Kurz vor Abreise

„Kannste mal nen Text schreiben? Wenn du ein Bild von den Fahrräden möchtest, kann ich dir noch den Stick holen“, sprach der Mann hinter mir. So einfach ist das aber gar nicht. Der letzte Eintrag vor der großen Reise. Ja, was schreibt man da? Ich weiß, warum der Chris lieber die letzten wichtigen Dokumente einscannt.

Spaß bei Seite. Haben wir an alles gedacht? Wohl kaum. Habe ich realisiert, dass es bald losgeht? So langsam. Sind wir aufgeregt? Ja, ein bisschen. Ehrlich gesagt hat das Verdrängen bisher ganz gut funktioniert bei mir. Jetzt ist der letzte Abend angebrochen und morgen setzen wir uns aufs Rad und fahren los. Natürlich freue ich mich auch. Frei sein, in den Tag hineinleben, am Tag bei Sonnenschein und Rückenwind Fahrradfahren, am Abend am Lagerfeuer sitzen, schöne Sonnenuntergänge beobachten. Das ist die schöne Vorstellung von dem wie es werden könnte. Dazu gesellt sich auch eine vielleicht etwas realistischere Erwartung: Es wird mitunter kalt und hoffentlich wird es auch mal regnen (die Natur, Land und Menschen brauchen es), es wird Gegenwind geben und wir fahren bestimmt nicht immer nur bergab. Ich bin lang genug mit Chris verheiratet, um zu wissen, dass ich ihn und er mich irgendwann auch ziemlich annervt. Es wird nicht immer alles nach Plan ablaufen – zu gut, dass ich keinen habe :). Je nachdem mit wem man sich unterhält – und wir haben uns in letzter Zeit mit vielen, für uns sehr wichtigen Menschen, unterhalten – sieht das Feedback ganz ähnlich aus. Die einen schwärmen, würden am liebsten mit uns fahren (ihr seid herzlich dazu eingeladen), die anderen können es weniger verstehen, bewundern es aber doch ein bisschen und ich weiß nicht, ob im Hintergrund vielleicht gar Wetten abgeschlossen werden wie lange wir das durchhalten :). Ihr merkt: es schlagen zwei Herzen in mir und der Aufbruch ist recht zwiespältig – ich kann euch aber auch beruhigen: die Vorfreude überwiegt.

Sie überwiegt auch deshalb, weil ich weiß, dass wir nicht alleine sind. Wir sind gesegnet mit einer wunderbaren Familie, mit den besten Freunden der Welt. Wir leben sehr priviligiert – wenn man sich vorstellt, dass ich einfach einen festen Job kündigen kann, um (erstmal) auf unbestimmte Zeit reisen zu gehen. Wir haben ein tolles Gesundheitssystem und können gesund und wohlgenährt in dieses Abenteuer starten. (Ich hatte da so eine Strategie: Einfach essen auf was ich Lust habe und so viel ich möchte, Sport brauche ich erstmal nicht. Immerhin fahren wir ja dann mit dem Rad und ein bisschen Fettpolster können da ja nicht schaden. Heute am Tag vor der Abfahrt weiß ich nicht, ob das die beste Idee war). Wir haben Eltern, die uns in jeder Lebenslage unterstützen würden. Selbst wenn sie ans andere Ende der Welt fliegen müssten, um uns aus dem Schlamassel zu holen. Wie viel Abenteuer ist denn da noch dabei? Was kann uns passieren? Wir werden es ausprobieren. Und wir werden an Grenzen kommen – Ländergrenzen, aber auch an köperliche, menschliche und emotionale Grenzen. In all dem wissen wir auch, dass wir auch damit nicht alleine sind – Gott geht mit uns. Vielleicht freue ich mich gerade deshalb auf die Herausforderungen der Reise. Ich freue mich an den Punkt zu kommen, selber nicht mehr weiter zu wissen und nur durch Gottes Hilfe einen Weg zu finden. Nun gut – wir wollen ihn nicht herausfordern 🙂 Vielleicht so viel als Antwort auf das, was mir kurz vor der Reise durch den Kopf geht.

Wir haben lange nichts mehr von uns hören lassen. Das lag daran, dass wir mit Abschiedsfeier auf der Arbeit (traurige Angelegenheit – ich vermisse sie schon sehr), Hofflohmarkt, Verabschiedung und Auszug aus Eberswalde (die Abschiedsfeier ist aufgrund von Krankheit abgesagt worden, was aber nicht alle aufgehalten hat zu kommen :)) beschäftigt waren. Nach dem Umzug gabs recht viel Orgakram zu erledigen und wir haben lieben Menschen in Stuttgart, Freiburg, der schwäbischen Alb und Würzburg einen Besuch abgestattet. Es war richtig toll alle (naja fast alle) liebgewonnen Freunde und die Familie wieder zu treffen. Jetzt sind wir seit eineinhalb Wochen zurück im Frankenland. Es ist tatsächlich so schön hier, dass sogar Chris meint, er könnte auch gerne einfach hier bleiben.

Nix da! Jetzt sind alle Taschen gepackt (ganz schön schwer so ein Rad mit vier Gepäcktaschen – und der Lisa drauf). Morgen gehts los wir melden uns dann von unterwegs 🙂