Urlaubsfeeling (Kolobrzeg-Gdansk)

Wir grüßen euch, ihr schönen Menschen!

Stimmengewirr, Geschirrgeklapper, Sonnenschein, gepflasterte Fußgängerzone, Glockenläuten, Tourigruppen, Tourigruppen, Tourigruppen. Wir könnten gerade auch in der Bamberger Fußgängerzone sitzen und den Blog schreiben. Tatsächlich sind wir jedoch in Danzig und haben uns in genau das gleiche Café gesetzt, in dem wir letztes Jahr bei unserem Kurzbesuch vor grausigem Wetter Unterschlupf gesucht und gefunden hatten bevor wir weiter nach Warschau fuhren. Damals noch mit dem Auto. Heute haben wir diesen ganzen weiten Weg bis hier her mit dem Fahrrad bewältigt. Nur haben wir ganz leicht länger gebraucht, wobei der Zeitunterschied kaum nennenswert ist. 🙂 Nachdem wir bei unserem letzten Warmshowers Gastgeber eine gute Nacht hinter uns haben (super liebes älteres Pärchen), haben wir überlegt, dass wir uns doch noch etwas Zeit nehmen, um die Stadt zu erkunden. Kurz kam etwas nervöse Stimmung auf, weil wir überlegen mussten, wo es denn dann heute noch hingeht und wie weit wir es heute wohl schaffen werden, wenn wir so viel rumtrödeln und noch einen Blogeintrag schreiben. Die Vorstellung in einem Café zu sitzen und die Zeit zu genießen, hat dann aber doch gesiegt und wir werden einfach schauen, wo wir die nächste Nacht schlafen. Ich denke wir dürfen lernen mehr den Moment zu genießen und darauf vertrauen, dass wir versorgt werden.

Was ist sonst noch interessantes passiert? Die täglichen Streckenabschnitte wurden etwas kürzer. Die Gründe dafür sind vielfältig. Es gibt in Polen super schöne, wunderbar ausgebaute Radwege und es gibt ausgeschilderte Radwege, die ich als schöne Wanderwege bezeichnen würde, die ich aber selbst ohne Gepäck und mit Mountainbike nicht unbedingt entlangradeln würde. Wie weit man an einem Tag kommt, hängt von vielen Faktoren ab. Wie früh kommt man los? Bei uns ist das meist sehr spät (siehe heute :)). Wie sind die Wege? Hast du Gegenwind oder schmerzende Knie? Hattest du eine gute Nacht und gut gefrühstückt? usw.

Jaja, die Wege…

Dementsprechend sind wir am ersten Tag nach Kolberg (unser letzter Blogeintrag) gerade mal knappe 40km weit gekommen – kalt, Gegenwind, Hunger, mimimi.. 😉 . Als wir am Abend in regnerischer Frische das Zelt nicht wieder aufstellen wollten, gönnten wir uns tatsächlich mal ein Appartment bei Camping Rodzinny für umgerechnet 32 Euro für zwei Nächte – und legten einen Pausetag ein. Hier konnten wir mal wieder alles waschen und richtig kochen – was für uns echt wichtig ist! Und so hatten wir sogar Zeit mal einen Finanzplan zu erstellen. Leider muss ich sagen, dass die 100€ in der Woche ziemlich utopisch wenig sind. Tja, aber vielleicht wird es etwas günstiger sobald wir aus der touristischen Zone raus und von der Küste weg sind. Denn, wie wir in der drauf folgenden Nacht feststellen mussten, die wir nahe Jaroslaviec in den Dünen verbrachten, ist das mehr als streng verboten (!). Zwei ältere Polen, die uns entdeckten, kamen am Abend zu uns, um uns darauf hinzuweisen, WIE verboten das ist – und uns dann mit Taschenmessern Äste von den umliegenden Büschen schnitten, um unser Zelt zu verstecken. „It is too visible!“, so die sachkundige Meinung. Und sie seien „chilled“, aber andere wären eher „concerned“ oder korrekt. Nun ja, wir sind an zwei nette, wenn auch etwas unheimliche Gesellen geraten, aber trotz Nervosität ist uns die ganze Nacht niemand mehr begegnet.

Entsprechend unausgeschlafen ging es schließlich nach einem Frühstückstelefonat mit Jannik und Clara (www.velokitchen-on-tour.blogspot.com) weiter von Jaroslaviec nach Rowy, wo wir uns nach einem wunderschönen Wegabschnitt auf einem alten Bahndamm (oder ähnlichem) und anschließendem grauenhaften Ritt über Betonplatten und viel Sand (auch das ist der R10) auf der Suche nach einem Campingplatz wiederfanden. Als wir noch überlegten, wohin es gehen sollte, setzte ein heftiger Starkregen ein und wir konnten uns gerade noch unter ein Restaurant-Vorzelt retten, wo wir mit einer älteren Dame im Plastikponcho eine ganze Weile warten mussten, bis der Wolkenbruch vorüber war.

Auf nassen Matschwegen tiegerten wir nun, entschlossen doch nicht mehr weiterzuradeln, auf Zeltplatzsuche weiter durch den Ort Rowy. Als wir in einen einbogen, der mir auf der Karte (Osmand) angezeigt wurde, wurden wir erst von dem Müllhalden-Charme, dann von einer verrückten alten Lady vom Grundstück gejagt. Sie wollte eigentlich, dass wir bleiben, aber das so beharrlich, dass wir das beharrlicher NICHT wollten. Hat nur noch gefehlt, dass sie mit Katzen um sich wirft.

Als Chris bei einem Appartment-Vermieter nach dem Preis fragte, wurden wir von einem alten Polen angesprochen, der kaum ein Wort mit uns wechseln konnte, aber uns per Zeichensprache und Handydisplay zu verstehen gab (naja, retrospektive hat es Sinn gemacht), wo wir heute Nacht für 40 Sloty schlafen könnten. Das ist der Preis für einen Campingplatz, doch er führte uns zu einer befreundeten Zimmervermietung im Ort. Ostflair pur, auch nicht 40 sondern 80 Sloty, aber wir hatten trockene Betten und darauf kam es dem etwas jammrigen Chris in dem Moment an. Und da er am nächsten Tag Geburtstag hatte, sei es ihm gegönnt. 🙂

20. Mai. Chris hat Geburtstag, aber viel geändert hat das am Tagesablauf nicht. Wir schwangen uns morgens, nach einem leckren Frühstück am Strand, wieder auf die Räder und hatten – passend zum Glückstag – einen richtig sonnigen Ritt auf halbwegs anständigen Wegen vor uns. So sonnig, das wir uns tatsächlich Sonnenbrand holten – wie schön! Mittagessen am Vogelbeobachtungsturm südwestlich des Lebaer Bodden, von wo man die majestätischen Wanderdünen bereits sehen konnte, die wir gen Abend ansteuerten. Doch vorher gab es eine richtig krasse Route durch Morast und kaputte Brücken zu bewältigen. Gelegentlich gab es auf dem Streckenabschnitt (immernoch R10!) Stege – also, alle 10 Meter. Aber dann gab es auch immer wieder 10 Meter Morast zu queren. Warum baut man nicht einfach einen durchgängigen Steg?! Auch Klaus, den wir zuletzt in Darlowo sahen, erzählte uns, dass er sich diesen Streckenabschnitt durchquälte – der Arme mit seinem Riesengepäck!

Die Brücke am Ende des Morastes

Am Abend mussten wir, nach all dem Sonnenschein dennoch schnell sein, um unser Zelt auf dem Zeltplatz aufzustellen, denn es kam Regen auf. Auf dem Platz landeten wir witzigerweise wieder bei Klaus, mit dem wir uns dann über die Fahrt hierher und die kommenden Etappen austauschen konnten. Dort haben wir ihn dann leider auch das letzte Mal bis jetzt gesehen. Er hatte vor mit der Fähre von der Halbinsel Hel nach Danzig zu fahren. Am Tag drauf, nach einigen Recherchen unterwegs, konnten wir ihm dan mitteilen, dass diese Fähre erst im Juni regelmäßig fahren würde. Er hat dennoch eine Lösung gefunden. Krasser Typ halt. Wir hatten unser Camp in Wladislawowo aufgeschlagen, etwa 70km von unserem Ziel Gdansk(Danzig) entfernt. Hier, an einem wunderschönen und leeren Campingplatz oberhalb einer Steilküste legten wir wiedermal einen Tag Pause ein, um Unterwäsche und Räder wieder sauber zu kriegen. Vor allem letzteres hat in den vorangegangenen Tagen stark gelitten durch all den Matsch und Sand. Bis wir die Ketten und alles wieder sauber hatten, uiuiui.

Pausetag: Waschen und putzen

Die zweite Hälfte des Tages genossen wir am Strand, der trotz knallender Sonne immer wieder von Nebelschwaden überschwappt wurde, die es vom Meer an Land drückte.

Gestern haben wir es dann endlich nach Gdansk geschafft und konnten – das ERSTE MAL auf unserer Reise einen ganzen Tag Rückenwind und gute Wege nutzen. Wir waren so schnell in Gdansk, dass wir noch viel Zeit hatten, Ausrüstung im Outdoorshop zu besorgen sowie ein leckeres Essen am Strand zu genießen, bevor wir zu unseren WarmShowers Gastgebern Luiza und Tomasz einkehren konnten. Das sind wundervolle Leute! Nicht nur, dass sie uns ihre Auszieh-Couch wundschön herrichteten. Nein, Snacks, Melonen, Wein, Kerzen, Handtücher – alles war wundervoll vorbereitet. Wir waren total gerührt und vom 10. Stock in der Platte recht beeindruckt. Das Pärchen, das uns hier so schön umsorgte ist bereits etwas älter und hat selbst seine Hochzeitsreise auf dem Rad verbracht (1300km entlang der Westgrenze Polens) – und sogar eine Rad-Hochzeit gehabt! Da waren einfach ALLE mit dem Fahrrad da! Total cool… 🙂 Sie haben uns ausgiebig Fotos davon gezeigt.

Heute sind wir dann – früh von der Sonne geweckt – nach einem Plausch mit Luiza und Müsli schon um 9:00Uhr losgekommen, haben aber eine ganze Stunde gebraucht um unseren Weg in die Altstadt zu finden. So durcheinander! Es gibt hier in Danzig super Radwege, aber manchemal enden die sehr aprubt und ohne Ersatz. Das ist total verwirrend und auf Dauer etwas lästig. In der Altstadt angekommen erwarteten uns Fluten von Touristen – und das obwohl die Saison noch gar nicht begonnen hat! Leider ist die Auswahl an englischer oder deutscher Literatur hier sehr beschränkt, weshalb wir leider ohne Buch wieder aus der einzigen Buchhandlung stolperten. Bevor wir aber auch Danzig hinter uns lassen, wollten wir uns unbedingt noch eine Kleinigkeit hier gönnen – und da sind wir jetzt und genießen veganen Chai Latte und vegane Torte im selben Café, das wir schon vor einem Jahr hier besuchten. Hier schließt sich der Kreis.

Jetzt soll es aber gleich nach Malbork (Marienburg) weitergehen. Mal sehen, ob wir da heute noch ankommen. Ihr werdet es dann hier erfahren 🙂

Bis dahin, alles Gute euch!