Radlos am Reisen – Die Erste

Singapur (19.-22.01.2020)

Sie ist reich. Sie ist sauber. Sie ist schön. Sie ist reich. Sie ist bunt. Sie ist vielfältig und offen. Sie ist westlich und gleichzeitig asiatisch. Und falls ich es noch nicht erwähnt habe: sie ist reich. Singapur ist eine Stadt der Extreme.

Wir kamen recht früh am morgen mit dem Nachtbus in Singapur an. Schon bei der Fahrt durch die Stadt wurde uns bewusst: Singapur ist anders als die asiatischen Städte in denen wir bisher waren. Die Sauberkeit, die Architektur, Gärten und Parks, all das überwältigte uns – lies uns glauben in eine andere Welt einzutauchen. Wir fühlten uns ein wenig an die Finanzmetropole Frankfurt erinnert, wobei Singapur Frankfurt leicht in den Schatten stellen kann.

Ausgespuckt vom Bus in der Nähe des arabischen Viertels, hier die Masjid Sultan Moschee
Die Kunstinstallation erinnerte etwas an Harry Potter und könnte so vor dem Zaubereiministerium hängen/fliegen

Einige Tage bevor wir nach Singapur fahren wollten, hatten wir bereits nach Übernachtungsmöglichkeiten Ausschau gehalten. Mit Erfolg – so schien es – denn wir hatten einen Warmshowers Host gefunden, der uns für ein paar Nächte aufnehmen wollte. Dementsprechend entspannt waren wir, als wir aus dem klimatisierten (und viel zu kalten) Bus ins heiß-schwüle Singapur traten. Auch wenn wir recht müde waren, machten wir uns mit unserem leichten Gepäck zu Fuß auf in die Richtung unserer Gastgeber. Da es Sonntagmorgen war, wussten wir nicht so recht um wie viel Uhr es angebracht wäre, dort aufzutauchen. Also schrieb Chris vorausschauend noch im Bus eine Nachricht, um das abzuklären. In Singapur angekommen, waren wir dann ohne Internet und dachten es wäre das beste eine Mall aufzusuchen. Denn die bietet vieles: eine Toilette, Waschbecken zum Gesicht waschen und Zähne putzen, Läden, in denen wir Frühstück besorgen könnten und höchstwahrscheinlich auch eine Fastfoodkette mit freiem WLAN. Gesagt getan. Wir stiegen ein in die Welt des Konsums und es war etwas überfordernd, aber auch wunderschön. All die gut gekleideten, gut riechenden Menschen, die vielen Bäckereien und Restaurants, die ihre Köstlichkeiten in Auslagen oder auf Hochglanzplakaten zur Schau stellten, die Parfümerien, die betörende Düfte in bunten, schicken Fläschchen anboten, all das genossen wir.

Zumindest für kurze Zeit – leisten konnten wir uns hier so gut wie nichts. Wir holten uns beim Bäcker etwas süßes und im Supermarkt einen Saft. In der Parfümerie sprühten wir uns mit Probefläschchen ein und gingen dann vor die Mall, um uns auf eine Mauer vor dem Springbrunnen zu setzen, die Kinder zu beobachten und unser Frühstück zu verzehren.

Alles war gut – bis Chris sich in die das freie WLAN des großen Ms einwählte und eine Nachricht von unseren Gastgebern bekam. Unsere Gastgeber, waren zwar noch Gastgeber, aber nicht mehr unsere. Wie sich herausstellte muss es ein Kommunikationsproblem (oder was auch immer) gegeben haben. Sie schrieben, dass sie, da wir uns nicht mehr zurück gemeldet hätten, davon ausgegangen waren, dass wir nicht kommen würden. Das wunderte uns sehr, da wir uns sehr wohl und zwar auch recht zügig dafür bedankt hatten, dass wir zu ihnen kommen dürften und uns darauf freuten sie kennen zu lernen. Jedenfalls hatten sie in der Zwischenzeit wohl schon einem anderen Fahrradfahrer zugesagt und dadurch keinen Platz mehr für uns.

So standen wir in der reichen, schönen und gleichsam teuren Finanzmetropole Singapur, ohne Dach über dem Kopf. Wir waren im ersten Moment natürlich etwas geschockt, sind wir doch mit so vielen positiven Gefühlen und Eindrücken in diesen Stadtstaat gekommen. Da es jedoch nicht das erste Mal auf unserer Reise war, dass wir spontan umdenken und eine Unterkunft suchen mussten, fassten wir uns schnell. Wir suchten im Internet nach Möglichkeiten, schrieben Leute an, die Leute kannten und hofften, dass sich eine Tür dort auftut, wo diese eben zugegangen war. Nachdem wir all die Möglichkeiten ausgeschöpft hatten, die uns auf Anhieb eingefallen waren, entschlossen wir uns uns nicht die Stimmung vermiesen zu lassen und uns die Stadt anzuschauen. Wir packten unsere sieben Sachen und zogen weiter. Wir schafften es sogar noch bis zum Marina Sands Bay, erblickten die Supertrees und wurden darin bestätigt in einer völlig anderen Welt gelandet zu sein.

Nachdem wir durch den kleinen «Hafen», an der lotusförmigen Kunstgalerie und durch das Marina Sands Hotel geschlendert waren, unseren Blick eine Weile über die außerirdischen Supertrees schweifen ließen und ordentlich über all das staunten (Was des koscht!) was wir da sahen, machten wir uns mit der U-Bahn in Richtung Kirche. Immerhin war Sonntag und wir hatten gedacht, es wäre schön mal wieder in einen Gottesdienst zu gehen. Gesagt getan: wir schafften es rechtzeitig zum fünf Uhr Gottesdienst der «All Nations Church» und nachdem wir mit Hilfe von Grace den Eingang (bzw.das richtige Stockwerk) des Saals gefunden hatten, durften wir im tiefgekühlten und mit Scheinwerfern beleuchteten Saal Lobpreis, Gottesdienst und Gemeinschaft genießen.

Nun gut, Lisa genoss es während Chris, der übel geschafft war, Mühe hatte nicht einzuschlafen und sich wegen der Klimaanlage in mehrere unserer laotischen Tücher mummelte. Wir wurden im Nachgang noch mit Kaffee, Haferdrink und allerlei Süßkram versorgt, den man uns – nachdem wir unsere Geschichte erzählt hatten – geradezu aufdrängte. Und mit der Fähre würden wir fahren! Da waren einige der Anwesenden etwas sprachlos, schließlich waren wir hier nicht nur in der Stadt der Superreichen, sondern auch in der Stadt der wohl am meisten mit dem Flieger herumbummelnden Menschen der Welt. Schließlich waren wir voll bepackt mit Instant-Kaffee, Gebäck, Keksen, Safttütchen und was man nicht noch alles hier auf Lager hatte, als wir schließlich von einem der lieben Gottesdienstbesucher in ein viel zu schickes Auto gepackt und zu unserer nächsten und letzten Station des Tages gebracht wurden: den neuen Warm-Showers Hosts, die noch kurz vor Gottesdienstbeginn eine Whats-App Nachricht durchschickten, dass wir gerne bei ihnen unterkommen dürften.

Als wir bei Andi und Eleana ankamen, war erst unser Spontan-Chauffeur und schließlich auch wir etwas irritiert: eine private Wohnanlage. Unsere Gastgeber müssten superreich sein, dachten wir. Wir klingelten kurz durch und schließlich ließ uns Andi aufs Grundstück. Er holte uns unten ab, wo wir uns noch herzlich von dem Ehepaar verabschiedeten, das die letzte Stunde regelrecht über uns brütete, und dann ging es mit dem Fahrstuhl nach oben. Weit nach oben…

Andi und Eleana sind nicht superreich, es war Ausländern nur nicht gestattet in den günstigeren Öffentlichen Wohnhäusern zu leben (oder so ähnlich). Jedenfalls waren sie superlieb, interessiert und interessant und so verbrachten wir den Sonntag Abend gemeinsam und bis spät in die Nacht quatschend auf dem Balkon über der Metropole. Wir bekamen sogar noch Eintopf, der insbesondere Chris so dermaßen an Zuhause erinnerte, das wir uns spätestens jetzt wie daheim fühlten. Nicht zuletzt auch, weil Andi einen sehr schönen fränkischen Akzent spricht. Es war schön, deutsch zu reden, mit Gleichgesinnten, aufgeräumt und versorgt zu sein. Und das waren wir – es gab sogar einen Pool im 1. Stock! Und ein Bett in einem kleinen, schönen Gästezimmer, in das wir uns schließlich erschöpft und überwältigt fallen ließen und seelig einschliefen…

Es war so herrlich in dieser schönen Wohnung, hoch über dem Geschehen der Stadt, in frisch bezogenen Bettlaken, mit offenem Fenster und wehenden Vorhängen, dass wir es nicht schafften aufzustehen, bzw. wollten wir das auch gar nicht. Bis ca. 12 Uhr blieben wir liegen, bevor wir uns aufrafften, eine Kleinigkeit frühstückten (waren wir doch gut versorgt worden am Tag zuvor) und frisch geduscht die Stadt unsicher machten. Großzügig wie Eleana und Andi waren, liehen sie uns ihre Räder und so hatten wir das Privileg, trotz zurückgelassener Fahrräder, Singapur doch mit unserem liebsten Fortbewegungsmittel zu erkunden.

Über 70 Prozent der Einwohner Singapurs sind Chinesen. Außerdem gibt viele Inder und etwas weniger Malay, ca ein Prozent sind Menschen anderer Nationalität. Nicht nur an den Moscheen, hinduistischen Tempeln und Kirchen spiegelt sich die Vielfalt wieder, es werden auch die Feste der unterschiedlichen Religionen, Kulturen und Nationalitäten ernst genommen und als Feiertage gefeiert. So wird das Ende des Ramadan genauso gefeiert wie Weihnachten oder das chinesische Neujahrsfest.
Hindutempel in little india

Aber zuerst verschlug es uns erneut in eine Mall. Man muss dazu wissen, dass Malls, so schick und schön wie es sie in jeder mittelgroßen Stadt in Deutschland gibt, hier an jeder Straßenecke zu finden sind. Wir gingen zu der mit einem der vier Drecathlons in der Stadt, denn wir hatten entschlossen, dass doch viele unserer Radklamotten mittlerweile ziemlich ausgedient hatten, durch das ständige tragen und waschen sehr verblichen und löchrig waren. Der Konsumzwang holte uns auch hier ein.

Da wir gelernt hatten, dass Essen hier teuer ist, es aber günstige Alternativen in Hawkercentern gab, wussten wir, welchen Ort wir als nächstes ansteuerten: Das Hawkercenter in little India! Dort gab es leckere Roti und Naan sowie Currys und Daals und Dinge, die uns vorher nichts sagten, aber trotzdem lecker schmeckten :).

Günstig und gut im Hawkercenter in little India essen

Danach machten wir uns mit dem Rad auf den Weg zu den Supertrees. Jeden Abend gibt es dort eine Lichtshow mit klassischer Musik, die man, so versichterte man uns, erlebt haben sollte. Die erste Show um 19:45 bekamen wir nur zur Hälfte mit und das auch nur aus der Ferne, da man aufgrund der Sitzenden, Schauenden und Staundenden kaum in die Nähe der leuchtenden Konstruktionen kam. Für die zweite Vorstellung jedoch waren wir dann rechtzeitig da, konnten einen Sitzplatz in der Mitte ergattern und dem Spektakel in aller Ruhe folgen. Es war bezaubernd schön.

Es dauerte eine ganze Weile, bis wir den Weg durch die Stadt, am Wasser entlang, zurück zur Wohnung von Eleana und Andi fanden. Dort angekommen quatschten wir noch eine Weile mit Andi und fielen dann erneut in tiefen, ruhigen Schlaf.

Am nächsten und letzten vollen Tag in der Weltmetropole machten wir: nichts. Na gut, stimmt nicht ganz. Jedenfalls machten wir nicht viel. Wir aßen, schrieben am Blog, suchten Bilder heraus, gingen fürs Abendessen einkaufen und kochten. Es gab: tatatataaaaaaaaa (Trommelwirbel!!): Kartoffelauflauf! ICH LIEBE ES. Es war als würden wir zuhause für Freunde kochen (immerhin hatten wir einen Ofen!) und wir freuten uns auf den gemeinsamen Abend mit Andi und Eleana. Die kamen recht spät (wobei das wohl normal ist) und auch erschöpft von der Arbeit und freuten sich über das Essen, das bereits auf dem Tisch stand und auf sie wartete. Die beiden erzählten von ihrem Leben in Singapur und wie abgehoben vieles hier ist. Die Arbeitseinstellung der Singapurianer z. B. Scheint ziemlich erschreckend zu sein. Die Arbeit ist das Leben. Es geht viel darum zu arbeiten, Geld zu verdienen und dann zeigen zu können, was man sich leisten kann. Es geht um Konsum. Da kommt man in dieser Stadt gar nicht drum herum. Und das ist anstrengend. Vor allem, wenn man eigentlich eine andere Einstellung zum Leben hat.

Eine Antwort auf „Radlos am Reisen – Die Erste“

  1. Wow, jetzt hat Euch der Konsum wieder voll im Griff!!! Aber ich denke die Erinnerungen an Eure einsamen Zeiten der Reise werdet Ihr bald herbeisehnen und sie werden Euch ein Leben lang begleiten. Alles Gute mit herzlichen Grūßen Marie-Luise

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