lisa entgegen, die sich jedoch etwas schwerer mit dem Sand tat und entsprechend langsam fuhr. Sie rannten ihr nach und um sie her und riefen lachend immer wieder „Money! Money! Money!“. Ob sie welches bekommen haben? Sagen wir es so: Irgendwann waren wir doch wieder schneller als sie. 😉

Begrüßt von zwei Rollerfahrern, die Chris an den Straßenrand holten, um die umgerechnet etwa 20US-Dollar pro Person zu kassieren, die man scheinbar zu zahlen hatte, um das UNESCO Weltkulturerbe besuchen zu dürfen. Das Ticket galt für 5 Tage. Drei Tage waren wir dort – genug Zeit für einige frühmorgendliche und abendliche Rundfahrten mit dem Rad über das sehr weitläufige Kulturerbe-Gelände, denn: Tagsüber war es bei 40°Celsius einfach zu heiß. Doch bevor wir zu viele Worte über die Schönheit(en) dieses Ortes verlieren, lassen wir mal die Bilder sprechen…

Während unserer Touren nach und durch Bagan drehte sich die Welt natürlich weiter – und so ging auch die Corona-Krisenentwicklung. Unser Flug nach Athen war bereits gebucht, da schloss ein ums andere Land auf der Balkanroute bzw. zur und entlang der Donau die Grenzen. Auch das öffentliche Leben in Griechenland wurde zusehends eingeschränkt, was wir über unsere Freunde und schließlich auch über unsere Familien per Messenger tagesaktuell nachvollziehen konnten. Auf das Drängen der Familie, dem Antwortschreiben der Botschaft auf unsere Frage nach einer Einschätzung und letztendlich als Reaktion auf das Verbot der Unterbringung von Touristen in Griechenland, beschlossen wir gemeinsam mit Jannik und Clara, direkt nach Deutschland zu reisen – auch wenn das bedeutete, 600 Euro an Singapur Airlines als Stornogebühr zu verlieren und obendrein ein teureres Ticket zahlen zu müssen.

Nachdem wir aus unserem Hotel bereits ausgecheckt hatten und noch einige Stunden hatten, bevor wir am Abend die Busfahrt zum Inle See antreten würden, machten wir uns daran den Flug nach Deutschland zu buchen. Nach stundenlangem Versuchen und Scheitern, musste uns schließlich Lisas Bruder in Deutschland aus der Patsche helfen und uns das Ticket besorgen, das wir brauchten. Etwas erleichterter, aber ziemlich gestresst ging es dann auf eine weitere Fahrt mit dem Nachtbus. Und mit eher wenig Schlaf.

Inle

Noch lange vor Sonnenaufgang kamen wir in Nyaung Shwe an. Wir drehten die Lenkräder wieder zurecht, bauten die Laufräder ein und beluden unsere treuen Bikes gerade fertig, als uns der letzte Mann, der noch mit uns hier nach Abfahrt des Buses an der Haltestelle stand, ansprach. Ob wir schon eine Unterkunft hätten, fragte er. Und ob wir Lust auf eine Tour über den See hätten, zum Sonnenuntergang. Oder gleich zum Sonnenaufgang. Wir hatten kein Hotel und – ja, warum eigentlich nicht: wir könnten doch direkt eine Tour machen und am Nachmittag etwas ausruhen.

Da wir ohnehin nicht wussten, wo wir hätten hingehen sollen und der nette Burmese uns anbot, bei ihm zuhause noch etwas zu Schlafen bevor es losginge, sagten wir zu und folgten ihm zu seiner sehr einfachen Behausung im Untergeschoss eines einfachen Holzstelzenhauses am Rande der Stadt. Wir breiteten unsere Isomatten auf dem mit Schaumstoff ausgelegten Untergrund des mit Vorhängen abgeteilten Zimmer(chen)s und versuchten noch etwas zu schlafen, bevor es losgehen sollte. Unser spontaner Gastgeber hingegen brach direkt wieder zur Bushaltestelle auf, um nach weiteren Interessenten zu suchen. Mit seinem Bruder, der hier ebenfalls wohnte, würden wir dann kurz vor Sonnenaufgang losfahren. Vor Aufregung und Angst, den Sonnenaufgang zu verpassen, stand Chris nach einer Stunde wieder auf und tigerte vor dem Haus umher, in der Hoffnung, auf den Bruder zu stoßen. Nach einer Weile kam auch der Kollege zurück, der uns hier her gebracht hatte. Er hatte frittierte Teigstangen sowie Instant-Kaffee-Pulver dabei, welches er schnell anrührte und uns damit ein kleines Frühstück anrichtete. Die Räder und Taschen noch schnell aneinander festgeschlossen hopsten wir mit der Kamera bewaffnet in das Langboot des Bruders, der mit einem kleinen Jungen eben sein Gefährt an den zwei anderen im Wasser des kleinen Kanals treibenden Langbooten befestigt hatte. Auf einfach zusammengezimmerten Holzstühlen, die mit je einer Schwimmweste gepolstert waren, nahmen wir Platz und mampften die letzten Bissen unseres Frühstücks. Während sich Lisa erst in ihre, dann auch in die mir zugeteilte Decke einmummelte, tuckerten wir bereits – erst gemächlich durch kleine, dann schneller über breitere Kanäle – in Richtung des Inle-Sees, vorbei an Stelzenhäusern am Ufer, Anlegestellen, Menschen die Fischernetze herantrugen und jeder Menge Möwen. Als wir ein raumschiffartiges Pumpenboot passierten, mit dem augenscheinlich Kanäle befahrbar gehalten werden sollten, lag bereits ein goldener Schein über den Bergkuppen, die das Tal des Sees vom Osten her einfassten. Bald würde die Sonne aufgehen.

Wir fuhren eben hinaus auf das offene, seichte Wasser des Sees, als wir aus der Ferne bereits zwei Fischer in ihren traditionellen Kleidern auf ihren schmalen Fischerbooten erblickten.

Sie bemerkten natürlich auch uns und da der Tourismus des Inle Lake von Anblicken wie dem ihren lebte, ist es verständlich, dass diese Fischer, die dort in traditioneller Bekleidung mit den althergebrachten Netzen und Reusen arbeiteten, für die Besucher auch gerne für Fotos posierten – wofür sie natürlich, wie auch in unserem Fall, von faszinierten Zuschauern und dankbaren Fotografen entlohnt wurden.

Wir genossen die Fahrt über den See. Auch zu sehen, dass die augenscheinlich inszenierte Begegnung die voranging, absolut nicht fern von der Realität der Menschen lag, die hier vom Fischfang lebten. Wir passierten jede Menge Fischer, die mit eben jenen Netzen arbeiteten und ihr Boot mit einem vom Bein gehaltenen Paddel geschickt vorantrieben. Die inzwischen authentischere Bekleidung bestand jedoch vermehrt aus bunten T-Shirts, Jacken und kurzen Hosen. Für’s Fischen eignete sich der traditionelle Longyi scheinbar nicht, den man sonst an Frau wie Mann sah.

Wir passierten Unmengen im Wasser treibende Plastikflaschen, die wahrscheinlich Reusen markierten, an denen sie festgebunden waren. Andernorts trafen wir auf Gruppen von Menschen, die so etwas wie Seegras zu ernten schienen und je ihren Kahn vor sich mit haufenweise Grünzeug füllten.

So geschäftig, trotz der frühen Stunde, ging es auch in den Stelzensiedlungen im südlichen Teil des Sees zu. Unser Bootsführer brachte uns nun von einer Werkstatt zur nächsten. In einer Silberschmiede konnten wir – sehr ähnlich zu jener, die wir in Yogyakarta bereits auf einer eher unbeabsichtigten Stadtrundfahrt bereits besuchen durften – Männer dabei beobachten, wie sie Metalle schmolzen und filigrane Schmuckstücke in Form bogen und zogen und verzierten.

Andernorts zeigte man uns die Herstellung der traditionellen Longyis, aber auch der exklusiveren Lotusschals. Tatsächlich gewannen die Frauen, die hier arbeiteten, aus den Stängeln einer speziellen Lotusart, die hier angebaut wurde, lange dünne Fasern, die sie aus Stücken des Stiels zogen, ablegten und mit den vorhandenen und den hinzukommenden Fasern durch Zusammenrollen verklebten. Später wurde aus diesen Fasern mit dem Spinnrad ein Faden gesponnen, aus welchem wiederum einer der teuren Lotusschals gefertigt wurde. Für einen Schal braucht eine Arbeiterin laut Auskunft der Frau, die uns durch die Werkstatt führte, einen Monat Arbeitszeit. Was vor allem an der besonders arbeitsintensiven Gewinnung der Fasern liege und deren Preis rechtfertige. Im Shop der Werkstatt fanden wir dann zwischen den ebenfalls hier produzierten Baumwoll- und Seidenschals, -Longyis, Blusen und Hosen auch besagte Edelstücke. Für sage und schreibe 700US-Dollar wurden die exklusiven Inle-See Lotus-Schals hier verkauft. Wir haben lange gerätselt, warum man sich so etwas kaufen sollte. Es sah noch nicht einmal besonders schön aus. Doch eine Erklärung die wir uns herleiteten und die halbwegs zufriedenstellend war, ist die Bedeutung des Lotus in der buddhistischen Religion. Vielleicht kauften tatsächlich reiche Thais – die es durchaus gab – Lotusschals. Oder eben die reichen US-Touristen, die zwar keine Ahnung, aber zu viel Geld hatten.

Selbige ältere Touristen legten gerade an der zweiten Textilwerkstadt an, zu der wir weitergeführt wurden, als wir ablegten und uns der Kahnfahrer vorschlug, zu einer Zigarrenmanufaktur zu fahren. Da wir Nichtraucher sind, etwas müde sowie etwas genervt davon waren, von einem Shop zum nächsten gefahren zu werden, lehnten wir ab. Wir fuhren noch zu einer Pagoda, die uns tatsächlich nach all den Pagoden, die wir bereits besucht hatten absolut nicht mehr interessierte und bummelten stattdessen über einen nahegelegenen Markt, dessen Eindrücke und Menschen um ein vielfaches interessanter waren, als erneut auf vergoldete Stupas und Buddhas zu starren.

Obwohl es gerademal 11 Uhr geschlagen hatte, schlug unser Fahrer vor, noch Mittag zu essen, bevor wir aufbrechen würden, um zurück zu fahren. Mit der Aussicht, schon bald, viel zu bald, wieder in Deutschland zu sein, bestellten wir noch mal ein paar burmesische Spezialitäten – was als Vegetarier dann eben noch drin ist. Und zumindest der Tee-Blatt-Salat mit den gerösteten Erdnüssen und Bohnen wird uns in guter Erinnerung bleiben.

Auf dem Rückweg fuhren wir dann doch nochmal an ein hölzernes, auf Stelzen im See errichtetes Kloster. Barfuß, wie es sich gehört, traten wir ein, doch während Chris sich auf einem kleinen Rundgang umschaute, blieb Lisa direkt an den Klosterkatzen hängen. Manche Dinge ändern sich eben nie.

Als wir wieder im Hause unseres „Reiseveranstalters“ waren, fragte dieser, was unsere weiteren Pläne seien und ob er uns zu einem günstigen Hotel bringen solle. Da wir ja nun jedoch bereits am 19. März fliegen würden und wir noch Zeit bräuchten, um Fahrradboxen für den Transport zu besorgen, die Räder auseinanderzunehmen und zu verpacken sowie am Flughafen nach den Gepäckregularien zu fragen, wollten wir dann doch schon früher in Yangon sein. Also entschieden wir, sollte es möglich sein noch an diesem Abend nach Yangon weiterzufahren, dann würden wir das tun. Unser netter Gastgeber bot uns nicht nur seine Hilfe bei der Beschaffung der Bustickets an, sondern auch, den Nachmittag über in seinem Haus zu bleiben und uns auszuruhen, wenn wir wollten.

Nachdem Chris mit den Bustickets und einer großen Reisetasche, in die wir unser Hab und Gut für den Flug packen könnten, zurückkam, durchstöberten wir unsere Taschen und überlegten, was wir überhaupt mitnehmen durften und von welchen Gegenständen wir uns ohnehin trennen müssten. Da waren zum Einen: zwei Dosen Campinggas sowie eine Flasche die halbvoll mit Benzin war und was so auf keinen Fall mitgenommen werden könnte. Also – Benzin in den Roller, Gas in die Küche. Als nächstes ging es an die Vorräte, die wir nicht mehr brauchten. Zwar wussten unsere Gastgeber nicht wirklich was sie mit Pasta anfangen sollten, aber sie nahmen sie trotzdem. Ebenso die Packung Salz, das Öl, den Reis und die Flasche Spülmittel. Dann kamen die Schätze dran, die wir die ganze Zeit mit uns herumfuhren: Hackisack, Clownsnasen, die Gitarre. Doch halt, wirklich die Gitarre? Da wir schon drei Gitarren zuhause hatten, war Chris bereits dabei, seine kleine Wegbegleiter-Klampfe an den älteren Sohn der Familie zu verschenken. Der jüngere war mit dem Hackisack bereits völlig zufrieden, die Mutter freute sich über den Bluetoothlautsprecher, den wir auch nicht mitzunehmen gedachten und die Gitarre… Nun, als Chris die seine stimmte, holte der Sohn plötzlich eine eigene Gitarre aus dem Hinterzimmer. Die drückte er ihm in die Hand und Chris spielte. Dann war da plötzlich noch eine Gitarre. Und noch eine. Nein, es war klar. Hier würde keine weitere Klampfe mehr gebraucht werden, auch wenn zu sehen war, dass sie in guten Händen gewesen wäre. Also wieder eingepackt.

Am Abend, bereits mit etwas leichteren Gepäck und demontierten Rädern, pflanzten wir uns dann auf die letzten beiden Plätze im Bus nach Yangon. Die wortwörtlich letzten, ganz hinten im Bus. Die ließen sich dann noch nicht einmal umklappen und durch das Auf und Ab des Hecks wurden wir auf den huckeligen und serpentinenreichen Bergstraßen ordentlich durchgeschüttelt. Als schließlich sogar jemand nach hinten kam, um sich bei den zwei Sitzen zu unserer Rechten, die für den zweiten Fahrer als Ruheplätze freigehalten wurden, in eine Flasche zu erleichtern, dachten wir, völlig wahnsinnig zu werden. Bei einem kurzen Halt bot man uns dann an, auf Sitze weiter vorne umzuziehen, die inzwischen frei waren. Was wir schon alleine wegen der zuletzt beschriebenen Szene dankbar annahmen.

Zurück in Yangon – wir fliegen nach Deutschland

Die zweite furchtbar unerholsame Nacht in Folge ging damit zu Ende, dass wir im kühlen Morgengrauen auf einem Busbahnhof standen. Leider hatten wir weder Internet, da das Datenvolumen erschöpft war, noch alles aus dem Bus geholt (Chris hatte seine Sonnenbrille noch im Netz der letzten Sitzreihe vergessen). Also wuselten wir noch lange über den verwirrend großen Busbahnhof, bis wir alles hatten, was wir brauchten, ein Hotel für die kommende, die letzte Nacht in Myanmar, ausfindig machen konnten und Antwort vom Fahrradladenbesitzer erhielten, dass wir bei ihm Bikeboxen für ein bisschen Kleingeld abholen dürften.

Kaum dass wir, von der großen Verkehrsader, an welcher der Busbahnhof lag, auf kleinere Seitenstraßen abbogen und durch das morgendlich frische und langsam erwachende Wohngebiet dahinrollten, wurde es ruhiger und statt Straßenlärm hörten wir nun die Vögel in den Bäumen zwischen den niedrigen Wohnhäusern. Vor manchen saßen bereits einige Menschen und frühstückten, andere gingen gerade in ihre Longyis gewickelt zum Waschen nach draußen. Es war herrlich entspannend durch diese verschlafene Siedlung von einer Seitengasse in die nächste zu biegen und in die teilweise noch etwas müden, teilweise schon munteren und teilweise etwas verwunderten Gesichter der Bewohner zu blicken. Nachdem wir unsere Räder wegen einer Baustelle auf einem stillgelegten Bahndamm zwischen engstehenden Häuschen hindurchschieben mussten, erreichten wir schließlich das Hotel. Und siehe da, wir durften auch direkt unser Zimmer beziehen. Also brachten wir unsere Taschen in den sauberen und hübschen kleinen Raum, den wir uns nochmal gegönnt haben, und machten uns auf den Weg zum Radhändler, um die Boxen zu holen.

Wir radelten also die halbe Strecke, die wir gekommen waren, noch einmal zurück und grüßten mit einem erwartungsvollen „mingalawa!“ zwischen den Gitterstäben des Hoftores hindurch, um die Aufmerksamkeit des Ladebesitzers zu gewinnen. Der kam dann auch schnell herangewischt und grüßte uns so beiläufig, als würde er uns schon ewig kennen. Wir blickten uns etwas irritiert zu, als er verschwand und uns mit den rießigen Pappboxen alleine ließ, die er uns bereits herausgestellt hatte. Doch dann kam er plötzlich mit einem großen Gestell und einem Haufen Werkzeug aus seinem Laden, das er uns vorsetzte. Wir hatten zwar nicht vor, unsere Räder an Ort und Stelle zu zerlegen, doch die Waage die er uns dazu hängte, brachte uns auf die Idee, die Räder direkt mal zu wiegen. Mitsamt den jeweiligen Boxen kamen wir auf knapp über 21 bzw. 22 Kilogramm für jedes Rad. Wir schluckten. Mit ganz so viel hatten wir nicht gerechnet. Laut Ticket hätten wir damit noch knapp 17 Kilogramm plus Handgepäck, um unsere sonstiges Equipment unterzubringen. Das würde mindestens sehr knapp wenn nicht unmöglich werden. Kurzerhand beschlossen wir, unsere Radtaschen im Hotel wieder zu Packen und damit zurück zu kommen, um uns einen Überblick über unser Gepäck und dessen Gewicht zu verschaffen.

Als wir zurück waren, kamen wir auch tatsächlich auf über 84 Kilogramm. Und das, obwohl wir bereits aussortiert hatten! Wir versuchten nun, so kleinteilig wie möglich zu wiegen und abzuwägen, was wir zurücklassen könnten, um unter das Limit von 60 Kilogramm samt Rädern zu kommen. Doch selbst als wir das Zelt, alle Ersatzteile und selbst Kochgerät, Fahrradlichter und mehr beiseite gelegt hatten, war es noch nicht genug. Schließlich wussten wir auch nicht, wieviel Handgepäck wir am Ende in den Flieger mit hinein nehmen dürften. Mehr als 7 Kilo würden es wohl immer noch werden. Und dann war da noch die Gitarre.

Schließlich fuhren wir zum Flughafen, um uns hier nochmal schlau zu machen und zu klären, dass wir mit den Rädern kein Problem haben würden. Leider kamen wir erst zu früh und die Schalter der Airline waren noch nicht besetzt. Dann, zwei Stunden später, waren wir bereits zu spät und hätten uns an einer langen Schlange anstellen müssen, um unsere Fragen zu stellen. Also fragten wir, ob es nicht Büros der Airlines gebe. Die gab es auch, doch mussten wir dafür Besucherausweise bei der Security holen. Sonst würden wir nicht in das Kellergeschoss des Flughafens kommen.

Gesagt getan, lösten wir unsere Besucherausweise gegen unsere Pässe als Pfand und machten uns auf den Weg ins Untergeschoss. Immerhin erfuhren wir hier, dass es kein Problem sein würde, die kleine Gitarre, die Chris extra mitgenommen hatte, im Handgepäck zu verstauen. Doch bezüglich der Räder und der Kosten für eventuelles Übergepäck, konnte man uns hier nicht helfen. Also mussten wir uns doch in der Reihe der Eincheckenden einfinden.

Letztendlich konnten wir uns zum Control-Counter durchschlagen und nach einer weiteren dreiviertel Stunde des Wartens (Einchecken war gerade wichtiger) winkte man uns schließlich heran, um unsere Fragen zu hören. Zu unserer Bestürzung teilte man uns mit, dass jedes Kilo, mit dem wir das Limit von 60 Kilogram gemeinsamen Aufgabegepäcks überstiegen, 70 Dollar kosten würde. Auch auf unseren Einwand hin, dass wir ja ein Fahrrad extra als Gepäck aufgeben könnten, wollte man nicht eingehen. Es würde mit dem 80 Kilogramm Gepäck mehrere Hundert Dollar kosten, selbst mit unserem reduzierten Gepäck noch viel mehr, als wir zu zahlen bereit waren. Schließlich konnte Chris jedoch überzeugen, dass für Fahrräder bei Überschreitung der Freigepäckgrenze ein Pauschalbetrag von 150 Dollar für Langstreckenflüge angesetzt sei. Als dies scheinbar vom Management bestätigt wurde, ging alles recht zügig und einfach. Eines der Räder würde extra aufgegeben werden, was uns mindestens 22Kilogramm Spielraum für den Rest unserer Ausrüstung schaffte. Wir entschieden uns für diese Option, würden aber erst am nächsten Tag das Zusatzgepäck zahlen können. Dennoch machten wir uns mit diesem neuen Wissen auf den Weg, unsere beim Radladen zurückgelassenen Sachen wie Zelt, Kocher und Co wieder zu holen. Da es schon spät und wir fix und foxy waren, beließen wir es bei einem absoluten Chaos in unserem kleinen Hotelzimmer, aßen zu Abend, duschten und gönnten uns im SPA des Hotels eine einstündige Body Massage.

Nie zuvor haben wir etwas erlebt, das gleichzeitig so angenehm und so schmerzhaft war, wie diese Massage. Danach verstanden wir auf jeden Fall auch, warum es Body Massage hieß. Die Frauen, die sich lachend unterhielten oder mit einem Schulterblick das Programm im TV verfolgten, nutzten gleichzeitig ihren ganzen Körper, Kraft und Gewicht um zielsicher Muskeln und Sehnen zu ziehen und zu quetschen, von denen wir teilweise keine Ahnung hatten, dass es sie gab.

Fertig mit der Welt und selig nach der Massage und dem Abarbeiten der To-Do List des Tages, fielen wir ins Bett und genossen unsere letzte, sehr komfortable Nacht in Myanmar.

Der Folgetag begann mit einem ausgedehnten Frühstück. Immerhin würden wir erst um 17Uhr am Flughafen sein müssen. Als wir kurz vor Mittag schließlich alles gepackt hatten und ins Foyer schleppten, war es – zumindest vom Hotel her – allerhöchste Eisenbahn. Check-Out war schließlich bis spätestens 12 Uhr. Wir aßen noch kurz unsere letzten Haferflocken mit Soyamilch zu Mittag, bevor wir uns daran machten, vor dem Hoteleingang unsere geliebten Räder in Stücke zu … zerlegen. Nicht sonderlich fachmännisch, aber nach einigen Stunden des Schraubens, Ziehens, Drückens, Drehens, Stopfens, Wiederherausnehmens und erneutem Stopfen, waren wir dann doch erfolgreich und verschlossen die übergroßen Pappkartons mit dem letzten Rest des Panzertapes, das wir noch hatten.

Das Hotelpersonal fuhr uns schließlich netterweise für Umme vor den Flughafen, wo wir relativ trotz unseres verfrühten Eintreffens bereits vor Beginn des Warte-Schleifen-Weges mit seinem Anschnallgurt-Absperrband anstehen durften. Nach etwas mehr als einer Stunde des Wartens, konnten wir unser übergroßes Bündel wieder zum Control-Schalter rüberfahren, wo man über das Handling unseres Gepäcks bereits bescheid wusste. Ein Rad extra, der Rest per Freigepäck. Nur als wir schließlich für das dann doch 28 Kilogramm schwere Päckchen mit dem Rad und den Radtaschen die 150 Dollar zahlen sollten, wurde es kompliziert. Die Kreditkarte streikte, dann zuerst auch der ATM am anderen Ende des Flughafenfoyers, zu welchem Christian rannte. Beim dritten Versuch spuckte der Automat schließlich die gewünschte Summe Myanmar Kyat aus, was sich jedoch – als Chris wieder am Schalter antraf – als die falsche Währung herausstellte. Die Airline nahm tatsächlich nicht die Landeswährung an. Wie bizarr. Also rannte Chris nun erneut, um einen Geldwechsler zu finden, bei welchem er nun 150 Dollar erstehen konnte.

Völlig abgehetzt und etwas aufgekratzt kam Chris wieder am Schalter an. Doch dann war plötzlich alles geregelt. Scheine rüber, eine Unterschrift, ein bisschen Papier zurück. Fertig. Und dann waren wir frei. Unser Gepäck fuhr davon, die Räder würden abgeholt. Mit dem nun doch recht leichten Handgepäck konnten wir nun noch zwei Stunden machen was wir wollten. Nun ja, was man am Flughafen eben so machen kann. Essen vor allem. Und so investierten wir die letzten Moneten der Landeswährung in Futter. Wir würden es ja nun nicht mehr brauchen – was einerseits schade war, andererseits auch schön.

Und so starteten wir entspannt in unsere Flugreise, die wir so nie machen wollten und die uns auch gerne hätte gestohlen bleiben können. Zu den Flügen und der Warte- bzw. Umsteigezeit in Bangkok lässt sich nur soviel sagen, dass sich Corona nur soweit auf uns auswirkte, als dass wir so oft es ging Händewuschen, sie desinfizierten und den Mundschutz trugen, von dem wir schließlich erfuhren, dass er – verglichen mit den Filtermasken der anderen Touristen – gar nicht vor einer Ansteckung schützte. Ansonsten muss ich (Chris) zu den Flügen jetzt noch sagen, dass tatsächlich jeder Bus, mit dem wir unterwegs waren, komfortabler war, als die beengten Sitze der Economy Class, die man kaum nach hinten klappen konnten. Wie sollte man da denn schlafen? Und dann noch die ganzen kleinen Bildschirme, auf denen jeder seinen eigenen Film laufen ließ. Jede und jeder einen anderen. Da nützte es auch nichts, dass wir unsere eigenen Displays abschalteten. Der Blick wurde ja doch immer wieder von einem der Flimmerkästen gebannt. Und dann gab es auch schon wieder Essen. Innerhalb der 16 Stunden Reisezeit hatten wir 4 Mahlzeiten.

Zurück im kalten Deutschland

Sehr satt und begrüßt durch einen rosa Sonnenaufgang über den schneebedeckten Alpen, näherten wir uns München. Der Sinkflug endete smooth in einer perfekten Landung. Am Flughafen standen wir mit den hunderten anderen Fluggästen in Schlangen, wurden durch elektronische Passkontrollen geschleust. Kein Fiebermessen, keine Aussteigerkarten, nüscht. Tja, aber wir kamen ja auch nicht aus einem Gefahrengebiet. Wir betraten eines.

Und hier sind wir: Deutschland. Nach 11 Monaten auf Reisen waren wir zurück im kalten Heimatland. Die Sonne begrüßte uns und mit ihr Lisas Mutter und Tante. Sie holten uns ab und vereitelten damit unseren Plan, vom Flughafen noch mit dem Rad nach Hause zu fahren – und damit die 10.000km Radstrecke voll zu machen. Doch noch auf der Fahrt zu Lisas Mutter bekamen wir die Ansprache des Bayerischen Ministerpräsidenten Söder zu hören, der die beschlossenen Ausgangsbeschränkungen wegen des Covid-19 Virus verkündete. Also hätten wir uns in den kommenden Tagen womöglich ohnehin nicht mit den Rädern unterwegs sein dürfen.

Daheim…

Und so kamen wir – noch etwas schneller und früher als erwartet – wieder in unsere Heimatregion und bezogen eines der Zimmer in der Wohnung von Lisas Mutter. So konnten wir immerhin umgehen, aus der größten Freiheit, die wir je erleben durften, aus den Abenteuern und Begegnungen, Dschungeln und Steppen, von Bergen und Stränden zurück zu kommen und uns in die alten, viel zu kleinen Kinderzimmer eines unserer Elternhäuser zurückgeworfen zu werden.

Und hier sind wir bis heute. Es ist Kar Freitag als ich diesen Text verfasse und wir sind bereits seit 3 Wochen wieder in Deutschland. Durch die Ausgangsbeschränkungen, die nun deutschlandweit und auf vorerst unabsehbare Zeit gelten, verwischt ein Tag in den nächsten. Wir haben angefangen, uns nach Stellen umzusehen und die ersten Bewerbungen geschrieben. Doch wie es bei uns weitergeht ist wohl genau so ungewiss, wie bei allen anderen hierzulande und rund um den Globus. Hier sind wir. Alle. Herausgerissen aus dem, was wir gerne tun. Aus dem, was wir tun müssen. Aus dem, was wir gerne getan hätten. Wünsche, Pläne, Ziele werden in eine ungewissen Zukunft verschoben. Aber die Hoffnung bleibt: Irgendwann bringen wir unsere Reise zu Ende. Irgendwann wird die Zeit von Angst, Ungewissheit, eingeschränkter Freiheit und Krankheit enden und Leben neu erblühen.

Lasst uns die Zeit bis dahin nutzen, um zu reflektieren, was wir dann brauchen werden, um Glücklich zu sein. Was wir wirklich benötigen und wollen und ob wir das nicht alles auch auf eine gerechtere, nachhaltigere und resilientere Art und Weise bewerkstelligen können. Damit wir nicht diese Zeit im „Energiesparmodus“ mit einem Rebound beenden, der uns weiter in die Klima- und Ressourcenkrise treibt, weiter in fragile Abhängigkeiten, weiter in die gesellschaftliche Vereinzelung und Spaltung, in Konsumwahn und Status-Getriebenheit.

Es ist Kar Freitag, morgen Kar Samstag. Wir haben viel verloren, scheinbar. Lasst uns die Zeit nutzen, die Kar-Zeit, in die Corona uns hineinversetzt hat, um uns dessen zu besinnen, was wir bisher so verbockt, verzockt und verkackt haben und wie wir – jeder für sich und genauso gemeinsam – unser Leben besser gestalten können. Gerechter, nachhaltiger, resilienter.

Neues beginnt

Genug gepredigt. Wie ihr seht, haben uns die drei Wochen unseres Aufenthalts in Deutschland mental wieder mitten hinein geworfen in diese Gesellschaft. Natürlich wabern unsere vielen bunten Erinnerungen immer wieder durch unsere Gedanken, färben unsere Träume und schüren die Sehnsucht nach Weite und Freiheit. Doch wir sind auch am Ankommen, Perspektiven einschätzen, Lebensplanungen hinterfragen. Auch wenn das Leben gerade wegen Corona wie in Honig gefallen in der Schwebe liegt, geht es doch irgendwie weiter. Und ich denke, ihr werdet hier vielleicht auch noch das eine oder andere lesen, dass uns von unserer Reise noch berichtenswert erscheint. Vielleicht habt ihr auch noch Fragen zu Ländern, Kulturen, Reiseabschnitten, bestimmte Erfahrungen. Wenn das so ist, dann lasst sie uns gerne über die Kommentare wissen und vielleicht können wir sie dann in einem kleinen Beitrag noch beantworten.

Ansonsten sind wir mit den Bewerbungen und dem Zurechtkommen mit dem neuen Leben in der alten Heimat gut beschäftigt. 🙂 Und da das Feuer, das am Anfang noch knisterte und uns wärmte nach den hier verfassten 20 Seiten schon erloschen ist und von der warmen Frühlingssonne ersetzt wurde, wünschen wir euch jetzt ein schönes und gesegnetes Osterwochenende und eine gesunde, frustfreie Zeit zuhause oder auf Arbeit!

Danke, dass ihr euch wieder Zeit genommen habt, um hier unsere Geschichte nachzulesen. Wir sind froh, dass es euch gibt!

Bis bald,

eure Försters

Chris & Lisa 

Radlos am Reisen – Die Zweite

Das Boot, das Land der Inseln und der Beginn der Rückkehr

Pünktlich zum Tag Nr.300 unserer Reise gibt es diesen neuen Blogbeitrag von uns – und der hat es in sich! Ein Monat Ohne-Rad-Backpacking-Abenteuer in Indonesien. Also macht euch auf etwas mehr Text und dafür aber auch viele schöne Bilder gefasst 🙂 Holt euch einen Tee und macht es euch gemütlich. Jetzt geht’s los, da wo wir aufgehört haben…

Ciao, Singapur!

Unser vorerst letzter Tag in Singapur, der Stadt aus Beton, Glas und Geld, brach an. Ohne Frühstück eilten wir zusammen mit Eleana und Andy zur U-Bahn. Wir wollten die 10:00 Uhr Fähre nach Batam nehmen, also musste es zackig gehen.
In der U-Bahn verabschiedeten wir uns von unseren lieben Hosts und fuhren die Endstation Harbour Front an. Wir wuselten durch den Untergrund und viele Mall-hafte Gänge, bis wir schließlich zu den Ticketschaltern gelangten. Bei Sindo-Ferries konnten wir dann für umgerechnet knapp 30 Euro zwei Tickets ergattern. Wenn man mal überlegt, das uns das Ticket von Batam nach Jakarta gerade mal 12 Euro mehr kosten würde wird wieder bewusst, wie extrem überteuert das Leben in der Stadt der Millionäre ist.

Mit Tickets in den Taschen gingen wir dann noch schnell etwas zum Frühstücken suchen, checkten W-LAN, luden uns noch ein paar Streifen und Podcasts für die lange Überfahrt herunter und eilten schließlich zu unserem Boot. Tatsächlich hätte man meinen können, es sei unseres. Schließlich saßen außer Lisa und mir vielleicht noch zwei oder drei andere an Bord des Riesenschnellbootes. Da kann man dann auch die Preise nachvollziehen. Saudämlich, wenn ich das sagen darf. Vier Gesellschaften haben hier Boote liegen, die alle etwa um die selbe Zeit zum selben Ort fahren. Anstatt dass die gemeinsam EIN Boot fahren lassen… Tststs…

Wir legten ab und das Boot schoss entlang der Skyline, dann des Hafens und durch eine endlose Armada von Containerschiffen nach Westen, dann nach Süden gen Indonesien, konkreter: zur Insel Batam.

Batam – Ankunft in Indonesien

Hier angekommen mussten wir erst einmal Kröten in der neuen Währung ergattern. Die hatten dann zwar wieder unendliche viele Nullen (14.980 Indonesische Rupien sind etwa ein Euro), dafür kamen keine unbezahlbaren Gebühren auf die Abhebung.
Etwas nerviger wurde es hingegen als wir den Hafen verließen und uns Taxifahrer umschwärmten, uns – völlig überzogene „Spezial-Preise“ anboten – und einfach nicht von unserer Seite weichen wollten – etwas, an das wir uns jetzt, wo wir keine eigenen fahrbaren Untersätze mehr hatten und wie gewöhnliche Backpacker reisten, gewöhnen müssten. Schließlich sahen wir jedoch ein, dass die KM.KELUD, unser Schiff, tatsächlich gar nicht an diesem Fährterminal, sondern an einem anderen Hafen der Insel ablegen würde, wie uns die Fahrer wiederholt zu erklären versuchten. Da waren Chris Informationen aus dem Netz etwas veraltet. Nachdem wir im Ticket-Office der Reederei, welches noch hier war, Tickets für umgerechnet 42 Euro (2 mal Ekonomi) erstanden, ließen wir uns auf den an uns haftenden Taxifahrer ein, der uns dann in sein etwas baufälliges Gefährt (kein Taxi) lud (keine Gurte) und uns etwa eine halbe Stunde über die Insel fuhr. Sicher hätte es einen Bus gegeben, aber wir tauschten schließlich den Komfort dieser schnellen Lösung gegen fünf Euro. Doch wenn wir so weiter machen würden, würde das mit dem Heimkommen doch noch eine knappe Kiste.

Zwar waren wir uns fast sicher, dass es Essen auf der Fähre geben würde, aber wir hatten keine Ahnung was. Mit Sicherheit gäbe es dort eher fleischiges als vegetarisches Kantinenfutter. Also deckten wir uns in einem Supermarkt noch mit Keksen, Haferflocken, Schokomilch und Chips, Getränken und Co ein und aßen unser erstes indonesisches Mittagessen, bevor wir zum Hafen rüber liefen.

Hier landeten wir in einem Getümmel von einheimischen Wartenden, die sich bereits in Schlangen am Eingang eines eher Schmuddeligen Gebäudes versammelten oder über den Asphalt vor dem Gebäude auf dem Boden lagernd warteten, umgeben von fahrenden Essenshändlern und Eis-Kaffee-Panschern.

Nach einer gefühlten Ewigkeit setzte sich die Schlange langsam in Bewegung. Sehr langsam. Wir standen sicher noch eine Stunde in der zähfließenden Menschenmenge, wackelten durch Ticket- und Sicherheitskontrollen, Hunde beschnüffelten Taschen, Mütter hielten ihre Kinder mühsam beisammen, Menschen husteten, schwitzten, fächelten und mittendurch schleppten Träger rießige Koffer und Bündel durch die vor uns liegenden Gänge.

Schließlich traten wir ins Freie, wo wir über eine Rampe (das scheint hier normal zu sein) in einen Bus stiegen, dessen Tür in etwa 90cm Höhe vom Boden aus kaum besteigbar wäre. Der Bus wurde derart voll, dass man während der ruppig-ruckeligen Fahrt kaum hätte umfallen können. Gut durchgeschüttelt ergoss sich schließlich der Wageninhalt über das Pier, an dem mehrere große Schiffe lagen, u.a. die KM.KELUD, unser Schiff. Mit dieser schwimmenden, stählernen Festung würden wir nun eine 33-stündige Fahrt über den Äquator hinweg nach Java antreten. Noch einmal tief Auf- bzw. Durchatmen.

KM Kelud

Zwischen Trägern, Familien, Koffern und Wägen hindurch wurden wir schließlich vom Schiffspersonal zu unseren Liegen durch den in zwei Ebenen mit Betten gefüllten 4. Stock im Bauch des Ungetüms geführt, bis ganz nach vorne, wo wir unsere Betten mit den fünfstelligen Nummern vorfanden. 4. Stock, ganz hinten. Das würde man immerhin wiederfinden.

Wir blieben hier erstmal sitzen, während sich der Stock zusehends mit Menschen und deren Hab und Gut füllte. Betten wurden belegt, getauscht, geräumt für andere und wieder mit allerlei Taschen belegt. Es war einigermaßen kühl, etwas feucht, dämmrig – und sehr voll.

Auf unserem offenen Deck gab es mehrere Toiletten- und Waschräume, welche täglich mehrfach gereinigt wurden – weil es nötig war. Aus den Pissoirs (schreibt man das so?) floss das … „Wasser“ zum Teil einfach in eine Art Graben, vereinte sich mit dem Abwasser der Duschen und schwappte mit jeder größeren Neigung des Schiffes von einer Seite des Raumes auf die andere.

Obgleich es eng war, unhygienisch und schwül – irgendwie hielten wir es aus auf unseren Liegen. Vielleicht lag es jedoch auch daran, dass wir gar nicht wussten, wo wir hätten hingehen können. Doch nach einer ganzen Weile machten wir uns doch auf und erkundeten die über uns liegenden Decks und die Außenbereiche.

Hier draußen tummelten sich all diejenigen, die es drinnen nicht aushielten oder einfach eine Rauchen mussten. Denn das war zum Glück – mit Ausnahme der Cafeteria – im Schiff untersagt. Wir holten uns mit unseren Tickets je eine Plastikschale Essen am Essensschalter der Ekonomi-Klasse und setzten uns nach draußen, wo wir schließlich den Reis und Chris auch das bisschen Hähnchen dabei bedächtig verzehrten. Lust hatte er darauf nicht, wir sind ja eigentlich beide Vegetarier, aber verkommen lassen kam für ihn auch nicht in Frage. Schmeckte dann auch eigentlich ganz okay. Nur für Lisa blieb es dann bei Reis. Zum Glück hatten wir ja aber vorgesorgt, und so konnten wir während des farbenfrohen Sonnenuntergangs noch ein paar Snacks genießen.

Während wir für unser Essen anstanden wurden wir von ein paar Frauen angesprochen, die uns bereits auf unserer Entdeckungstour über das Oberdeck grüßten. Sie fragten, ob wir Christen sein, was – in dem muslimischen Land in dem wir uns nun wieder befanden – eine überraschende Frage war und etwas aus dem Konzept brachte. Doch war es so, dass es neben der Moschee, die es an Bord gab und in der regelmäßig gebetet wurde, auch christlich-ökomenische Gottesdienste auf diesem Schiff abgehalten wurden. Und zu diesem wurden wir an dieser Stelle eingeladen. Chris meinte soetwas bereits über eine indonesische Durchsage aufgeschnappt zu haben, war sich aber nicht sicher. Nur wussten wir jedoch bescheid und so fanden wir uns wenig später im Bord-Restaurant ein, wo auf einer kleinen Bühne bereits Musiker dabei waren, sich einzuspielen und die Technik einzustellen. Wir kannten weder die Lieder, noch verstanden wir etwas von der Predigt, doch war es spannend und schön, hiervon Teil sein zu dürfen. Und zumindest Chris sang mit dem Liedheftchen in der Hand ungeachtet des Verständnisses lauthals mit.

Vor uns lag nun eine recht unerholsame Nacht. Was Lisa nicht weiter zu stören schien hielt Chris lange wach, weckte ihn und ließ ihn schließlich nicht mehr einschlafen: Schnarchen, Schniefen, Schlürfen, schleimiges Husten – noch beim Gedanken daran rollen sich Chris die Fußnägel auf. Ab 5:30Uhr ging dann auch wieder die Glotze an und beschallte lauthals die schlafende und dösende Menschenmenge hier im vorderen Teil des dunklen Schiffrumpfes.

Während Chris durch Liegenbleiben und Dösen hoffte noch etwas an Erholung zu gewinnen, holte Lisa mithilfe des Tickets Frühstück für uns beide. Gebratene Nudeln mit Ei, dazu Schokomilch und Wasser. Nachdem wir das kurz vor Mittag schließlich verputzt hatten, gingen wir in die kleine Cafeteria, versuchten am Blog zu arbeiten und setzten uns schließlich wieder nach draußen bis die Sonne unterging.

Java

Um etwa 21:00 Uhr erreichten wir – nach einer schier endlosen Fahrt durch Jakartas Hafen, den Pier an dem wir anlandeten. Wir kämpften uns – wortwörtlich – durch die Menschhenmengen, die völlig sinnlosen Kontrollen und schließlich durch die Taxi-Fahrer-Traube vor dem Hafengebäude, um zum naheliegenden Bahnhhof zu kommen. Ein Junge, der uns auf der Straße begegnete, führte uns hin. Doch der Bahnhof war verwaist, Schalter geschlossen. Heute würde kein Zug mehr fahren, sagte uns ein junger Mann, scheinbar Sicherheitsbeamter hier. Er gab uns einen Hotspot, sagte uns von welchem Bahnhof wir nach Banyuwangi (Fähre nach Bali) am nächsten Tag abfahren könnten und er organisierte uns über GRAB einen Fahrer, der uns dort hin brachte. Hier suchten wir den Ticketschalter und kauften Tickets für den Zug nach Surabaya. Das Anschlussticket für den 4:00Uhr Zug könnte er uns nicht verkaufen, doch vor Ort könnten wir das sicher bekommen, versicherte uns der Service-Mitarbeiter selbstbewusst. Was davon zu halten wäre, würden wir dann dort herausfinden. Nun jedoch stand uns nocheinmal eine recht entspannte Nacht bevor. Nunja, nachdem wir ein bezahlbares Hotel ausfindig gemacht hatten. Mit dem Hotspot des Sicherheitsmitarbeiters hatte Chris bereits nach den Hotels in der Nähe gesehen. Doch der Online-Preis, von dem wir ausgingen, hätten wir hier nicht bekommen. An der Rezeption des OYO Hotels direkt am Bahnhof wollte man den doppelten Betrag dessen, was der Buchungsdienst versprach. Nach etwas hin und herüberlegen und mit etwas Selbstüberwindung fragte Chris den Parkplatzwächter nach einem Internetzugang. Mit diesem buchte er das Zimmer online und wir checkten ein. Wir leben schon in einer komischen Welt… Hätten wir bessere Erfahrungen mit Couchsurfing gemacht, würden wir wahrscheinlich gar nicht immer nach Zimmern suchen – besonders angesichts unseres Budgets – doch das ist leider einfach zu unzuverlässig. Und zu spät. Müde aber geduscht fielen wir ins Bett.

Da wir uns zu viel Zeit beim Aufstehen und Packen ließen verpassten wir das Frühstück, das hier angeboten wurde dummerweise und selbst auf dem Weg zum Zug kamen wir aus Sorge, zu spät zu kommen, nicht mehr dazu, etwas zu Essen zu besorgen.Doch zum Glock hatten wir noch etwas Hafer und die Schokomilch, die wir für das Schiff besorgt hatten. Damit kamen wir bis zum Nachmittag über die Runden. Im Zug gab es dann noch Tofu mit Chilis.

Spät nachts – oder eigentlich fast schon wieder früh morgens – kamen wir in Surabaya, einer Küstenstadt an der Nordküste Javas, an, wo wir – so die Aussage des Bahnmitarbeiters – nun das günstige Anschlussticket für den 4:00Uhr Zug kaufen sollten. Nun, aus dem „nun“ wurde dann erstmal nichts, da der Ticketschalter bis 3:00 Uhr nicht besetzt sein würde. Und bis wir checkten, dass wir auf der falschen Seite des Bahnhofes und somit vor dem falschen Ticketschalter warteten – war es bereits halb Vier und mit den „günstige“ Tickets war es jetzt auch vorbei. Am richtigen Schalter gab es die versprochenen Tickets nämlich nicht mehr, sondern nur noch die besonders teuren für umgerechnet 40Euro für uns beide. In Deutschland würde man das noch Supersparpreis nennen, doch nicht hier und nicht wir, mit unserem Budget.

Um 9:00 Uhr anstelle von 4:00 Uhr fuhr unser Zug schließlich, was uns ungewollte Zeit gab, es uns auf den Bahnhofs-Sitzbänken „bequem“ zu machen. Völlig fix und fertig und immernoch etwas säuerlich wegen des vierfach höheren Fahrpreises stiegen wir in den Zug, doch wir wurden sofort versöhnt mit dem Preis, als wir in die superbequemen Sitze plumpsten, die Fuß- und Rückenlehnen umklappten und nun den Schlaf nachholen konnten.

Wir genossen die Fahrt, die fabelhaften Aussichten über Reisterrassenlandschaften, hindurch zwischen Bananenstauden und Kokospalmen, vorbei an hübschen kleinen Bahn- und Bauernhöfen, Kühen und Büffeln, Rikschas und Kutschen, wartenden Rollerlawinen an den Bahnübergängen und schließlich – an der Küste. Wir waren in Banyuwangi bzw. Ketapang angekommen. Nach fast zwei vollen Tagen Zugfahrt und über 1.000 Kilometern über die Insel Java hinweg waren wir nun an deren östlichem Ende angekommen.

Wir sattelten unsere Taschen und folgten ein paar Backpackern, die scheinbar wussten, wo sie hin mussten. So kamen wir an den Fährhafen, wo wir nun erst mal eine Geld-Karte kaufen und aufladen sollten, um damit dann das Fährticket zu bezahlen. Nach dieser lächerlichen Prozedur wurden wir noch von Beamten der Tourismusbehörde interviewt, die scheinbar eine Umfrage machten. Doch wirklich gut Auskunft konnten wir ihnen mit unseren zwei Tagen Bahnfahrt nicht geben über unseren Aufenthalt auf Java.

Bali

Mit der Autofähre ging es dann, über die schmale Meerenge zwischen den Inseln, innerhalb einer Stunde rüber nach Bali. Es war bereits recht spät und als wir am Busbahnhof nahe des Fährhafens ankamen, hatten wir noch keine Ahnung wo wir denn auf Bali überhaupt hin wollten. Chris hatte für sich bereits entschieden, dass er über den wenig touristischen Norden der Insel an dessen Ostküste nach Amed fahren wollte. Dort sei es günstig, toll zum Schnorcheln und es gebe ein Bootsverbindung nach Lombok.

Doch durch die kurze Diskussion verpassten wir den letzten Bus dorthin. Also gingen wir Essen, kauften eine SIM-Card und suchten uns eine Bleibe für die Nacht. Lisas Bali-erfahrene Tante Manu coachte uns dann per WhatsApp noch über die Insel und so entschieden wir uns am nächsten Morgen einen Kleinbus nach Amed zu suchen.

Nach einer einigermaßen guten Nacht in der schmuddeligen Absteige, die wir fanden, die aber auch nur 5,30Euro kostet, ging es mit einem Kleinbus in den Norden der Insel. Dort angekommen versicherten uns die Fahrer der dort wartenden Busse, die Verbindungen nach Amed gingen von einem anderen Busbahnhof im Osten des Ortes ab, was uns dazu veranlasste, uns für zu viel Geld einmal durch den Ort auf die andere Seite (6km) fahren zu lassen. Doch mit den Preisrelationen, die uns die Busfahrer im Westen sagten, hatte das hier im Osten nichts zu tun. Die Fahrer hier sind nicht organisiert, zumindest nicht nach deutschem Verständnis. Hier zählt was Geld bringt. Und da Touristen Geld haben, zählt, was es ihnen aus den Taschen leiert. Dementsprechende Unsummen wollten nun die Fahrer der Kleinbusse hier von uns haben, um mit ihnen in den Osten der Insel zu fahren. Schließlich gingen beide Parteien – wir und die Fahrer – kopfschüttelnd übereinander auseinander. Wir versuchten zu trampen, aßen zu Mittag, liefen ein Stück weiter und versuchten es erneut. Wir hatten sogar ein schönes Pappschild gebastelt, als einer der Fahrer, die uns vorher nicht für den von uns genannten maximalen Preis fahren wollten, vorbeikam und meinte, es sei zu heiß in der Sonne und er würde uns für den Preis mitnehmen. Also schlugen wir ein. Sein Büsschen war inzwischen auch voll geworden. Sicher zahlte keiner der anderen einen ähnlichen Preis.

Doch schließlich schafften wir es mit ihm zu unserem Ziel und wir hatten sogar noch Zeit in Amed einen Roller zu mieten, ein schönes, sehr günstiges Zimmer zu beziehen und zum Sonnenuntergang an eine Klippe zu fahren, wo wir dann unseren ersten richtigen Tag auf Bali schön ausklingen lassen durften.

Abendessen (Gado Gado) vor dem majestätischen Vulkan Agung

Am folgenden Tag schliefen wir etwas länger, frühstückten und machten uns auf, um Schnorcheln zu gehen. 🙂 Keine Zeit zu verlieren! Und nach fünf Tagen unterwegs wollten wir damit feiern endlich angekommen zu sein 🙂

Wir fuhren zu einem japansichen Bootswrack, das wir mit Flossen und Schnorchelzeug erkundeten – auch wenn Chris mit seinem Bart etwas Probleme hatte, die Taucherbrille dicht zu bekommen und Lisas aufgrund ihrer Sehschwäche und mangelnder Kontaktlinsen kaum etwas erkannte. Das würde für weiteres Schnorcheln zu beheben sein. Doch Kontaktlinsen bekamen wir hier nicht – dafür den Bali-Belly. Zumindest Chris zerbröselte es für den Rest des Tages. Schnorcheln war dann nicht mehr, eher Schnarchen am Strand.

Lombok – schönes Wiedersehen und unschönes Willkommen

Am kommenden Tag legte dann unser Boot von Amed nach Lombok ab, wo wir hofften am späten Vormittag unseren guten Freund Fabian aus Eberswalde sowie seine Verlobte Melly zu treffen, welche die Tage zuvor auf den kleinen vorgelagerten Inseln (den Gilis) verbracht hatten.

Als wir nach einer Stunde erst die Inselgruppe und dann schließlich Lombok anfuhren und wir ausstiegen, wurden wir schnell wieder von Fahrern bzw. Fahrtvermittlern belagert. Die meisten konnten wir abschütteln und so warteten wir an dem Spot, wo die public ferries, die öffentlichen Boote von Gili Air landeten. Hier sprach uns ein älterer Mann in gelbem Hemd an, er würde uns einen besonderen Preis machen – und der war tatsächlich weit niedriger als die Preise, die die anderen haben wollten, um uns zu unserem vorgebuchten Hotel zu bringen. Doch hatten wir den Bonus des Local-Wissens: Über Fabians Schwester Nina, die hier lebte, arbeitete und eben auch hier in wenigen Tagen heiraten würde (was der Anlass der weiten Reise gab), wussten wir, dass wir maximal 100.000 Rupien für die Strecke zahlen dürften.

Obwohl wir den Mann mehrfach abwiesen, blieb er jedoch beständig bei uns und fragte uns aus. Als Fabian und Melly schließlich eintrafen, wir sie begrüßt und uns etwas unterhalten hatten, kam der Fahrt-Vermittler wieder an und wollte uns zu seinem Fahrer bringen. Als Chris dabei blieb, das wir maximal 100.000 Rupien zahlen wurden, wurde er bereits sauer. Wir seien ja nun zu viert, das würde dann auch mehr kosten. Als wir zum Taxistand gehen wollten verfolgte er uns und schlug immer niedrigere Preise vor. Dabei fluchte er jedoch, wurde immer aggressiver und scheinbar verzweifelt. Wir wollten allesamt nur noch Weg von ihm, da er uns inzwischen anschrie. Als er Chris erst am Arm packte, dieser ihm sagte, er solle sich beruhigen, er wieder handgreiflich wurde und Chris am Kragen packte und zum Schlag ausholte und trotzte, ich solle doch die Polizei holen, schritt Melly ein und gab dem aufgebrachten Wüstling 10.000 Rupien, damit er verschwand. Völlig geschockt und dankbar für Mellys Rettungsaktion suchten wir ein Taxi. Doch der Tumult mit dem Fahrt-Vermittler ging uns noch lange nach. Besonders da er im Weggehen noch drohte: „I know where you stay“. Melly – wenig hilfreich in diesem Moment – meinte noch gehört zu haben, wie er „I will kill you“ sagte.

Mit diesem wenig freundlichen Willkommen starteten wir vier also auf Lombok. Es dauerte noch den ganzen restlichen Tag, diesen Schreck zu verarbeiten und Chris begleitete die Sorge, er könnte das ernst gemeint haben noch bis in den Schlaf.

Chillen am anderen Ende der Welt – am Wendepunkt unserer Reise

Wir bezogen unser Zimmer im Cici Bungalows, ein kleines Bambus-Bungalow mit Badezimmer im Freien. Und gleich beim Reinkommen bemerkten wir, dass wir nicht alleine waren: wir hatten einen Mitbewohner. Eine große Echse, circa 30 cm lang hing an der mit Bambus verkleideten Decke der Hütte. Und unter ihm auf unserem Bett fanden wir seine Hinterlassenschaften. So begrüßt wussten wir immerhin, worauf wir zu achten hatten. Schließlich hielt Lisa Chris davon ab, das Tier zu verscheuchen: „Entweder du fängst ihn oder du gibst ihm einen Namen und findest dich damit ab.“ Er hieß schließlich Draco und wir würden noch häufiger seine Hinterlassenschaften beseitigen.

Das Hotel war sonst ein echter Glücksgriff. Für 7 Euro in der Nacht hatten wir hier einen Bungalow und einen tollen Pool. Da wir in den folgenden Tagen beide mit Magenproblemen und dem Zeitmanagement der Familie Quirmbach zu tun hatten, verbrachten wir relativ viel Zeit dort und Chris machte größten Nutzen aus dem Pool.
Schade nur, dass wir durch all das kaum dazu kamen, die Insel wirklich zu erkunden und die Strände in der Umgebung zu genießen. Die damit verbundene Unzufriedenheit von Chris und Lisas Leiden mit dem plötzlich geschwollenen, roten Zeckenbiss von vor zwei Wochen, welcher uns zusätzlich zu den nicht enden wollenden … „Verdauungsproblemen“ Sorge bereitete, belasteten unsere Beziehung: Wir jammerten, zickten und schmollten, verschwendeten Tage mit Fahrten zu Kliniken wo man keine Ahnung von Zecken und Bissfolgen hatte und verloren zu allem Überfluss noch beinahe sämtliche Handy-Fotos und -Videos die Chris seit Thailand aufgenommen hatte wegen zwei billigen und scheinbar korrumpierten Speichersticks, die Chris gerne Fabian mit nach Hause geben wollte – als Back-Up. So musste Chris auf die harte Tour lernen, dass a) es Leute gibt, die USB-Sticks so programmieren, dass sie statt 56 MB eine Speicherkapazität von 64 GB anzeigen sowie b) dass man auf keinen Fall Dateien ausschneiden bzw. verschieben darf, wenn man ein sicheres Back-Up erzeugen will… Chris Ärger war unendlich groß. Über sich, über die Verkäuferin die keine Ahnung hatte, über die Welt, in der man so verarscht werden konnte. Aber vor allem über sich.

Aber zum Glück hatten wir dann doch immer wieder Ablenkung und mit der Zeit entspannte sich die Situation auch wieder. So gingen wir mit unseren Freunden Melly und Fabian sowie dessen Papa Hans-Werner auf Wasserfall-Tour in den Norden der Insel, wo wir im heftigen tropischen Regen die Wasserfälle fast nicht vom Wetter unterscheiden konnten, Chris es aber total genoss und an seine Costa Rica Zeit erinnert wurde.

Lisa wurde auf Brautmoden-Schau mitgenommen und aß mit Danas Familie einheimische Köstlichkeiten, Chris fuhr mit Fabian auf dem Roller um gefühlt die Halbe Insel, um Schnorcheln zu gehen – was super schön und paradisisch war, aber im Endeffekt mehr Rollersafari als Schnorcheln. Dafür sahen wir auf der Straße auch einen riesigen Waran. Wir wurden von Ninas und Fabians Eltern in deren Stamm-Hotel ins Restaurant zum Essen eingeladen, schlemmten und genossen grandiose Tanzvorführungen mit tollen TänzerInnen und Flamenco, Tango und Salsa sowie traditionellen Kampf-Tänzen von Lombok. Es war eine tolle Show und ein wirklich schönes Ambiente. Dafür machten uns die Preise – für das was wir gewohnt sind – ganz schön schwindelig. Umso dankbarer waren wir für die Einladung zu diesem Erlebnis. Aber letztlich kamen wir zum Highlight und eigentlichen Grund unserer Reise nach Lombok, der Insel die wir vorher gar nicht kannten, nämlich…

Janinas und Danas Hochzeit

Zwei Tage später als der eigentliche Hochzeitstermin am 02.02.2020, also am 4. Februar, fand die Trauung unserer erst-über-Eck-und-nun-auch-direkt-Freunde statt. Hochzeiten sind auch auf der muslimisch geprägten tropischen Insel eine wichtige Angelegenheit – aber was die Organisation und die Feier angeht ist man da scheinbar einiges entspannter als bei unsereins in Deutschland. Zweimal wurde die Hochzeit verschoben, weil entweder das KUA, das muslimische Religionsamt, geschlossen war oder andere Vorbereitungen noch zu treffen waren, an die man vorher nicht gedacht hatte. Noch einen Tag weiter hätte die Hochzeit nicht verschoben werden dürfen, da Fabian und Melly am nächsten Tag schon abfliegen würden. So klappte es dann aber und wir trafen uns am Morgen um 9:00 Uhr vor einem kleineren, aber offiziell wirkenden Gebäude, in dem sich im Untergeschoss Ordner stapelten, während im oberen Stockwerk in einem kleinen Saal schließlich die Zeremonien gehalten wurden.

In einem strahlend weißen Kleid mit Schleier gekleidet und mit aufwendigem Make-Up versehen, wurde die Braut mit dem Taxi von den Eltern vor die Tür gefahren, wo wir sie antrafen, als wir mit dem Roller über die Schwelle zwischen Straße und Hof huckelten. Janina sah prächtig aus, wenngleich es ungewohnt war, die eher natürlich-sportliche Braut nun derart geschminkt zu sehen. Um den Anforderungen für die traditionelle Hochzeit zu Erfüllen ließ sie sich am Morgen zwei Stunden lang von einer Visagistin zur Filmprinzessin stylen – und dasselbe würde sie am Abend noch einmal durchmachen, verriet sie uns. Angeblich musste sie die Visagistin noch davon abbringen ein viertes Paar falsche Wimpern anzubringen… Was Frau nicht alles macht! 😉

Wir gingen hinauf vor den Saal, zogen unsere Schuhe aus und setzten uns um das Brautpaar herum auf den Teppichboden. Da wir von Janina kurzerhand wegen unserer „guten Kamera“ zu den Hochzeitsfotografen ernannt wurden, suchte Chris sich einen Platz hinter den Amtsträgern, die die Zeremonie leiteten, damit er Dana und Nina gut von vorne im Blick hatte. Es ging los.

Vor uns, der Familie und den 20 notwendigen männlichen Zeugen muslimischen Glaubens wurden nun Abstammungen erklärt, Gelübde auf arabisch abgelegt bzw. nachgesprochen und schließlich gebetet. Während dieser für uns interessanten aber völlig unverständlichen Zeremonie gab es eine kleine Spannung, als es unerwartet hieß, der Vater Janinas dürfe seine Tochter nicht „übergeben“, da er nicht muslimischen Glaubens war. Das löste insbesondere bei Christiane, der Mutter, Empörung aus. Hans-Werner ließ es dennoch geschehen und folgte dem Vorschlag der Männer, Janina und Dana auf Deutsch Rat und gute Wünsche für die Ehe zuzusprechen.

Mit einem Gebet, dem Anstecken des Ringes gefolgt von dem scheinbar obligatorischen Handkuss Janinas an Dana endete die Zeremonie. Es wurden einen Haufen Fotos gemacht, Hände geschüttelt und schließlich wurden Wasser und süßes Gebäck ausgeteilt und man aß zusammen auf dem Boden des Saals sitzend, bevor sich die Versammlung nach und nach nach Draußen begab.

Der erste Teil der Hochzeit, die Trauung, war gelaufen. Das Brautpaar würde nun zur Familie fahren und dort Essen, die Männer im Haus des „Obermuftis“ beten. Nach einem gemeinsamen Essen in demselben Haus hieß es, wir könnten um sieben Uhr zur Feier zurückkommen und solange tun was wir wollten. Also fuhren wir nochmal ins Hotel zurück, schrieben am Blog, verpackten unser Geschenk, das aus Mitbringseln der bereisten Länder bestand, und planschten im Pool, bis wir schließlich um halb fünf wieder aufbrachen, damit Lisa als Fotografin bei der zweiten Schmink-Session dabei sein könnte. Chris ging indes nochmal auf die Suche nach einem Speichermedium für das Back-Up der Fotos die er unbedingt noch Fabian mitgeben wollte. Mit einer Festplatte als Beute kam er schließlich zurück. In der Stube des (einzigen) schönen Hauses in der Fischer-Siedung war eine Bombenstimmung: Schwägerinnen, Melly, Mutter Christiane und die beständig Fotos knipsende Lisa lachten zusammen mit der Braut, während die ebenfalls gut gelaunte Visagistin Pinsel, Puder, Liner, Lippenstifte, Glätteisen, Bürsten und Co durch die Luft schwang und Janina mit jedem Schwung und Strich mehr in eine Porzellanpuppe bzw. Märchenprinzessin verwandelte. Alle, einschließlich Dana, hatten großen Spaß daran, dabei zuzusehen. Auch er wurde noch gestylt und geschminkt und schließlich, nach ganzen zweieinhalb Stunden Schminken, Stylen und in das nächste Traum-Hochzeits-Kleid gehüllt werden, traten die beiden hinaus und gingen – gefolgt von Familie, Nachbarn und Freunden – voraus in Richtung Festplatz.

Doch was bei uns ein großes Festessen mit Ansprachen, Tanz, Spielen und Scherzen wäre, sah hier im muslimischen Fischerdorf doch etwas anders aus: In Stuhlreihen saßen die Gäste nun vor der Bühne und schauten auf das Brautpaar, das über ihnen thronend auf einer Couch zwischen Blumen und bunten Lichtern saßen und während die Gäste nun je ihren Teller vom kleinen Buffet mit einfacher, aber leckerer lokaler Kost auffüllten und aßen, mussten die beiden da sitzen und nur eines tun: Gut ausschauen. Nach etwa einer Stunde, während derer die ziemlich gute aber viel zu laute Life-Band spielte und alle ihre Portionen verputzten, kamen nach und nach Gäste nach vorne auf die Bühne, um Fotos mit dem Brautpaar zu machen. Schließlich gingen auch wir, die Familie und die kleine Gruppe deutscher Freunde nach vorne und wir überreichten nacheinander unsere Geschenke. Damit waren wir aber tatsächlich die einzigen, da es wohl üblich war, dass die Gäste einen Betrag Geld in einem Umschlag in eine Box am Buffet warfen.

Als es allmählich spät wurde und auch die Ohren langsam wirklich schmerzten von der lauten Musik, alle die wollten sich von Lisa und Chris mit dem Brautpaar ablichten ließen und die Band nun vom Band abgelöst wurde, machten sich Dana und Nina auf um zu gehen. Erst jetzt begannen einige der Gäste sich aus der Starre zu lösen und tanzten zur Musik. Zwar waren wir etwas überraschte, dass die Feier dann doch nur so kurz dauerte und auch erst zum Ende hin den Charakter einer Feier wirklich annahm, aber wir waren auch etwas erleichtert, als wir uns von dem viel zu laut beschallten Festplatz wieder aufmachten. Aber sicher nicht annährend so erleichtert wie das Brautpaar, das ohne Essen oder Toilette und dafür in Smoking und Brautkleid über zwei Stunden ausharren musste, während sich die Gäste tummelten, aßen und unterhielten. Zumindest sah man es Nina an, wie erleichtert sie war, aus dem heißen Kleid mit der endlosen Schleppe herauszukommen und sich wieder normal bewegen zu können. Lisa und ich machten uns indessen auf unseren Roller, der vom Cousin Danas geparkt wurde, wiederzufinden und im Fahrtwind auf dem Heimweg wieder auf angenehme Temperaturen heruntergekühlt zu werden.

Alles in allem war der Tag für uns ein spannender Einblick in diese andere Kultur, insbesondere die morgendliche Zeremonie im KUA und wir sind superdankbar dafür, daran teilgehabt haben zu dürfen. Aber wir sind auch ganz froh darüber, dass es bei uns etwas anders zuging. 😉 Wenn die beiden dann in Deutschland nachfeiern, wird das sicher auch nochmal anders ausfallen.

Vom Rinjani nach Gili Meno

Am nächsten Tag frühstückten wir dann nochmal mit Melly und Fabian zum Abschied, bevor sie das Taxi zum Boot und das Boot nach Bali bringen würde, von wo aus sie am nächsten Tag nach Hause fliegen würden. Wir hatten vor, mit dem Roller noch ein wenig die Insel zu erkunden und dank Hans-Werner und Christiane, die noch eine Weile länger auf der Insel bleiben würden, konnten wir unseren größeren Rucksack dort lassen und mit Minimalgepäck losziehen.

Chris wollte unbedingt versuchen, auf den Rinjani, den zweithöchsten Berg Indonesiens mit über 3.700m Höhe und Vulkan zu kommen. Beziehungsweise auf den Kraterrand, denn man sagte uns, dass seit dem Erdbeben vor zwei Jahren Wege verschüttet und die Zugänge zum Berg gesperrt wären. Doch was uns eher abhielt hinaufzusteigen, waren die Preises für die Touren an den Kraterrand und die mangelnde Ausrüstung, es alleine durchzuziehen. Wir hatten nicht mal festes Schuhwerk, geschweige denn warme Klamotten oder Zelt und Isomatten und da sich die Besteigung nur mit Übernachtung lohnt, da bereits ab 11:00 Uhr morgens wieder alles in Wolken gehüllt sein würde, würden wir das brauchen. Oder besser gesagt, würde Chris das brauchen. Lisa hatte nämlich gar nicht vor mit hinauf zu gehen. Und ehe wir uns versahen, hatte Chris zu lange gezögert und die letzte Möglichkeit verpasst, doch noch eine preislich sogar günstigere Zweitages-Tour mit zu machen. Man sagte uns, wir könnten einen Tag warten und am nächsten Tag hinauf und einen weiteren Tag später wieder herunterkommen. Aber da Lisa dann drei Tage hier hätte verbringen müssen und viel lieber am Strand wäre und unser Zeitplan für die nächsten Tage das auch eher nicht hergab, entschieden wir uns, zurück an die Küste zu fahren und nicht auf Vulkan zu steigen. Es fiel Chris wirklich schwer (Kommentar: Und ich finde es immer noch sehr schade), von seinem Traum auf und in einen Vulkankrater zu steigen und dann die Nacht oben zu verbringen und den Sonnenaufgang über den Wolken zu erleben, aufzugeben.

Aber sei es drum – dann würden wir eben wieder schnorcheln gehen. Und vielleicht ja auch richtig Tauchen, wie Chris hoffte, der laut Lisa immer Angst habe, etwas zu verpassen. (Kommentar: Ich würde sagen, mich treibt die Sehnsucht nach tollen Erlebnissen – sonst wären wir doch gar nicht erst los!)

Immerhin genossen wir hier einen Abend und einen Morgen lang traumhafte Ausblicke über die wunderschönen Reisterrassen an den Hängen des Rinjani…

Auf den Gilis

Wir fuhren zurück, holten unsere Sachen im Hotel bei Christiane und Hans-Werner ab, wurden dort nochmal in den Pool eingeladen und konnten uns noch bedanken und verabschieden, bevor wir schließlich aufbrachen, um auf die „Gilis“ im Nord-Westen Lomboks zu fahren. Genauer gesagt, Gilli Meno, die „Honeymoon-Insel“. Nach einem bangen Moment am Hafen, in dem wir hofften, nicht wieder auf den verrückten Taxi-Vermittler zu treffen, bestiegen wir das letzte Boot des Tages nach Gili Meno, checkten uns einen günstigen Bungalow und genossen dessen Komfort und Ruhe.

Am kommenden Tag liehen wir uns Schnorchel-Sets und Flossen und machten uns auf, die großen Meeresschildkröten zu besuchen, die es hier zuhauf geben sollte. Und tatsächlich wurden wir im Norden der kleinen Insel nach einem etwas schwierigen Einstieg und weitem Hinausschwimmen fündig: zweimal trafen wir zwischen bunten Fischen und riesigen Korallen auf einzelne Schildkröten, die am Grund in etwa 3-4 Meter tiefe rasteten. Da aber Lisas Schnorchel ständig Wasser einsog, blieben wir hier nicht lange und kehrten wieder zu unserer Unterkunft zurück, wo die Besitzerin „Mama Melani“ uns zu ihrer Tochter an den Schnorchel-Stand bei deren Restaurant schickte, um das Set zu tauschen. Nach einem kleinen Mittagessen am Strand warfen wir uns wieder in die Wellen und besuchten die Unterwasser-Skulpturen im Westen der Insel. Spannender als dieser Taucher-Selfie-Spot war allerdings die Umgebung, denn als wir nach Norden an der Riffkante entlang schwammen, kamen wir durch Schwärme kunterbunter kleiner Fische, sahen Kugelfische und allerlei ulkige Fisch-Kollegen.

Wendepunkt und Wehmut

Als wir dann im Sand saßen, und über die zunehmend windgepeitschte See auf die dritte und äußerste der Gili-Inseln, Gili Trawangan blickten, wurde uns bewusst, was für eine besondere Zeit unserer Reise dies nun war: Wir waren am Wendepunkt unserer langen Fahrt angekommen, am südöstlichsten Punkt. Also, genau genommen war das auf Lombok, doch jetzt besonnen wir uns auf den Moment – der Moment, von dem an es wieder nach Hause ging. Ein Moment, der unterschiedliches in uns auslöste, Vorfreude einerseits, doch bei Chris auch Bedauern, dass wir nicht weiter nach Osten reisen konnten, nicht noch nach Papua und Australien kämen, kein Working-Holiday dort machen würden, zumal dies das letzte Jahr wäre, in dem das für Chris möglich sein würde aufgrund der Altersbeschränkung. Und dasselbe gilt für Neuseeland. Ein Gefühl der Niederlage mischte sich mit hinein und es dauerte noch eine Weile, das zu überwinden. Ein Stück weit schwingt es immer noch in ihm nach, obwohl ihm schon lange vorher klar war, dass das Weiterreisen mit den wichtigen Hochzeiten zuhause nicht vereinbar war. Nicht, wenn er seinen Prinzipien treu bleiben wollte und nicht fliegen würde.

Zwischen Flossen und Panzern

Als wir am nächsten Tag nach Gili Air übersetzen wollten, da Janina uns ihre kleine Wohnung anbot, die sie dort mietete und wir ohnehin von dort nach Bali zurückfahren würden, verpassten wir die Fähre knapp. Doch es stellte sich heraus, dass uns nichts besseres hätte passieren können. Wir würden die Fähre am Abend nehmen und die Zeit bis dahin nutzen, um noch einmal nach Schildkröten zu suchen. Wobei wir das „Tauchen“ wegen unseres Budgets und der bisherigen schönen Schnorchelerfahrungen verworfen hatten. Nachdem Sam, unser Radler-Kollege aus England, uns vom Tauchen mit Walhaien und Manta-Rochen vorgeschwärmt hat, wollte Chris unbedingt ähnliches erleben. Doch über einhundert Euro pro Person für drei Stunden und zirka die Hälfte davon im Pool? Das war uns, besonders aber Lisa, dann doch zu viel. Also gingen wir wieder schnorcheln.

Am Strand im Nord-Osten der Insel Gili Meno liehen wir uns wieder Schnorchelzeug. Von den letzten Flossen hatten wir noch Blasen an den Füßen, doch diesmal hatten wir richtig gutes Material bekommen und so konnten wir trotz der Wehwehchen richtig gut schwimmen. Erneut kämpften wir uns durch die Brandung am seichten, aber von Korallenbruchstücken scharfkantigen Strand, bis wir in die Nähe der Riffkante kamen, wo die halbwegs intakten Korallen wieder von einer Vielzahl bunter Fische umspielt wurde. Und hier passierte dann das Magische…

Wir folgten einer Gruppe von Schnorchlern, die einen Guide hatten, weiter raus, über die Riffkante hinaus über die unsichtbaren Tiefen – etwas das Chris in seiner Vorstellung immer total beängstigt hatte, was ihm jedoch durch die Anwesenheit anderer nur noch etwas mulmig fühlen ließ. Und da sahen wir sie, erst eine, dann eine zweite richtig große Meeresschildkröte, wie sie dort vor uns im offenen Wasser schwimmt und zum Luftholen die Nase über die Wasseroberfläche streckt. Sie waren wunderschön und es war erhebend, an ihrer Seite zu tauchen und Kopf an Kopf nebeneinander her zu schwimmen.

Wir ließen sie ziehen und kehrten zur Riffkante zurück, wo Lisa und ich sicher 4 oder 5 weitere Schildkröten am Grund ruhen sahen und die sich von uns kaum stören ließen, selbst als Chris hinabtauchte und sie ganz nah umrundete.

Nach einer kleinen Pause am Strand sah Chris eine Gruppe von Schnorchlern, die etwas abseits scheinbar jede Menge Spaß hatten. Da wollte Chris wieder rein und schauen, was die trieben. Als wir bei ihnen ankamen, entdeckten wir, dass sie scheinbar völlig mit sich selbst beschäftigt waren und es dort nicht wirklich etwas zu sehen gab. Also schnorchelten wir entlang der Riffkante wieder zurück gen Norden, als wir uns plötzlich von Schildkröten umgeben fanden. Es war legendär. Wir schwammen und tauchten zwischen ihnen, besuchten die Gruppen von bis zu 8 Tieren, die am Grund zusammen lagerten, tauchten weiter und fanden mehr. Bis Chris im Augenwinkel weiter unten im Dunkelblau der Tiefe unterhalb der Kante etwas aufblitzen sah. Rochen. Eine Gruppe von mindestens fünf Tieren zog dort unten vorbei, wobei ihre Seiten, gleichsam wie Flügel, in ihrer Schwimmbewegung immer wieder ihre weißen Unterseiten aufblitzend sichtbar werden ließen. Als Chris den langen glänzenden Schwanz der Tiere wahrnahm bekam er es jedoch mit der Angst zu tun, weshalb er es nicht wagte, den Tieren direkt zu folgen und sie somit aus dem Blick verlor. Später, auf Nachfrage bei der Tauchlehrerin Janina, erfuhren wir, dass es laut Beschreibung kein Stachelrochen war, eher ein Eagle Ray oder vielleicht sogar ein Manta-Rochen. Doch so genau, konnte ich sie nicht beschreiben und deshalb wissen wir es bis heute nicht genau. Auf jeden Fall war es ein tolles Erlebnis.

Wir tauchten noch eine Weile mit den Schildkröten und bunten Fischchen, bevor wir uns schließlich anschickten, aus dem Wasser zu kommen und noch etwas zu Essen, bevor wir nach Gili Air übersetzten.

Gili Air

Drüben angekommen mussten wir feststellen, dass Gili Meno, die sogenannte „Honeymoon-Insel“ tatsächlich viel ruhiger war. Hier steppte im Vergleich dazu der Bär: die Strände waren voller Restaurants und Bars, es gab viele Kneipen, Läden, Hotels, Tauchschulen, Supermärkte, Bars, Bungalows, Restaurants, Tauchschulen, Hotelresorts, Restaurants… Sogar Magic-Mushrooms wollte man uns hier verkaufe – was höchst illegal war, jedoch recht freizügig beworben wurde. Wir verzichteten und entschieden uns, nachdem wir unsere Taschen zu Janinas Wohnung gebracht hatten und loszogen, die Insel zu erkunden, für Ananas- und Bananen-Shakes und schlemmten für umgerechnet zehn Euro leckere Pizzen. Nicht, dass das Gado-Gado, das wir uns meistens holten und das meistens aus Tofu, Eiern, Tempe, gebratenen Sprossen und Gemüse, Gurken, Tomaten und viel Erdnusssoße sowie Krabbenchips bestand, nicht schätzten. Nein, das war meistens richtig lecker! Aber so eine Pizza lockt dann doch immer wieder und dann können wir nicht wiederstehen. Und so genossen wir hier am belebten Strand der Paradiesinsel italienische Küche und ließen es uns gut gehen.

Durch den Sturm

Tags drauf packten wir dann schon wieder alles zusammen und machten uns auf zur Anlege-Stelle. Da Janina und Dana ebenfalls nach Bali mussten, um von dort über Singapur nach Deutschland zu fliegen, trafen wir uns an Bord wieder. Janina hatte uns sogar eines ihrer Tickets, die sie als „Trinkgeld“ von einem Reisenden bekommen hatte, geschenkt, um die Kosten der Überfahrt damit zu halbieren. Doch die begann nicht nur eine Stunde später als erwartet, sondern wurde dann auch zu einem ziemlichen Höllenritt.

Auf dem Weg von Gili Air zurück nach Lombok, wo unsere Freunde zustiegen, war die See noch ruhig und die Sonne schien. Doch im Süden braute sich langsam etwas zusammen. Und ehe wir uns versahen, schoss das Fast Boat durch hohe Wellen, peitschenden Regen und Gischt, während für dessen Insassen die Welt von einer auf die andere Seite kippte und nicht wenige, Chris eingeschlossen, erst weiß, dann grünlich anliefen. Um sich nicht von den Brech-Geräuschen der Armen hinter uns anstecken zu lassen, betäubten wir uns mit Kopfhörern und Musik, massierten unsere Schläfen und Genicke mit Tiger Balsam und versuchten tief durchzuatmen und zu schlafen. Mit der Tüte vorsichtshalber griffbereit dösten wir dann nach einer qualvollen ersten Stunde doch noch weg…

Auf Bali angekommen mussten wir uns erst durch ein Heer von Taxifahrer kämpfen, die mit perfiden Tricks Fährgäste in ihre Gefährte lockten… oder zwangen. Nicht nur Janina, sondern auch das Schiffspersonal warnte uns per Durchsage, dass wir auf keinen Fall unsere Gutscheine für den Anschlusstransport aus der Hand geben dürften. Sofort als wir anlegten, drängten Männer in Plastikponchos aus dem Regen ins Boot und „baten um die Tickets“. Da wir die Masche nun kannten, hüteten wir uns. Denn das Ticket würde man wohl nicht wieder sehen – und dann stand man da und brauchte sie, die Taxi-Mafia.

Noch mehrfach beim Aussteigen und danach, wollten Leute unsere Tickets „sehen“. Wir gingen an ihnen vorbei und folgten Janina, die sich auskannte, zum Büro des Fast Boat Services. Innerhalb weniger Minuten wurden die Fahrgäste hier dann in die Kleinbusse aufgeteilt, die sie über die Insel hinweg an ihre Ziele bringen würden. Also hieß es jetzt wieder mal Good-Bye zu sagen und so drückten wir Dana und Janina, bedankten uns für die Unterkunft und das Ticket und sprangen den anderen hinterher in unseren Kleinbus. (Kommentar: Wir sind beide immer noch total gerührt von der Großzügigkeit Ninas und ihrer Familie – und ihrer Nachbarn, aber davon lest ihr später 😉 ).

Ubud – Wassertempel, Lawafelder, Katzenkaffee

Der Bus setzte uns im Zentrum Ubuds ab, einem für seine hübschen Reisterrassenhängen, Kunst und Kultur, Wassertempeln und -fällen bekannten Städtchen südlich des Mount Batur, einem der Vulkane hier auf Bali. Wir schlenderten durch die Gassen auf dem Weg zu unserer schnuckeligen Unterkunft, die wir online noch fanden, aßen unterwegs Curry und kunstvolles Gado Gado…

… und hielten nach Rollern Ausschau, die wir für den nächsten Tag günstig mieten könnten, um die Gegend zu erkunden. Leider war es mit den Blasen an unseren Füßen, die wir uns von unserem ersten Flossenpaar zuzogen, so schlimm geworden, dass Chris in seinen Sandalen kaum noch laufen konnte, aber in dem Matsch und Schmutz der Straßen auch nicht barfuß unterwegs sein wollte. Umso mehr meinte er, einen fahrbaren Untersatz zu brauchen. Zwar gab es hier Angebote, doch waren die Preise doppelt so hoch, wie wir sie kannten. Also checkten wir erstmal ein und schauten dann morgen weiter. Am Abend suchten wir dann noch das nächste vegetarische Restaurant auf, unweit von unserer Unterkunft Mountain Garden. Chris hatte ein fleischfreies Nasi Campur mit schwarzem Reis, Tempe, veganem Sate-Spießchen, Sambal (Chili Dip) und Erdnusssoße, fritierten Pilzen und und und. Lisa das beste Nasi Goreng der Reise, weil es so eine große Portion und so gut gewürzt war. Und das ganze dann mit Getränken für umgerechnet fünf Euro! Zufrieden schlenderten wir zurück und fielen satt ins Bett. Wir hatten unser Stammlokal – Morgen würden wir wiederkommen und den Rest der Karte bestellen. 😉

Bergfahrt

Nach ein paar Bahnen im kalten Pool zwischen Haus und Reisterrassen, einem kleinen Frühstück und dem Auschecken des Rollers für den Tag düsten wir heute los, um noch vor Mittag am Mount Batur, dem Vulkan im Norden, zu sein. Knapp eine Stunde dauerte es, die schier endlose Straße hinauf zu fahren, entlang zwischen Tankstellen und Restaurants, dann Kunst- und Deko-Shops, dann Cafes und Aussichtspunkten mit Schaukeln über den Reisfeldern sowie schließlich Kaffeeplantagen, Obst- und Durian- aka. Stinkfrucht-Ständen. Je weiter wir rauf kamen umso kühler wurde es, bis es fast etwas unangenehm kühl im Fahrtwind wurde. Außerdem schien die Straße uns direkt in die Wolken zu führen, die an diesem Morgen doch bereits um den Kraterrand des Berges waberten, auf den wir schließlich auffuhren. Entlang der „Rundstraße“ auf dem Kraterrand gibt es jede Menge Cafés und Restaurants. Also gönnten wir uns oben erstmal einen heißen Tee, um etwas warm zu werden, und schauten dabei den Wolken zu, die um den Vulkan Batur, der inmitten des mächtigen Kraters als eigener Berg aufragt, umherzogen und schließlich doch noch den Blick auf den Gipfel des Feuerspuckers freigaben. Der war – zusammen mit dem großen See, der ebenfalls einen Teil des Kraters füllte – auch ohne Aschewolke, Lavaströmen und Glutgeschosse – ein majestätischer Anblick.

Lavafelder

Schließlich fuhren wir hinunter in den Krater, entgegen der Warnungen der Hotelbesitzer, die uns den Roller vermieteten, dass Wege wegen des Regens verschüttet seien. Chris wollte in die Lavafelder, wenn er schon nicht auf den Berg steigen konnte. Die hügelige Landschaft aus porösen Felsbrocken und Steinen, in der sich teilweise Moose, vereinzelt Grasbüschel und am Rand eine ganze Reihe gepflanzter Jungbäume zu behaupten versuchten, war wüst und unwirtlich – doch für Chris ein Wunderland, weshalb er – soweit seine Füße mitmachten – alles erklomm was sich anbot und er immer weiter hineinlaufen wollte, bis wir schließlich zu den glänzend-grauen Bruchkanten der Lavastrom-Formationen kamen, die dalagen wie löchriger Käse, der in der Sonne schimmert – nur eben in dunkelgrau. Und steinhart.

Odyssee im Krater

Auf dem Weg zurück mussten wir feststellen, dass es unserem Gefährt an Power fehlte – wir kamen schlicht die Straße nicht wieder rauf, die wir zuvor nach unten gerollt waren. Wie Panne war das denn? Chris hatte sich schon vorher über die mickrige Leistung beklagt, aber dass der Roller nicht mal genug Drehmoment hinbekam, um sich selbst den Berg hinauf zu kämpfen – ohne uns als Ballast – das war wirklich schwach, im wahrsten Sinne des Wortes.

Also suchten wir einen anderen Weg. Durch die Lavafelder wollte Lisa nicht, weil es ihr zu gefährlich erschien und über Steine und Schotter zu kämpfen. Doch schien der dritte und letzte Weg, der uns wieder auf den Kraterrand führen würde, ebenso steil zu sein, wie der an dem wir scheiterten. Zumindest laut Karten-App. Aber wir würden es versuchen müssen. Wir fuhren eine Weile, schwebten über die Achterbahn-mäßige kleine Straße, die sich an den Rand des Lavafeldes schmiegte, nach Westen, mussten jedoch immer wieder tiefe Pfützen umfahren oder durchfahren, die die Straße in den Senken gänzlich fluteten. Da wir bei der ersten Durchfahrung so tief eintauchten, dass wir nasse Füße und einen nassen Rucksack bekamen, entschieden wir uns im Slalom um die überfluteten Abschnitte off-road zu fahren, was teilweise eine ebenso abenteuerliche Angelegenheit wurde. Schließlich kamen wir an die Serpentinen-Straße, die auf den Kraterrand führte. Hoffend und betend gab Chris dem Blechklepper die Sporen um den Hang mit vollem Schwung anzufahren – und siehe da: wir kamen voran. Jedoch waren jetzt einige riskante Überholmanöver um die mit Vulkanstein beladenen Lastwägen herum nötig, um den notwendigen Schwung für die Bergfahrt nicht zu verlieren. Mit Adrenalin und einigen Schutzengeln schafften wir es schließlich, ließen auch die letzte steile Serpentinenschleife hinter uns und landeten auf der Kraterrandstraße. Auf den Stress brauchten wir jetzt erstmal was zu futtern.

Stinkfrucht

Nach einer kleinen Mahlzeit beim vermeintlichen Inder, der uns aber nur die indonesische Karte gab und wir uns wiedermal mit Nasi Goreng begnügten, obwohl wir richtig Heißhunger auf Naan und Daal hatten, tuckerten wir wieder bergab gen Ubud. Unterwegs kamen wir wieder an allerlei Obstständen vorbei, an denen Chris hielt, aber nicht fand, was er suchte: Durian. Schließlich fand er einige Kilometer bergab doch noch eine Reihe von Durian-Ständen. Er hielt an und fragte, ober er eine probieren dürfte. Er durfte und war dankbar, denn er war super neugierig. Doch was er da schließlich probierte, hatte mit Obst nichts am Hut. Auch wenn der Geruch oder besser gesagt, der Gestank schon abschreckte, hoffte Chris darauf, dass an dem Geschmack etwas Tolles dran sein musste, wo doch schließlich so viele Leute darauf abfuhren. Seit China verfolgte uns die Durian und Chris Neugier wuchs und wuchs. Jetzt, wo sie endlich umsonst zu probieren war, musste er zuschlagen, doch – oweh! – es stimmte, was Clara und Fridi, unsere lieben Radlerfreundinnen aus Dresden uns bereits Monate zuvor erzählten: Sie schmeckte tatsächlich nicht nach einer Frucht, wie man es erwartet, sondern nach einer Mischung aus Käse (!), Knoblauch (!) und Zwiebeln(!!!). An sich keine schlechte Kombination. Aber irgendwie absolut nicht gut in diesem Fall. Angewidert, doch sich nichts anmerken lassend, kaute Chris weiter das weiß-rosa Fruchtfleisch von dem großen Kern, doch solange er auch kaute – es wollte sich nichts Leckeres daran finden lassen. Ein klein wenig enttäuscht darüber, aber vor allem sehr zufrieden, endlich erfahren zu haben, was es mit der Stinkfrucht auf sich hatte, pfefferte er den Rest des Stückchens in die Büsche, bedankte sich mit ein wenig Kleingeld für die Kostprobe und fuhr mit widerlichem Mundgeruch, aber bester Laune weiter.

Katzenkaffee

Wir kamen zum hinduistischen Wassertempel Tirta Empul. Einer der Parkplatzeinweiser des scheinbar gut besuchten Tempels erzählte uns von den Kaffeeplantagen und den kostenlosen Verköstigungen mit Kaffees und Tees dort. Wir hatten sie auf dem Weg vom Berg herab passiert, aber mit der Verheißung auf die Kostproben und angesichts des überfüllten Parkplatzes entschieden wir uns, doch nochmal zurück zu fahren. Hier konnten wir dann zusehen, wie der Kaffee handwerksmäßig getrocknet, geröstet und zerstoßen wird – auch der legendäre Katzen- bzw. Lewak-Kaffee. Noch so etwas, das Chris schon eine ganze Weile – genauer gesagt seit Vietnam – verfolgte und dass er jetzt doch auch gerne mal probieren würde. Auch wenn er sich zuvor immer mit Ekel darüber lustig gemacht hatte, wie man nur etwas Verdautes verarbeiten und dann zu sich nehmen kann.

Wir bekamen tatsächlich eine Palette von sicher 15 Tassen mit Kaffee- und Teemischungen vorgesetzt sowie einen Lewak-Kaffee, den Chris sich dazu orderte. Dann probierten wir: Bali-Kaffee, Bali-Kakao, Ginseng-Kaffee, Zitronengras-Tee, Kokos-Kaffee, Ingwer-Tee, Ingwer-Kaffee und so weiter und so fort. Einiges davon war wirklich sehr lecker, anderes erinnerte eher an eine billige Süßspeise, das nächste haute einen von den Socken. Chris, der die Kaffeetassen immer ganz leerte, wurde schon ganz hibbeling, während Lisa die Tees nach dem Probieren lassen austrank ihm ankündigte, dass er bestimmt bald furchtbar aufs Klo müsse. Nachdem auch die letzte Tasse leer war, kam der Lewak-Kaffee dran, angeblich von freilebenden Tieren selektiert und vorverdaut und nicht im Käfig mit minderwertigem Früchten gemästet, wie uns mehrfach ungefragt versichert wurde. Hätte eigentlich skeptisch machen sollen. Naja. Nach viel Aufregung und dramatischem Luftholen setzte Chris sich das Tässchen mit der schwarzen Brühe an die Lippen und nahm bedächtig einen kleinen Schluck in den Mund, spülte kennerhaft und stellte fest: Er hat keine Ahnung von Kaffee – und keinen Dunst, was da jetzt anders sein soll als beim normalen Kaffee. „Pffff, was für eine Enttäuschung – aber hey! Jetzt weiß ich, immerhin, dass ich sowas nun wirklich nicht brauche.“

Titra Empul

Wir kamen wieder an den Wassertempel und diesmal gingen wir hinein. Als wir eintraten mussten wir uns einen Sarong(?) nehmen und ihn uns um die Hüften wickeln, bevor wir zu den heiligen Quellen der Hindus gehen durften. Hier durften wir Hindus und neugierige Besucher dabei beobachten, wie sie an der rituellen Reinigung in den Quellen teilnahmen, sich an den Wasserspeiern wuschen, Räucherstäbchen entzündeten und kleine Opfer brachten. Durch tiefe Becken watend gingen die Besucher von einem Wasserspeier zum nächsten, um das Wasch-Ritual dort zu wiederholen, bis sie schließlich alle passiert hatten. Andere ließen in einem benachbarten Abschnitt des Tempels für sich beten oder nahmen an Gebeten teil. Wir indes – obgleich es Chris in den Fingern juckte, sich ins Wasser zu schmeißen und sich unter die Wasserspeier zu stellen und teilzunehmen, einfach um der Erfahrung willen – gingen durch den Tempel, inspizierten Brunnen und Skulpturen, beobachteten die Rituale und Gebete und fanden schließlich auch das Becken, das die heilige Quelle des Tempels fasste, die tatsächlich sehr schön anzusehen war. In dem Ziegelstein ummauerten Becken sprudelte Wasser durch den schwarzen Sand am Grund ins Becken und wirbelten den Sand in Wellen und Blasen immer wieder nach oben, wodurch der Boden in der Mitte des Beckens selbst zu brodeln schien. Als wir uns etwas von dem Wasser in eine Flasche füllten und tranken, war es tatsächlich sehr kühl, angenehm in Geschmack und erfrischend.

Wir zogen weiter, wurden am Ausgang noch in die Labyrinth gleichen Touri-Märkte geschickt, wo man uns allerlei andrehen wollte und schafften es schließlich zu und dann mit unserem Roller dem Kommerz an der heiligen Hindustätte zu entfliehen. Doch kamen wir nicht wirklich gut voran, denn wir hatten keinen Saft mehr auf unseren Geräten und wussten dementsprechend nicht recht wohin in dem unüberschaubaren Geflecht von Straßen, das zwischen Reisfeldern und Siedlungen an den Hängen hinab führt.

Mithilfe mehrere netter Einheimischer, die uns entweder führten oder anwiesen, schafften wir es nach einer etwas längeren Irrfahrt im Zwielicht der Dämmerung zum Mountain Garden zurück. Und da wir wussten wo wir jetzt hingehen würden und den Weg kannten, stand dem glorreichen Abschluss dieses erlebnisreichen Tages nichts mehr im Weg – und so schlemmten wir…

Die Rückreise antreten

In den nächsten Tagen würden wir wieder nach Java fahren, in Jakarta die Fähre nehmen, die einmal wöchentlich vom Hafen Tanjung Priok ablegte und mit ihr nach Batam und mit einer weiteren Fährfahrt nach Singapur zurückkehren, bevor wir zu unseren Rädern auf Penang (Malaysia) und schließlich nach Bangkok wieder gen Norden fuhren, um dort unsere Schlafsäcke und warmen Sachen abzuholen.

Also bestiegen wir am Mittag des 11. Februar den Bus von Mengwi nach Yogyakarta, fuhren über Nacht und kamen am frühen Morgen in der Großstadt Javas an. Nach etwas Besinnung und der Suche nach einer Unterkunft, brachen wir mit einem GRAB-Taxi auf. Die erwiesen sich durch die komfortable App und Preistransparenz als wirklich praktisch, um kürzere Distanzen zu überbrücken. So hatten wir inzwischen immerhin ein paar Wege gefunden, bezahlbar ohne Fahrräder von A nach B zu kommen.

An unserem recht günstigen aber doch auch schicken Bed and Breakfast angekommen, versuchten wir einfach mal unser Glück und traten ein. Die Tür ging auf und niemand war da. Also machten wir es uns am Tisch gemütlich, genehmigten uns schon mal vom Gratis-Kaffee und Tee und warteten darauf, dass Personal auftauchte, um unser Gepäck hier zu lassen und die Stadt zu erkunden bis wir einchecken durften. Als dann tatsächlich jemand kam durften wir jedoch direkt ein Zimmer beziehen, womit wir nicht gerechnet hatten und so legten wir uns – völlig fertig von der Nacht im Bus – doch noch mal schlafen. Zufrieden und mit dem dankbaren Gefühl drei Nächte für den Preis von zwei bekommen zu haben suchten wir uns schließlich um die Mittagszeit ein Café und brunchten ausgiebig. Zu Fuß machten wir uns schließlich auf den Weg durch die Stadt. Glücklicherweise waren die Füße schon etwas abgeheilt, was uns erlaubte, die kunstvoll mit Graffitis dekorierten Gässchen der Stadt zu erkunden. Wir wurden in Galerien geführt, wo wir uns Batik-Kunst ansahen (mehrfach), saßen mit den Rikschafahrern an Straßenecken, beobachteten die Leute und tanzten auf dem Bürgersteig mit den lustigen Einheimischen zur Musik aus deren Musik-Boxen.

Als wir die erste und schließlich die einzige historische Sehenswürdigkeit der Stadt besichtigten, wurden wir umsonst von einer jungen Tourismus-Studentin geführt, die mit den Führungen ihr Praxissemester füllte und gleichzeitig Englisch übte.

Die Sultansbäder waren jedoch nicht ganz so spannend, wie sich mit der jungen, gebildeten Muslima zu unterhalten, vom Studienleben und ihren Berufswünschen und -aussichten zu erfahren. Nachdem wir die Bäder der Frauen des Sultans, der Kinder des Sultans und das Privatbad des Sultans besucht hatten (wie langweilig), wurden wir wieder in einen Batik-Kunst-Shop gewunken. Da es zu Regnen begann, gingen wir kurz hinein. Hier konnten wir dann tatsächlich auch mal sehen, was es mit diesen „Batik-Gemälden“ auf sich hatte. Gehärtetes Leder wird in Form geschnitten und mit Mustern und entlang feiner Linien perforiert, welches schließlich als Schablone benutzt wird, um einen untergelegten Stoff mit Pigmenten einzufärben. Daneben wird mit Wachs gearbeitet, um den Stoff gezielt von Pigmenten frei zu halten.

Im Laden hätte Chris sich dann fast noch eine batikverzierte Holzmaske andrehen lassen, die er dann vorne an sein Rad montieren wollte. Aber auch von dieser vermeintlichen Geldverschwendung hielt Lisa Chris ab. Also gingen wir weiter und die junge Studentin führte uns, nun mit einem unserer Regenschirme bestückt, durch den Schauer weiter in einen Tunnel und hinab zu einem kreisrunden Raum, den sie uns als Underground-Mosque, als Untergrund-Moschee während des Krieges vorstellte.

Nach dieser netten Führung und dem netteren Gespräch mit Ririn, so der Name der Studentin, heftete sich ein Rikschafahrer an uns. Lisa unterhielt sich eine Weile mit ihm und schließlich bot er an, uns zum Bahnhof zu fahren und eine Stadtrundfahrt daraus zu machen, uns den Palast Keraton, das Silberhandwerk und den Vogelmarkt zu zeigen. Wir hatten keine Ahnung von all dem, doch der Preis von knapp 5 Euro für die sicher mehrstündige Fahrt klang für uns gut. Also schlugen wir ein, fuhren zur Bank, zum bereits geschlossenen Palast, zum Bahnhof. Wir kauften Tickets nach Jakarta für den übernächsten morgen und fuhren weiter zu den Silberwerkstätten.

Da wir uns vorstellten, es wäre eine Art Markt mit vor Ort arbeitenden Handwerkern waren wir erstmal ein wenig irritiert, als wir bei einem großen Juwilierladen hielten. Drin fanden wir dann aber tatsächlich beeindruckende Silberarbeiten aus gewobenen Silberdrähten und -fäden, Skulpturen, Schmuck und vieles mehr. Auch eine Werkstatt, in der man den Künstlern bei ihrer Arbeit zusehen konnte.

Bis auf Postkarten konnten wir uns hier allerdings eh nichts leisten und brauchen könnten wir hiervon ohnehin nichts auf unserer Reise. Also fuhr uns unser Rikschafahrer hin und her durch den verrückten Verkehr der Stadt zum sogenannten Vogelmarkt, der letzten Station der Rundfahrt. Das war jedoch eine eher traurige Angelegenheit – wie man es hätte erwarten können. Nicht, weil die meisten der Läden bereits geschlossen waren, sondern weil hier wirklich ein Verschlag neben den anderen voll mit Käfigen hing in denen kleine bunte Vögel ein trauriges Dasein fristen mussten und weiter hinten auch Hasen, Welpen und Katzen – offensichtlich aus Zuchten – in Käfige gesperrt darauf warteten, dass sich ein Käufer für sie entscheidet und sie endlich aus dem Miniknast befreit. Lisa hätte am liebsten die Kätzchen allesamt mitgenommen, aber wozu, wohin, mit welchem Geld und was dann? Ein schräges Geschäft. Wir machten, dass wir von diesem traurigen Ort wegkamen. Als uns der Rikschafahrer – was auch immer er an dem Ort fand – zurück Richtung Unterkunft fuhr und uns bei einem Restaurant ablud, wollte er dann statt der 75.000 Rupien, die er selbst für sein Angebot veranschlagte, mehr haben. Weil er so viel hin und her fahren musste, meinte er. Das allerdings wusste er allerdings schon vorher. Er bekam etwas mehr, aber scheinbar nicht soviel wie er sich erhoffte und fuhr etwas grummelig von dannen, was uns nun etwas grummelig machte, wo es doch immerhin seine Idee war, uns in der Stadt umher zu kutschieren. Nun gut…

Wir aßen – eher schlecht als recht – in dem vom Rikschafahrer empfohlenen Indonesier, aber immerhin bekam Chris so die Gelegenheit, der Durian – ja, der Stinkefrucht von der es hieß, dass er sie widerlich fand – eine zweite Chance zu geben. Und zwar als Nachtisch in einer Art Pudding. Schließlich aßen die Chinesen das Zeug ja auch warm. Vielleicht war es dann ja besser. Aber Pustekuchen. Nach dem ersten Löffel musste Chris sich zwingen zumindest die halbe Schale zu leeren, um kein schlechtes Gewissen zu haben, das ganze Gericht verschmäht zu haben.

Nur etwas weiter auf dem Heimweg entdeckten wir ein „mediterranes“ Restaurant. Dann gäbe es halt morgen gutes Essen..
(Kommentar: Apropos gutes Essen. Spätestens seit wir ohne Räder und Kochzeugs unterwegs waren, haben wir fast ausschließlich „auswärts“ gegessen. Oft war es günstig, oft war es dann auch gut. Immer wieder war es teurer, obwohl es dasselbe schon sehr viel günstiger gab und es war mies. Und manchmal – ja, zum Ende hin immer öfter, haben wir es uns für unser Budget eigentlich viel zu gut gehen lassen und irgendwo teuer eine Pizza gegessen. Wobei teuer in dem Fall 10 Euro für zwei plus Softdrink war und in Deutschen Preisrelationen spottbillig, vor allem für die Qualität. Aber wirklich leisten dürften wir uns das in Zukunft nicht mehr oft. Sind mal gespannt, ob wir von dem Luxus-Standard wieder runterkommen 😉 )

Wir unternahmen am nächsten Tag nichts – wäre ohnehin zu teuer gewesen, eine der Touren, die in der Unterkunft vermittelt wurden zu buchen. Auch der Eintritt zum berüchtigten Borobudur Tempel im Nordwesten der Stadt ist mit 20 Euro unterm Tag und 30 Euro pro Person zum Sonnenaufgang einfach völlig überteuert. Also ließen wir das – Angkor war sicher ohnehin eindrucksvoller. Dafür schliefen wir aus, führten unser Tagebuch, schrieben an diesem Blogeintrag und chillten, holten uns Essen ins Hotel und gingen am Abend nochmal fein aus, mit Jazzmusik, Salat und Pizzaschmaus zu guten Preisen. Der ruhige Tag tat gut und wir wussten, dass die kommenden Reisetage wieder Kraft und Nerven kosten würden. Also genossen wir…

Zurück nach Singapur

Wir fuhren Taxi, wir fuhren Zug, wieder Taxi, dann die Fähre, gingen zu Fuß und nahmen ein Schnellboot. Im Endeffekt könnte man es dabei belassen. Wir legten in 48h hunderte Kilometer über Java und das Meer zurück – furchtbar langsam verglichen mit einem Flug, furchtbar schnell, verglichen mit unseren Fahrradetappen. Wir hatten das auch eigentlich schon, die Zugfahrt, die Fährfahrt. Doch ist diesmal doch alles ein wenig anders. Vorher war ohne, jetzt ist mit – Covid19, das Coronavirus.

Laut offiziellen Angaben gibt es in Indonesien noch keine Fälle der neuartigen, sich schnell ausbreitenden Viruserkrankung – gut möglich, dass dies eher an den Diagnose-Möglichkeiten liegt als an einer magischen Schutzbarriere. Deshalb waren wir vorsichtig. Händewaschen, Mundschutz, Desinfektionsgel – und auf keinen Fall ins Gesicht fassen. Im Zug hatten wir uns noch nicht so unwohl gefühlt, doch wir wussten: Auf der Fähre würden wir mit hunderten Menschen auf engstem Raum unterwegs sein. Für 30 Stunden. Nicht zuletzt deshalb, aber auch weil wir diesmal zwei Nächte unterwegs sein würden, wollten wir lieber in einer Kabine bleiben und nicht Ekonomi im offenen Deck zwischen zig anderen einquartiert werden, noch dazu mit ekelhaften Sanitären anlagen.

Als wir nach einer schönen Zugfahrt mit tollen Aussichten und einer etwas merkwürdigen Taxifahrt mit einem Fahrer, der entweder dumm oder gierig war, ständig anhielt um nach dem Weg zu fragen, statt mein Navi anzunehmen und dabei dann den Taxometer laufen ließ und am Ende beim Bezahlen das doppelte des Taxometerpreises wollte, waren wir bei PELNI angekommen. Und dort ließen wir ihn dann mit dem Geld stehen, das ihm zustand. Idiot… Im Büro des Fährunternehmens mussten wir dann feststellen, dass die zweite Klasse, die nur etwas mehr kostete als Ekonomi und 4er-Kabinen hatte, geschlechtergetrennt organisiert war. Chris hätte sich auch auf die teureren Tickets der ersten Klasse eingelassen, doch für Lisa war das zu viel Geld. Also wieder Ekonomi. Als wir dann während des Einkaufs von Snacks, Mundschutz, Desinfektionsmittel und Wasser für die Fahrt nochmal drüber redeten, wollte Lisa doch auch mit der ersten Klasse fahren. Doch als wir fragten, ob wir tauschen konnten, war es bereits zu spät: maximal fünf Stunden vor Abfahrt konnten Buchungen geändert werden.

Das Boarding war diesmal recht entspannt und bereits um 22 Uhr lagen wir auf unseren liegen in einem Teil des Schiffes, das nur mit einfachen Liegen ausgestattet war, nicht mit Stockbetten. Und auch diese füllten sich nur zum Teil, bis das Schiff um 23:59 Uhr planmäßig ablegte. Es würde also immerhin etwas entspannter werden. Umgeben von einigen älteren Damen fühlten wir uns auch gar nicht so unwohl. Erst als einige Kakerlaken vorbeihuschten und einige der Damen unschön zu husten begannen wurde Chris wieder etwas flau und er hoffte und betete, dass sie sich hier nichts einfingen. Vor allem nicht ES.

Ay-Ay, Kapitän

Die Nacht war erwartungsgemäß wenig erholsam und der Tag wenig ereignisreich, bis wir am Nachmittag draußen saßen, die frische Luft genossen, Chips snackten und auf den Sonnenuntergang warteten. Als Chris dann mal auf Toilette ging und Lisa alleine an Deck blieb, wurde sie vom Winken und Rufen von der Brücke aus den Tagträumen gerissen. Ein Mann mittleren Alters in weißer Uniform winkte sie zu sich.

Etwas verwirrt blickte sie sich um. Konnte sie gemeint sein? Er nickte und winkte weiter. Offensichtlich wollte er, dass sie zu ihm kam. Lisa winkte ab. Erstens kam ihr das etwas komisch vor, zweitens wartete sie ja auf Chris. Der Mann in Uniform entschloss sich kurzerhand zu ihr zu gehen, wenn sie nicht zu ihm wollte. Er fragte wo sie herkam, stellte sich als Kapitän des Schiffes vor und fragte, ob sie mit ihm auf die Brücke kommen wolle. Sie erklärte ihm, dass sie noch auf ihren Mann wartete, als dieser – Gott sei Dank – gerade aus der Menge auftauchte und auf sie zukam. Direkt lud er uns beide auf die Brücke ein und nach einem kurzen Blickaustausch stimmten wir zu. So durften wir die Schaltzentrale dieses riesigen Schiffs erkunden, Fragen stellen, bekamen einen Tee und Kaffee und hörten viele Geschichten des Kapitäns, der schon alle Weltmeere bereist hatte. Eben dieses Schiff, auf dem wir gerade fuhren, hat er vor etwas mehr als 20 Jahren von einem deutschen Hafen abgeholt. Er erzählt von seiner Zeit in Deutschland, wie gut es ihm dort gefallen hat., als er in seiner sechsmonatigen Ausbildungszeit zum Schiff dort alle Ecken und Winkel studierte und wie es zu managen, steuern und zu pflegen sein würde. Außerdem erzählte er viel von seinem Leben als Christ im muslimischen Indonesien – wobei wir zugegebenermaßen wahrscheinlich nur die Hälfte verstanden, da sein englisch (wie er selbst beteuerte) etwas eingeschlafen war. (Vielleicht war das auch der Grund, warum er uns auf die Brücke holte und sich so lange mit uns unterhielt.) So lernten wir, dass der Norden Sumatras im Vergleich zu Java oder Lombok und dafür ähnlich wie Flores und Papua eher christlich geprägt waren.

Als krönenden Abschluss forderte er uns auf ihm unsere Essensmarken zu geben – wir bekamen ein Essens-Upgrate und die Erlaubnis unser Abendessen in der ersten Klasse zu uns zu nehmen. Da sagen wir doch nicht nein!

Die Zeit auf dem Boot verging recht schnell. Wir unterhielten uns mit unseren Bettnachbarinnen, Chris war neugierig und ging auf das Angebot einer Fußmassage eines urigen Indonesen ein, die sich seiner Meinung nach nicht wirklich lohnte. Vielleicht lag das auch an dem Geschwätz der Nachbarinnen, weswegen er sich schwer tat zur Ruhe zu kommen. Wir arbeiteten noch etwas an unserem Blog und versuchten etwas zu schlafen.

Batu Ampar, Batam

Am nächsten Morgen ging es dann früh raus. Um sechs Uhr legte die KM.KELUD am Hafen Batams an. Wir warteten ein wenig, bis der erste Menschenstrom von Bort ging und folgten dann unauffällig. So unauffällig wie es eben ging. An den Taxiständen stachen wir wohl immernoch zu sehr heraus. Dort mussten wir erneut etwas vehementer darauf bestehen, dass wir zwei gesunde Füße hatten, die wir zu gebrauchen dachten. Es funktionierte. Immerhin war der Hafen, von wo aus die Schnellboote nach Singapur ablegten nur ca. 2,5 km entfernt.

Vor einem Bäcker blieb Lisa stehen. Wir hatten zwar bereits auf dem Schiff noch etwas gefrühstückt, aber wir wussten, dass das Essen in Singapur noch einmal eine ganze Stange mehr Geld kosten würde. Vorausschauend wollte Lisa sich also noch mit ein paar Leckereien eindecken. Chris war unsicher, wollte er nicht den letzten 100.000 Rupien Schein anbrechen, den er in der Stadt gegen Singapur Dollar tauschen wollte. So standen wir unsicher vor dem Laden, bis Lisa ein Tablett schnappte und ein paar süße Stückchen einsammelte. Da passierte plötzlich etwas wunderbares: Ein Mann mittleren Alters, der mit seiner Frau und seinen zwei kleinen Töchtern in der Bäckerei frühstücken war, kam auf Chris zu erklärte, dass er uns einladen würde. Das war uns etwas unangenehm und wir sagten ab. Als wir zur Kasse kamen, um zu bezahlen, hatte der Mann jedoch schon mit der Kassiererin gesprochen und wir hatten keine Chance mehr unser Essen selbst zu bezahlen. Wir bedankten uns mehrfach bei dem Mann und erklärten wo wir herkamen und wo wir hinwollten. Beschwingt machten wir uns auf den Weg zum Schnellboot nach Singapur.

Zurück in Singapur, der reichen Tropenmetropole

Auf dem Weg bekam Chris nochmal Internetempfang und checkte seine Nachrichten. Wir hatten ein Déjà-vu: Eleane und Andi, die uns, als wir das letzte mal bei ihnen waren, einluden nochmal zu ihnen kommen zu können, schrieben uns, dass sie dieses Wochenende nicht in Singapur seien. Erneut ein Missverständnis (es muss an uns liegen), das dazu führte, dass wir obdachlos in Singapur landeten. Wir erinnerten uns daran, das Christiane, die Mama von Janina und Fabi uns aus Singapur geschrieben hat, als sie auf der Rückreise über Singapur nach Deutschland waren. Sie haben dort Freunde, bzw. Nachbarn von früher, die seit einigen Jahren in Singapur lebten. Diese haben die Bilder der Hochzeit gesehen und so von uns, den Fotografen, und unserer Reise erfahren. Christiane schrieb uns, dass falls wir einen Platz in Singapur bräuchten, wir uns gerne bei ihnen melden könnten. Das kam uns in diesem Fall natürlich recht und wir schrieben Janina, die sich zu diesem Moment in Singapur bei den Ex-Nachbarn Simone und Burkard aufhielt. Dana und Janina waren ebenfalls auf dem Weg nach Deutschland, um dort eine zweite Hochzeitsfeier für Familie und Freunde zu feiern. Auf dem Weg dorthin steuern sie gerne Singapur an und bleiben eine Weile bei Simone und Burkard. Wie gesagt, wir schrieben Janina von unserer Lage und fragten, ob das Angebot der Ex-Nachbarn noch stünde. Janina schrieb einigermaßen verwirrt zurück. Simone konnte sich nicht an ein solches Angebot erinnern, nahm uns jedoch gerne zu sich auf. Das Gästezimmer war zwar belegt, aber ein Platz auf dem Boden könnten sie anbieten. Die ganze Sache war uns dann natürlich recht unangenehm, aber sie versicherten uns, dass es wirklich kein Problem sei, uns aufzunehmen. Etwas beruhigt machten wir uns in Singapur zu unseren Spontangastgebern auf.

So schick wohnen die Expats 🙂

Die wohnten – wie sollte es anders sein – in einem wunderschönen Wohnkomplex mit riesig großem Pool. Nachdem wir uns vorgestellt und bedankt hatten, gingen wir mit Janina und Dana in ein etwas teureres Hawkercenter, bewusst nicht nach little India, da die Angst vor dem Covid19 am Sonntag Nachmittag bei großen Menschenmengen doch zu groß war. In Singapur gibt es offiziell mehr als 70 Fälle. Jeden Tag um ca. 19 Uhr gibt es ein Update der Zahlen: Neuinfizierte, vom Krankenhaus oder der Intensivstation entlassene. Man kann ganz genau nachvollziehen wo sich wer angesteckt hat uns so checken, ob man evtl. selbst in Gefahr sein könnte sich angesteckt zu haben. Es war nicht direkt Panik zu spüren, jedoch Vorsicht und Besorgnis. Die U-Bahnen und Busse wurden alle zwei Stunden desinfiziert, es wurden täglich Warnungen herausgegeben, viele Leute liefen mit Mundschutz durch die Gegend, Handdesinfektionsgel und Mundschutz waren in den allermeisten Läden ausverkauft.

Vor der Abfahrt von Batam nach Harbourfront wurden wir noch mal gecheckt – Kein Fieber, immerhin 😉

Wir genossen dennoch unsere Zeit in Singapur, gingen am Montag erneut indisch Essen – diesmal im Hawkercenter little India, das Montags weniger besucht war. Wir schlenderten durch die Malls und kauften unsere Bustickets für die Fahrt zurück nach Penang, bzw. Balik Pulau wo unsere Fahrräder sehnlichst auf uns warteten.

Das schönste an diesem Singapur Besuch war die Gemeinschaft. Es war schön noch zwei Tag mit Dana und Janina zu verbringen und es war schön Simone und Burkard kennenzulernen – zwei herzliche und hilfsbereite Menschen. Mit Simone unterhielten wir uns lange und gut und es fühlte sich so an, als hätten wir in ihr, wenn auch nur kurz eine Art Mutter-Ersatz gefunden, so sehr umsorgte und verpflegte sie uns. Jeden Morgen gab es frisches Baguette und Croissants vom Bäcker, der Kühlschrank war voll mit Obst, Butter, Eiern, Marmeladen, Frischkäse und Scheibenkäse, Joghurt und und und. Das Leitungswasser war wieder trinkbar. Wir waren erneut im Paradies gelandet. Dementsprechend schwer fiel uns der Abschied von Janina und Dana, von Simone und Burkard, von Singapur und all dem Luxus, den diese Stadt zu bieten hat. Bis wir wieder in Deutschland sein würden müssten wir uns wohl nochmal auf einen anderen Standard einlassen – einen sehr viel einfacheren.

Penang – Wiedersehn mit unseren Rädern

Wiedersehn macht Freude! Kurz Zuhaus im Titi Teras Village House, Balik Pulau

Mittlerweile sind wir nach einer sehr langen Busfahrt mitten in der Nacht wieder im Titi Teras Village House angekommen, in welchem wir bei unserem letzten Aufenthalt unsere Fahrräder gelassen haben. Es fühlte sich ein bisschen an wie Nach-Hause-Kommen, weil wir schon einmal hier waren, in diesem gemütlichen Radfahrer-Hostel. Gerade sind wir damit beschäftigt den Blog fertig zu stellen ;), die Räder klar zu machen und unsere Sachen wieder in Ordnung zu bringen. Nebenbei essen wir und lassen es uns auch ein wenig gut gehen. Lisa ist schon etwas aufgeregt was die weitere Reise mit dem Fahrrad angeht – sind doch gefühlt alle Muskeln wieder abgebaut… Aber wie es weiter geht, erfahrt ihr dann beim nächsten Mal. Bis dahin: bleibt gesund (und betet, dass wir es auch bleiben 😉 ).

Wir grüßen euch ganz herzlich und freuen uns darauf euch bald wieder zu sehen. Danke dass ihr so treu dabei seid und unsere Einräge lest. Wie immer: wir freuen uns über Kommentare und Rückmeldungen. Es ist schön zu sehen, dass ihr mit dabei seid und der oft tagelange Prozess so eines Eintrags sich nicht nur für uns als Reflektion lohnt. 🙂

Radlos am Reisen – Die Erste

Singapur (19.-22.01.2020)

Sie ist reich. Sie ist sauber. Sie ist schön. Sie ist reich. Sie ist bunt. Sie ist vielfältig und offen. Sie ist westlich und gleichzeitig asiatisch. Und falls ich es noch nicht erwähnt habe: sie ist reich. Singapur ist eine Stadt der Extreme.

Wir kamen recht früh am morgen mit dem Nachtbus in Singapur an. Schon bei der Fahrt durch die Stadt wurde uns bewusst: Singapur ist anders als die asiatischen Städte in denen wir bisher waren. Die Sauberkeit, die Architektur, Gärten und Parks, all das überwältigte uns – lies uns glauben in eine andere Welt einzutauchen. Wir fühlten uns ein wenig an die Finanzmetropole Frankfurt erinnert, wobei Singapur Frankfurt leicht in den Schatten stellen kann.

Ausgespuckt vom Bus in der Nähe des arabischen Viertels, hier die Masjid Sultan Moschee
Die Kunstinstallation erinnerte etwas an Harry Potter und könnte so vor dem Zaubereiministerium hängen/fliegen

Einige Tage bevor wir nach Singapur fahren wollten, hatten wir bereits nach Übernachtungsmöglichkeiten Ausschau gehalten. Mit Erfolg – so schien es – denn wir hatten einen Warmshowers Host gefunden, der uns für ein paar Nächte aufnehmen wollte. Dementsprechend entspannt waren wir, als wir aus dem klimatisierten (und viel zu kalten) Bus ins heiß-schwüle Singapur traten. Auch wenn wir recht müde waren, machten wir uns mit unserem leichten Gepäck zu Fuß auf in die Richtung unserer Gastgeber. Da es Sonntagmorgen war, wussten wir nicht so recht um wie viel Uhr es angebracht wäre, dort aufzutauchen. Also schrieb Chris vorausschauend noch im Bus eine Nachricht, um das abzuklären. In Singapur angekommen, waren wir dann ohne Internet und dachten es wäre das beste eine Mall aufzusuchen. Denn die bietet vieles: eine Toilette, Waschbecken zum Gesicht waschen und Zähne putzen, Läden, in denen wir Frühstück besorgen könnten und höchstwahrscheinlich auch eine Fastfoodkette mit freiem WLAN. Gesagt getan. Wir stiegen ein in die Welt des Konsums und es war etwas überfordernd, aber auch wunderschön. All die gut gekleideten, gut riechenden Menschen, die vielen Bäckereien und Restaurants, die ihre Köstlichkeiten in Auslagen oder auf Hochglanzplakaten zur Schau stellten, die Parfümerien, die betörende Düfte in bunten, schicken Fläschchen anboten, all das genossen wir.

Zumindest für kurze Zeit – leisten konnten wir uns hier so gut wie nichts. Wir holten uns beim Bäcker etwas süßes und im Supermarkt einen Saft. In der Parfümerie sprühten wir uns mit Probefläschchen ein und gingen dann vor die Mall, um uns auf eine Mauer vor dem Springbrunnen zu setzen, die Kinder zu beobachten und unser Frühstück zu verzehren.

Alles war gut – bis Chris sich in die das freie WLAN des großen Ms einwählte und eine Nachricht von unseren Gastgebern bekam. Unsere Gastgeber, waren zwar noch Gastgeber, aber nicht mehr unsere. Wie sich herausstellte muss es ein Kommunikationsproblem (oder was auch immer) gegeben haben. Sie schrieben, dass sie, da wir uns nicht mehr zurück gemeldet hätten, davon ausgegangen waren, dass wir nicht kommen würden. Das wunderte uns sehr, da wir uns sehr wohl und zwar auch recht zügig dafür bedankt hatten, dass wir zu ihnen kommen dürften und uns darauf freuten sie kennen zu lernen. Jedenfalls hatten sie in der Zwischenzeit wohl schon einem anderen Fahrradfahrer zugesagt und dadurch keinen Platz mehr für uns.

So standen wir in der reichen, schönen und gleichsam teuren Finanzmetropole Singapur, ohne Dach über dem Kopf. Wir waren im ersten Moment natürlich etwas geschockt, sind wir doch mit so vielen positiven Gefühlen und Eindrücken in diesen Stadtstaat gekommen. Da es jedoch nicht das erste Mal auf unserer Reise war, dass wir spontan umdenken und eine Unterkunft suchen mussten, fassten wir uns schnell. Wir suchten im Internet nach Möglichkeiten, schrieben Leute an, die Leute kannten und hofften, dass sich eine Tür dort auftut, wo diese eben zugegangen war. Nachdem wir all die Möglichkeiten ausgeschöpft hatten, die uns auf Anhieb eingefallen waren, entschlossen wir uns uns nicht die Stimmung vermiesen zu lassen und uns die Stadt anzuschauen. Wir packten unsere sieben Sachen und zogen weiter. Wir schafften es sogar noch bis zum Marina Sands Bay, erblickten die Supertrees und wurden darin bestätigt in einer völlig anderen Welt gelandet zu sein.

Nachdem wir durch den kleinen «Hafen», an der lotusförmigen Kunstgalerie und durch das Marina Sands Hotel geschlendert waren, unseren Blick eine Weile über die außerirdischen Supertrees schweifen ließen und ordentlich über all das staunten (Was des koscht!) was wir da sahen, machten wir uns mit der U-Bahn in Richtung Kirche. Immerhin war Sonntag und wir hatten gedacht, es wäre schön mal wieder in einen Gottesdienst zu gehen. Gesagt getan: wir schafften es rechtzeitig zum fünf Uhr Gottesdienst der «All Nations Church» und nachdem wir mit Hilfe von Grace den Eingang (bzw.das richtige Stockwerk) des Saals gefunden hatten, durften wir im tiefgekühlten und mit Scheinwerfern beleuchteten Saal Lobpreis, Gottesdienst und Gemeinschaft genießen.

Nun gut, Lisa genoss es während Chris, der übel geschafft war, Mühe hatte nicht einzuschlafen und sich wegen der Klimaanlage in mehrere unserer laotischen Tücher mummelte. Wir wurden im Nachgang noch mit Kaffee, Haferdrink und allerlei Süßkram versorgt, den man uns – nachdem wir unsere Geschichte erzählt hatten – geradezu aufdrängte. Und mit der Fähre würden wir fahren! Da waren einige der Anwesenden etwas sprachlos, schließlich waren wir hier nicht nur in der Stadt der Superreichen, sondern auch in der Stadt der wohl am meisten mit dem Flieger herumbummelnden Menschen der Welt. Schließlich waren wir voll bepackt mit Instant-Kaffee, Gebäck, Keksen, Safttütchen und was man nicht noch alles hier auf Lager hatte, als wir schließlich von einem der lieben Gottesdienstbesucher in ein viel zu schickes Auto gepackt und zu unserer nächsten und letzten Station des Tages gebracht wurden: den neuen Warm-Showers Hosts, die noch kurz vor Gottesdienstbeginn eine Whats-App Nachricht durchschickten, dass wir gerne bei ihnen unterkommen dürften.

Als wir bei Andi und Eleana ankamen, war erst unser Spontan-Chauffeur und schließlich auch wir etwas irritiert: eine private Wohnanlage. Unsere Gastgeber müssten superreich sein, dachten wir. Wir klingelten kurz durch und schließlich ließ uns Andi aufs Grundstück. Er holte uns unten ab, wo wir uns noch herzlich von dem Ehepaar verabschiedeten, das die letzte Stunde regelrecht über uns brütete, und dann ging es mit dem Fahrstuhl nach oben. Weit nach oben…

Andi und Eleana sind nicht superreich, es war Ausländern nur nicht gestattet in den günstigeren Öffentlichen Wohnhäusern zu leben (oder so ähnlich). Jedenfalls waren sie superlieb, interessiert und interessant und so verbrachten wir den Sonntag Abend gemeinsam und bis spät in die Nacht quatschend auf dem Balkon über der Metropole. Wir bekamen sogar noch Eintopf, der insbesondere Chris so dermaßen an Zuhause erinnerte, das wir uns spätestens jetzt wie daheim fühlten. Nicht zuletzt auch, weil Andi einen sehr schönen fränkischen Akzent spricht. Es war schön, deutsch zu reden, mit Gleichgesinnten, aufgeräumt und versorgt zu sein. Und das waren wir – es gab sogar einen Pool im 1. Stock! Und ein Bett in einem kleinen, schönen Gästezimmer, in das wir uns schließlich erschöpft und überwältigt fallen ließen und seelig einschliefen…

Es war so herrlich in dieser schönen Wohnung, hoch über dem Geschehen der Stadt, in frisch bezogenen Bettlaken, mit offenem Fenster und wehenden Vorhängen, dass wir es nicht schafften aufzustehen, bzw. wollten wir das auch gar nicht. Bis ca. 12 Uhr blieben wir liegen, bevor wir uns aufrafften, eine Kleinigkeit frühstückten (waren wir doch gut versorgt worden am Tag zuvor) und frisch geduscht die Stadt unsicher machten. Großzügig wie Eleana und Andi waren, liehen sie uns ihre Räder und so hatten wir das Privileg, trotz zurückgelassener Fahrräder, Singapur doch mit unserem liebsten Fortbewegungsmittel zu erkunden.

Über 70 Prozent der Einwohner Singapurs sind Chinesen. Außerdem gibt viele Inder und etwas weniger Malay, ca ein Prozent sind Menschen anderer Nationalität. Nicht nur an den Moscheen, hinduistischen Tempeln und Kirchen spiegelt sich die Vielfalt wieder, es werden auch die Feste der unterschiedlichen Religionen, Kulturen und Nationalitäten ernst genommen und als Feiertage gefeiert. So wird das Ende des Ramadan genauso gefeiert wie Weihnachten oder das chinesische Neujahrsfest.
Hindutempel in little india

Aber zuerst verschlug es uns erneut in eine Mall. Man muss dazu wissen, dass Malls, so schick und schön wie es sie in jeder mittelgroßen Stadt in Deutschland gibt, hier an jeder Straßenecke zu finden sind. Wir gingen zu der mit einem der vier Drecathlons in der Stadt, denn wir hatten entschlossen, dass doch viele unserer Radklamotten mittlerweile ziemlich ausgedient hatten, durch das ständige tragen und waschen sehr verblichen und löchrig waren. Der Konsumzwang holte uns auch hier ein.

Da wir gelernt hatten, dass Essen hier teuer ist, es aber günstige Alternativen in Hawkercentern gab, wussten wir, welchen Ort wir als nächstes ansteuerten: Das Hawkercenter in little India! Dort gab es leckere Roti und Naan sowie Currys und Daals und Dinge, die uns vorher nichts sagten, aber trotzdem lecker schmeckten :).

Günstig und gut im Hawkercenter in little India essen

Danach machten wir uns mit dem Rad auf den Weg zu den Supertrees. Jeden Abend gibt es dort eine Lichtshow mit klassischer Musik, die man, so versichterte man uns, erlebt haben sollte. Die erste Show um 19:45 bekamen wir nur zur Hälfte mit und das auch nur aus der Ferne, da man aufgrund der Sitzenden, Schauenden und Staundenden kaum in die Nähe der leuchtenden Konstruktionen kam. Für die zweite Vorstellung jedoch waren wir dann rechtzeitig da, konnten einen Sitzplatz in der Mitte ergattern und dem Spektakel in aller Ruhe folgen. Es war bezaubernd schön.

Es dauerte eine ganze Weile, bis wir den Weg durch die Stadt, am Wasser entlang, zurück zur Wohnung von Eleana und Andi fanden. Dort angekommen quatschten wir noch eine Weile mit Andi und fielen dann erneut in tiefen, ruhigen Schlaf.

Am nächsten und letzten vollen Tag in der Weltmetropole machten wir: nichts. Na gut, stimmt nicht ganz. Jedenfalls machten wir nicht viel. Wir aßen, schrieben am Blog, suchten Bilder heraus, gingen fürs Abendessen einkaufen und kochten. Es gab: tatatataaaaaaaaa (Trommelwirbel!!): Kartoffelauflauf! ICH LIEBE ES. Es war als würden wir zuhause für Freunde kochen (immerhin hatten wir einen Ofen!) und wir freuten uns auf den gemeinsamen Abend mit Andi und Eleana. Die kamen recht spät (wobei das wohl normal ist) und auch erschöpft von der Arbeit und freuten sich über das Essen, das bereits auf dem Tisch stand und auf sie wartete. Die beiden erzählten von ihrem Leben in Singapur und wie abgehoben vieles hier ist. Die Arbeitseinstellung der Singapurianer z. B. Scheint ziemlich erschreckend zu sein. Die Arbeit ist das Leben. Es geht viel darum zu arbeiten, Geld zu verdienen und dann zeigen zu können, was man sich leisten kann. Es geht um Konsum. Da kommt man in dieser Stadt gar nicht drum herum. Und das ist anstrengend. Vor allem, wenn man eigentlich eine andere Einstellung zum Leben hat.