Unsere Reise zu und auf dem Ho-Chi-Minh-Trail (08.12.2019-21.12.2019)
Ihr schönen Menschen,
es ist einige Zeit vergangen seitdem wir am 08. Dezember unsere tollen Kollegen, die Büffel, Schweine, Hunde, Katzen, Kaninchen, Hühner sowie das schöne Luang Prabang hinter uns gelassen haben. Ein kleiner Spoiler: mittlerweile sind wir in Singapur, eine ganze Ecke weiter südlich.
Saisamone und die nächtliche Rettung
Es fiel uns nicht leicht die Büffelfarm zu verlassen und das lag vor allem an den Beziehungen, die in einer doch recht kurzen Zeit schon entstanden sind. Es tat uns sehr gut wieder Teil einer Gemeinschaft zu sein, einen mehr oder weniger geregelten Tagesablauf und eine Aufgabe zu haben. Wir hatten einen sehr schönen letzten Abend mit unseren Volontärs-Kollegen und einen recht ruhigen letzten Tag auf der Farm, bevor wir am Sonntag Abend noch den Nachtbus nach Vientiane, in die Hauptstadt Laos‘, nahmen. Am Busbahnhof angekommen standen wir dann jedoch kurzzeitig vor einem kleinen Problem – die Räder passten nicht in unseren Bus, der Busfahrer sprach kaum englisch und verwies uns auf den Bus neben an. Der Bus nebenan konnte mit uns und unserem Ticket nichts anfangen und verwies uns zurück. So ging das hin und her und wir bekamen langsam Panik, dass wir mit den Rädern hierbleiben müssten und dann tauchte plötzlich Saisamone, unsere liebe Kollegin von der Büffelfarm, hinter uns auf. Dazu müsst ihr wissen, dass Saisamone in einem Gebäude gegenüber der Farm wohnt, die Farm aber einige Kilometer von Luang Prabang und dem Busbahnhof entfernt liegt. Wir hatten am Nachmittag noch gescherzt, dass sie doch einfach ein paar Sachen packen und mit uns mit kommen könnte. Sie hat zugesagt und wir haben es nicht ernst genommen – doch dann stand sie unerwarteter Weise dennoch da, am Busbahnhof in Luang Prabang am späten Abend.
Leider hatte sie nicht vor mit uns mitzukommen. Sie hatte vergessen uns ihr Abschiedsgeschenk zu geben und ist deshalb noch einmal zum Busbahnhof gefahren. Ich hab fast Tränen in den Augen bekommen vor Rührung. Feierlich überreichte sie uns einen Schal, den ihre Mutter selbst gewebt hat. Und dann: tataaaa! Regelte sie die Fahrrad-Bus-Problematik gleich für uns mit. Die Räder kamen in den einen Bus, wir in den anderen. Die Busse würden eine halbe Stunde nacheinander abfahren und so könnten wir einfach in Vientiane auf die Räder warten. Hörte sich nach einem plausiblen Plan an, obwohl wir die Räder mit samt all unseren Taschen mit einem etwas komischen Gefühl abgaben.
Bus, Rad, Bus, Rad, Tuktuk gen Süden
Eine Nachtfahrt mit wenig Schlaf begann. Um 6:30 Uhr kamen wir in Vientiane an, warteten auf unsere Räder und waren plötzlich unsicher, ob wir wirklich an der Endhaltestelle ausgestiegen waren, denn der Bus mit unseren Rädern kam und kam nicht. Nach über einer Stunde Verzögerung fragten wir nach. Am Schalter konnten sie uns keine weiteren Auskünfte geben und übermüdet wie wir waren bekamen wir etwas Stress – bis dann der Bus mit unseren Rädern in den Busbahnhof einfuhr. Wir waren noch nie so froh einen Bus zu sehen, den wir nicht mal nehmen wollten.
Die Räder waren noch heil, die Taschen vollständig und wir machten uns auf den Weg zum nächsten Busbahnhof – 15 km um die Stadt herum. Denn vom Südbahnhof aus erhofften wir uns einen Bus zu den Kong Lor Caves nehmen zu können. Am Südbahnhof angekommen fanden wir heraus, dass es an diesem Tag keinen Bus mehr zu den Kong Lor Caves geben würde – der Bus der fahren sollte ist leider kaputt gegangen und wurde nicht ersetzt. Jedoch fuhr ein Bus ins 40 km entfernte Nahin und den nahmen wir dann. Die Räder wurden in gewohnter Weise einfach auf den Bus geschnallt. So saßen wir dann knapp 7 Stunden zwischen vielen Einheimischen und ein paar anderen Touristen eingequetscht, denn jeder Platz wurde ausgenutzt, freie Flächen (die ich nicht mehr als frei betitelt hätte) mit Plastikhockern ausgefüllt. Kurz nach Abfahrt sprang ein Mann mit einem brecht verschmusten Kampfhahn in den Bus und setzte sich zwischen die zwei Männer hinter mir auf den Sitz, der Mann und der Hahn machten es sich auf meiner Lehne gemütlich und ein anderer Mann setzte sich mit seinem Plastikstuhl vor mich auf die Trittfläche. Jedes mal wenn der Mann mit dem Hahn wegdämmerte und sich seine liebevolle Umarmung um den Hahn lockerte, machte der sich daran an meinen Klamotten herum zu picken. Aber kein Problem: in der nächsten Pinkelpause tauschte ich einfach meinen Platz mit dem von Chris und das Problem war gelöst – nun ja, zumindest für mich.
Recht erschöpft kamen wir in Nahin an. Das Tuktuk, welches angeblich den ausgefallen Bus ersetzen sollte, kam jedoch auch nicht und da es bald dunkel wurde zögerten wir die 40 km mit dem Rad zu fahren. Gut Ding will Weile haben und warten lohnt sich – wir haben uns schon entschlossen doch noch auf die Räder zu steigen, als das Tuktuk kam und uns samt Räder zu einem günstigen Hotel brachte und da haben wir das Tagesziel dann doch noch erreicht.
Tag 1 auf unserem Trail-Abenteuer:
Kong Lor Cave – Mit den Rädern über den unterirdischen Fluss.
Am Morgen bevor wir unsere weitere Radreise antreten wollten trafen wir auf drei Schweizer Mädels, die Chris bereits auf der Farm hatte bewirten dürfen. Sie fuhren den hießigen „Loop“, eine mehrtägige Rundtour, mit dem Motorroller. Sie erzählten uns von der schönen Landschaft auf dem Weg östlich um die Höhle herum und wir überlegten bereits, ob die Umfahrung – besonders aufgrund der „Sandroads“ auf der anderen Seite der Höhle – nicht die bessere Option wäre. Doch wir blieben bei unserem Plan: wir würden es uns nicht nehmen lassen, unser Ho-Chi-Minh-Trail Abenteuer mit einer irren Höhlenfahrt durch die sieben Kilometer Lange Kong Lor Höhle zu beginnen.
Es war ein Abenteuer für sich, die voll beladenen Fahrräder in die Höhle zu bringen und sie auf die kleinen, schmalen, hölzernen Motorboote zu verladen. Die Fahrt durch die Höhle mit dem Spaziergang durch einen Wald aus Stalagmiten und Stalaktiten war magisch und wunderschön. Eine Höhle wie aus einem Film. Eine Höhle wie die, in der Jack Sparrow seinen Schatz verstecken würde.
Wir passierten auf unserem finsteren Weg über den schwarzen Fluss, über den die schmalen Lichtkegel der Kopflampen zuckten, um die spitzen Steine knapp über und unter der Wasseroberfläche auszumachen, lange 5 bis 10 Meter hohe Tunnel und immer wieder Kammern, deren Decke unser Lampenschein kaum erreichte. In den vielen Kurven des sich windenden Stromes hingen die Lenker unserer Räder regelmäßig ins Wasser und immer wieder bekamen wir mit, dass die Steuermänner, die uns in den zwei Langbooten durch den Fluss manövrierten, mit kleinen Eimern Wasser aus dem Boot schöpften, während sie bereits die nächste enge Kurve um einen Fels oder einen Baumstamm einleiteten.
Als wir bereits in der Ferne Tageslicht durch den Höhlenausgang schimmern sahen, mussten die Boote noch eine enge Stromschnelle passieren. Nachdem Chris‘ Rad dabei fast aus dem Boot gefallen wäre, entschieden wir uns mein Rad über die nassen Felsen zu tragen, um es nicht zu verlieren. Ich war froh das Tageslicht wieder zu sehen. Nach einem weiteren halben Kilometer Flusslauf landeten wir rechts am Ufer an, hievten Taschen und Räder durch Schlamm und Sand watend an Land und bedankten uns bei unseren Fährmännern für die sichere Überfahrt.
Aus dem dunklen Nass in den heißen Staub – Back on the Road, Baby!
Nach diesem kleinen, eher nassen Abenteuer begann der sehr trockene Abschnitt unserer Reise durch die abgelegenen Regionen Laos‘. Auf Staubpisten ging es durch einfache, recht ärmliche Dörfer. Die Kinder winkten und grüßten überall. Manche liefen uns hinterher. Andere streckten uns beim Vorbeifahren die Zunge heraus. Später sollten wir noch erklärt bekommen, dass das wohl daran liegt, dass die Menschen in den abgelegenen Regionen kaum Ausländer zu Gesicht bekommen und um sicherzustellen, dass sie nicht vom vorbeifahrenden Geist verflucht werden, strecken sie zur Sicherheit die Zunge heraus. Aus diesem Grund ist es wichtig mit den Menschen zu reden, damit sie wissen, dass man kein Geist ist. Logisch, oder? Ich hoffe wir haben die Leute nicht zu sehr verschreckt. 🙂
Kurz vor Sonnenuntergang kamen wir vor dem einzigen steileren Berg der Tagesetappe an und während die Straßen bisher in recht gutem, schlaglochfreiem Zustand waren und die Sandpisten besser zu befahren waren, als gedacht, kamen wir jetzt zu dem Endgegner des Tages. Es ging steil bergauf, die Straße wurde zunehmend sandig, bzw. lag Zentimeter hoher Pulver auf den Wegen.
Fahren wurde unmöglich – selbst für Chris. Also stiegen wir vom Rad und schoben. Aber selbst das war extrem schweißtreibend und wir kamen nur Zentimeter um Zentimeter voran, wenn wir nicht gerade abrutschten und rückwärts rollten. Meine Beine taten weh und meine Arme auch. Irgendwann in der Dämmerung kam dann ein Pickup an uns vorbei, den Chris zum Halten brachte. Die Vietnamesen, die darin scheinbar geschäftlich unterwegs waren, hatten große Freude daran, uns aus der Patsche zu helfen. Radfahren ist echt schön, aber es gibt Momente, in denen es nichts schöneres gibt, als in einem klimatisierten Geländewagen zu sitzen und sich keine Gedanken darüber machen zu müssen, wie man die nächsten drei Stunden überleben soll, während der Ehemann hinten mit den Rädern auf der Ladefläche sitzt und lauthals Dankeslieder singt. Und als hätte es uns nicht besser treffen können, hielten unsere Retter in der Not direkt vor dem einzigen Gästehaus im nächsten Dorf (Nakay), weil auch sie dort ein Zimmer nehmen wollten. Super happy trugen wir unsere Taschen einfach vom Pickup ins Zimmer, wo wir kurze Zeit später die Stimmen der Schweizerinnen im Nachbarzimmer ausmachen konnten. Allerdings waren die nur noch zu zweit unterwegs, da eine der dreien vom Roller fiel und sich das Schlüsselbein brach. Für sie war die Reise in Laos damit beendet. Die beiden anderen – Sina und Davia – trafen wir dann später bei den 4000 Inseln noch einmal. Aber zuerst gingen wir gemeinsam Essen, auch um das Geschehene verarbeiten zu können. Es traf sich also gut, dass ein paar Laoten und Vietnamesen gerade mit ihrem Pickup auf dem Weg zum nächsten Restaurant war (5 km Entfernung) und kurzerhand anboten uns auf der Ladefläche mitzunehmen. Es gab Reis und Fleisch und Herz und das Finale des Asiacups – Vietnam gegen Indonesien. Vietnam gewann und alle waren glücklich.
Tag 2 auf dem Ho-Chi-Minh-Trail
Am nächsten Morgen war dann erstmal Räderputzen angesagt, denn die Ketten quietschen bedrohlich vom gestrigen Pulverweg. Wir starteten also spät, besorgten uns auf dem Weg etwas zu Essen, einen billigen Lautsprecher für die Motivation und Luft für die Reifen. Mit prallen Rädern und Musik passierten wir auf dem Weg Richtung Grenze zu Vietnam eine schaurig-gruslige, pechschwarze und schmale Höhle, in die sich selbst Chris nur zwanzig Meter weit hinein traute, bevor er mit aufgestellten Nackenharren, den Schein seiner Taschenlampe nur widerwillig von den ungewissen Untiefen der Höhle abwendend, wieder herauseilte. Zum Glück hatte er noch seinen Radlerhelm auf, sonst wäre das eilige Verlassen der niedrigen Höhle zumindest schmerzhaft geworden.
Am Abend bogen wir dann in einige Timber Plantations nördlich unserer Route ab und beschlagnahmten eine abgelegene Stelzenhütte, befreiten sie von Spinnen und Skorpionen und schlugen unser Zelt darin auf, bevor wir zum gemütlichen Tagesausklang noch ein paar Fertignudeln verputzten.
Ehrlich gesagt gruselte es mich schon ziemlich in Laos, oder gerade auf dem Ho-Chi-Minh-Trail, zu campen, da noch so viele nicht explodierte Bomben (UXOs) im Untergrund schlummern. Wir fuhren auf unserer Reise an unzähligen Bombenkratern vorbei und es begegneten uns mehrere Bombenentschärfungstrupps (MAG – Mines Advisory Group). Umso erfreuter waren wir über die kleinen auf Stelzen gebauten Hütten, die überall nahe der Felder bzw. Straßen zu finden waren. Sie schützten uns davor ungewollt unser Zelt auf Bomben aufzuschlagen oder überraschenderweise eine Schlange im Schlafsack vorzufinden.
Tag 3 auf dem Ho-Chi-Minh-Trail: Sturmmasken, Schulkinder und nasse Füße
Nach einer recht ruhigen Nacht begann der Tag mit entferntem Büffel-… quicken (man muss es selbst gehört haben). Wir sahen sie noch im Nebel über der Piste verschwinden auf der wir hergekommen waren, bevor wenige Minuten später die ersten Traktoren und Roller vorbeituckerten. Dabei ergab sich ein etwas bizarres Bild: Eine Frau mit AK Sturmgewehr, einem Kleinkind und einer weiteren Frau auf dem Roller fuhr an uns vorbei. Etwas erleichtert waren wir, da beide Frauen unter ihren Sturmhauben freundlich lächelten und winkten.
Unsere Mittagspause verbrachten wir in einem kleinen Ladenlokal neben der örtlichen Grundschule. Während wir Reis, Ei und Kohl verputzten musterten uns die 15 Schüler, die im Laden ihre Mittagspause verbrachten, ununterbrochen. Wir versuchten zu erklären wo wir herkamen, dass wir mit dem Fahrrad und dem Zug hierhergekommen sind. Wie viel sie davon verstanden – keine Ahnung. Auf jeden Fall war es witzig und günstig und lecker. Und genug war’s auch.
Nachdem wir nicht in den Gusthouses an der Grenze zu Vietnam übernachten wollten, obgleich wir eine Dusche bitter nötig gehabt hätten, fuhren wir etwas weiter, um außerhalb der Kleinstadt ein Platz für unser Zelt zu finden. Nach einer weiteren Höhle und einer spannenden Flussüberquerung, wo Straße, bzw. Brücke nicht mehr vorhanden waren und Chris blauäugig annahm, er könnte einfach durchfahren, bauten wir unser Zelt wieder auf einer Stelzenhütte auf und stellten seine Schuhe zum Trocken in den warmen Wind.
Tag 4 auf dem Ho-Chi-Minh-Trail: Langbootfähre und Rohrschellenbohrer
Am nächsten Morgen stellten wir fest, dass alles staubig war auf unserem Stelzenhüttchen. Der aufgewirbelte Staub von den vorbeifahrenden Traktoren, Rollern, Autos und LKWs (von denen es nicht viele, aber immer mal wieder welche gab), wehte beständig in unsere Richtung und der Wind legte sich kaum. Wir fuhren 25 km in die nächste Kleinstadt. Zwischendrin war eine Brücke einfach weggebrochen und eine provisorische Fähre mit drei Langbooten eingerichtet worden. Kurz vor der Stadt brachen die Rohrschellen, die Chris‘ Vorderradgepäckträger am Rad hielten. Bei den Schotterpisten und Schlaglöchern war die Frage ohnehin wann, nicht ob das passieren würde. Wir waren ohnehin erstaunt, dass uns die Bastelei aus dem Hause Schnaus in Haßfurt überhaupt soweit brachte.
Wir fuhren bis zur nächsten Autowerkstatt. Die konnten uns Rohrschellen verkaufen und halfen Löcher für die Befestigung zu bohren. Das dauerte eine Weile und kostete einige zerbrochene Rohrschellen. Bis wir die Gepäckträger wieder angeschraubt hatten, haben sich etwa 30 Kinder um uns versammelt, mucksmäuschenstill und schauten uns zu, was wir so treiben. Wir kamen uns vor wie die spannendste TV-Sendung.
Fertig von den Aufregungen der letzten Tage suchten wir uns direkt vor Ort ein Guesthouse und ein Restaurant, wuschen uns und unsere Klamotten. Um neun Uhr waren wir im Bett – fix und fertig.
Tag 5 auf dem Ho-Chi-Minh Trail: Tag der dummen Entscheidungen
Wie so oft auf der Reise waren wir zwar schon recht früh auf, kamen aber erst erheblich später los. Wir machten uns bereit für die staubigen Pisten und die erbarmungslos knallende Sonne. Fürs Mittagessen besorgten wir uns Sticky Rice, Bananen und Pomelo. Chris sah beim Einstellen des Navis, dass es eine sehenswerte Höhle in der Nähe gab und war etwas frustriet und genervt, dass wir uns den Tag nicht frei nahmen, um die Höhle zu erkunden. Da wir jedoch über die nächsten Tage hinweg noch ein paar Hundert Kilometer Strecke auf dem Trail machen und die letzten Tag mit unserem Visa im Inselparadies Si Phan Dons an der Kambodschanischen Grenze haben wollten, fuhren wir weiter. Mit Hinblick darauf, was uns noch bevorstünde, wäre es vielleicht die bessere Entscheidung gewesen zu den Höhlen zu fahren. Wobei es erstmal recht harmlos, wenn auch anstrengend weiterging.
Mittags machten wir Pause an einem sehr schönen Bach, sahen eine große Schlange im Wasser, die uns vom Baden abhielt und genossen dafür Reis und Früchte und winkten den vorbeifahrenden Traktor-, Roller- und den wenigen Autofahrern zu.
Wir radelten weiter, immer leicht bergauf, wurden eingestaubt, schwitzten. Die abgelegenen Dörfer – sicher einige der abgelegensten in Laos – wurden immer ärmlicher und die Reaktionen ihrer Einwohner waren verhaltener als wir es bisher aus Laos kannten. In einem Dorf blieb ich stehen und verteilte die restlichen laotischen Bücher von BigBrotherMouse, einem Verlag aus Luang Prabang, der als einziger Verlag Kinderbücher in laotischer Schrift druckt. Wir haben ein paar dieser Bücher gekauft und in den Dörfern verteilt, in der Hoffnung, dass die Kinder Freude am lesen und vorlesen entwickeln. Kinder und vor allem auch Eltern haben die Bücher sehr interessiert und begeistert entgegen genommen. Chris fand es einen etwas seltsamen Move, als Falang (westliche Ausländer, wörtlich Franzosen) einfach anzuhalten und Geschenke zu verteilen. Aber gut, hoffen wir, dass die Kinder dennoch daran Spaß haben.
Kurz danach passierte es dann: Chris‘ Gangschaltung gab wieder einmal den Geist auf. Diesmal schien die Feder im hinteren Umwerfer nicht ausgerastet, sondern tatsächlich gebrochen zu sein – sie lies sich nicht wieder aufziehen. Chris machte kurzerhand aus seinem Rad ein Fixie (Rad mit nur einem Gang), dass jedoch nicht funktionierte, da die Kette immer wieder durchrutschte. Da wir uns in dem Dorf nicht wirklich willkommen fühlten, wollten wir die restlichen 30 km bis zur nächsten Kleinstadt noch schaffen.
Dummerweise war es bereits 17 Uhr und nur noch eine halbe Stunde hell. Also schleppte ich Chris die nächsten 20 km ab. Wobei er bei größeren Steigungen vom Rad sprang und das Fahrrad den Berg hochschob. Nach kurzer Zeit war ich extrem durchgeschwitzt. Chris wollte tauschen und mein Rad fahren, um selbst abzuschleppen, aber ich kam mit seinem vollbeladenen Mountainbike nicht zurecht. Die letzten 13 km ging es dann leicht bergab und Chris konnte wieder alleine fahren, bzw. rollen. Mittlerweile war es jedoch stockfinster geworden und die Straßen waren leider nicht die besten. So übersahen wir beide einen Graben in der Straße. Das Wasser, welches in der Regenzeit ziemlich mächtig vom Himmel kommen muss, spülte einen großen Graben in die Straße. Da ich nicht so schnell war, konnte ich noch einigermaßen abbremsen. Chris hingegen raste mit vollem Karacho hinein, woraufhin er über seinen Lenker geschleudert wurde und seinem schwer bepackten Rad voraus in den Schotter und Staub der Straße flog. Ich bekam die Szene aus dem Augenwinkel mit und bekam es mit der Angst zu tun. Entspannen konnte ich mich etwas, als Chris sofort das brüllen und fluchen anfing und aufstand. Da Chris glücklicherweise auf Händen und Knien landete und sich dann über die Seite abrollte blieb er von Schlimmerem verschont. Sein linkes Knie war großflächig blutig aufgeschlagen und geprellt, beide Handgelenke verstaucht. Ansonsten beschränkte es sich auf ein paar weitere kleine Wunden und Prellungen an Hüfte und Ellbogen. Hätte er keine Handschuhe getragen, so meinte er noch im Schock dankbar, wären seine Hände mit Schotter gespicktes Hack. Wir verbanden die Wunden notdürftig und anstatt spätestens hier einen Cut zu machen und das Zelt aufzuschlagen, wollte Chris unbedingt die letzten 12 km bis zum Guesthouse weiterfahren. Das Adrenalin trug seinen Teil dazu bei und langsam und unter Schmerzen schafften wir es bis Vilabuly. Gegen 21 Uhr waren kamen wir an, konnten duschen, die verschwitzten, verstaubten Klamotten loswerden und uns ins Bett legen – froh, diesen Action-Abend geschafft zu haben.
Tag 6 auf dem Ho-Chi-Minh-Trail: das unfreiwillige Ende des Dirt-Road-Abenteuers und erfreuliche Wendungen
So waren wir gestrandet an einem Ort, durch den wir eigentlich nur durchfahren wollten. Manchmal sieht die Welt am nächsten Tag viel besser aus und Chris fand sogar eine Lösung, wie er das Rad ohne Ersatzteile kurzfristig wieder benutzen konnte. An Weiterfahren war jedoch nicht zu denken. Chris Knie und Handgelenke taten zu sehr weh. Wir fragten nach Bussen oder anderen Möglichkeiten weiter zu kommen. Die Reise auf dem Ho-Chi-Minh-Trail nahm somit ein recht abruptes Ende. Stattdessen begann eine stundenlange Tuktukfahrt quer durchs Land von vietnamesischer zu thailändischer Grenze nach Savanaketh. Die Straßen wurden von km zu km besser und die Dörfer wohlhabender. Anfangs wurden wir noch ziemlich durchgeschüttelt und eingestaubt. Einige Laoten vertrugen die Fahrt nicht so gut und übergaben sich im Wagen.
In Savanaketh angekommen suchten wir einen Fahrradladen, hatten jedoch im Internet schon recherchiert, dass es nicht ganz so einfach ist in Laos anständige Ersatzteile zu bekommen. Dazu müsse man am besten nach Thailand einreisen. Nach Thailand zu reisen ist mit deutschem Reisepass auch nicht so schwer, nur hätten wir dann nicht ohne weiteres wieder nach Laos kommen können, wo wir unseren Visa-Aufenthalt doch extra noch etwas verlängert hatten. Als dann auf dem Weg zum einzigen eingezeichneten Fahrradladen ein älterer Herr auf einem sehr schicken Mountainbike an uns vorbeifuhr, sprach Chris ihn spontan an und erklärte unsere Situation. Der Mann konnte kein englisch, aber wie es sich ergab standen wir vor dem Haus des Mannes und dessen Sohn, der sehr gut englisch sprach und verstand, kam in eben diesem Moment von der Arbeit nach Hause und konnte für uns übersetzen. Chris erkundigte sich also nach Ersatzteilen und einem Fahrradladen und der ältere Herr erklärte was wir bereits selbst in Erfahrung gebracht haben: am besten nach Thailand reisen. Ansonsten käme man in Laos nur an gebrauchte Ersatzteile. Kein Problem für uns, meinten wir und kein Problem für ihn, meinte der ältere Herr. Denn wie sich herausstellte hatte dieser eine eigene kleine Fahrradwerkstatt in seiner Garage, in der ebenfalls mehrere sehr schicke Räder standen. Er brachte uns nach kurzem Suchen die passenden Ersatzteile, die wie neu aussahen und bot sogar an diese kostenlos zu verbauen. Als er Chris Kette und Kassette sah, riet er dazu diese ebenfalls zu wechseln. Die passenden Teile hatte er alle auf Lager. Wir kauften ihm die Teile ab und konnten am nächsten Tag vorbei kommen, um das Rad mit neuem Antrieb entgegen zu nehmen.
Beschwingt von dieser schönen Begegnung setzte sich Chris auf meinen Gepäckträger und wir fuhren zu dem günstigsten Hostel, das wir im Internet finden konnten. Wie sich herausstellte war dieses jedoch schon komplett ausgebucht. Was der Hostelbesitzerin sehr unangenehm war und leid tat. Sehr süß. So saß ich etwas erschöpft auf einem Sessel vor dem Hostel und wartete auf Chris, der kurze Hände waschen wollte, als auf einmal ein junger Mann aus der Tür trat, kurz mein Fahrrad musterte und mich fragte, ob wir denn die passenden Ersatzteile für das Fahrrad gefunden hätten. Einigermaßen erstaunt betrachtete ich den jungen Mann, konnte mich aber nicht erinnern ihn schon einmal gesehen zu haben. Er erklärte, dass er in der „Cycle the World“ Whatsapp Gruppe schon von uns gelesen hat. In die hat Chris ein paar Stunden zuvor geschrieben und sich erkundigt, ob es einen Radladen in Savanaketh gäbe. Thijs, ein Radreisender aus den Niederlanden, ist ebenfalls in dieser Gruppe. Mit Thijs und Nienke, seiner Freundin, hatten wir dann eine lange, schöne Unterhaltung und um die Freude an diesem Tag perfekt zu machen, lud uns die Hostelbesitzerin für den nächsten Tag zum Frühstück ein, auch wenn, oder gerade weil wir kein Zimmer bei ihr bekommen hatten und sie es schade fand, dass wir nicht bei unseren Freunden bleiben konnten. Das Angebot nahmen wir natürlich gerne an. Wie sich herausstellte sind Thijs und Nienke mit Eva und Mari (ebenfalls zwei niederländische Radfahrerinnen) befreundet, bzw. mit ihnen gemeinsam streckenweise nach Südostasien gefahren. Mit Eva und Mari waren wir seit unserem späten China Aufenthalt in Kontakt, da sie eine ähnliche Strecke fuhren wie wir. Kurzerhand wurden wir von den vieren dann zur Silvesterfeier nach Hua Hin eingeladen, eine Stadt in Thailand, etwas südlich von Bangkok. Dort wollten die vier mit weiteren vier Radfahrern Weihnachten und Silvester gemeinsam verbringen. Den Aufnahmetest bestanden wir dann durch das Bewerbungsgespräch mit Thijs und Nienke und freuten uns, Silvester mit anderen verrückten Radfahrern verbringen zu können.
Einschub: Dumme Entscheidungen
An Tag 5 unserer Reise, ungefähr zu dem Zeitpunkt, als Lisa Bücher an Kinder verteilte, dachte ich für mich: Das ist der krasseste Ort auf unserer Reise, an dem wir Menschen begegnen können. Und dann – tja, ich bin einerseits Christ und andererseits an Abenteuern interessiert – betete ich, Gott solle uns ein Zeichen geben, wenn er wollte, dass wir hier blieben und Zeit mit den Menschen hier verbrachten. Dann stoppt Lisa wegen der Bücher. Dann geht mein Rad kaputt. Dann passiert mir der Unfall. Und dennoch – immer wollte ich weiter, anstatt zu akzeptieren, dass das womöglich genau das war, worum ich bat. Wer weiß, welchen Segen, welche Begegnungen, Erfahrungen auf uns hier warteten, welche wir wegen meines plötzlichen Unmutes verpassten. Doch auch wenn mir dann all diese in den Wind geschlagenen deutlichen Zeichen / Gelegenheiten, zu stoppen und mich an die Menschen hier zu wenden, am Ende nicht nur psychisch sondern auch physisch schmerzten, so muss ich doch sehen, dass Gott nicht aufhört uns zu segnen. Wer weiß, wie life-changing es hätte werden können, in den Dörfern dieser Ärmsten der Armen zu bleiben und mit ihnen in Kontakt zu kommen. Doch am Ende hat er uns doch aufgefangen und versorgt, auch wenn wir uns seinen Herausforderungen nicht gestellt haben. Ich bedaure meine Feigheit, aber bin umso dankbarer, für das Gute, das uns noch geschah.
Savannaketh – Pakse – Don Det
Nach einem Tag Pause in Savanaketh, den wir nutzen, um unsere Fahrräder blitz blank zu putzen und unsere verstaubte, verschwitzte Wäsche zu waschen, machten wir uns auf den Weg nach Pakse. Zwar war Chris‘ Rad wieder fahrtauglich, seine Hände und Knie jedoch noch nicht. Aus diesem Grund nahmen wir erneut den Bus. Von Pakse aus ging es dann mit einem überfüllten Tuktuk und kotzenden Kindern (sozusagen ein brechend beladenes Vehikel) zu den 4000 Islands (Si Phan Don) im Mekong im äußersten Süden den Landes. Jetzt begann der Urlaub.
Vom Tuktuk aus ging es nur noch einige hundert Meter mit dem Rad zum Fluß, bevor wir damit auf ein etwas klapprig wirkendes Floß rollten, welches mit einer Art umgebautem Freischneider zur Fähre motorisiert wurde. Zwischen Sandbänken und aus dem Wasser ragenden Büschen und Bäumen, Schilf-Inseln und den massiveren Namensvettern entlang ging es damit in Richtung Don Det, der Hippy-Paradies-Insel hier im Mekong. Wir genossen die Fahrt, wurden nur kurz dadurch irritiert, das wir plötzlich auf ein anderes Fähr-Floß zuhielten, andockten und umsteigen sollten. Mitten im Fluß. Mit den voll beladenen Rädern. Aber zahlen müssten wir nicht nochmal – Also absolut kein Grund zur Beunruhigung. 🙂
Auf unserer Inselrundfahrt mit dem Rad, die wir unternahmen um den besten Übernachtungsspot zu finden und die Insel etwas kennenzulernen, trafen wir dann wieder auf unsere Schweizer Freundinnen – also, die übrigen zwei. Wir schnackten und verabredeten uns für den Abend. Nach einer Runde um die Insel und einigen schmuddeligen aber schön gelegenen Übernachtungsmöglichkeiten, die wir auscheckten, mieteten wir uns in einen kleinen, sehr günstigen Bungalow ein. Wenig später sammelten die Mädels uns dann ein und nahmen uns mit zum «Tubing». Und – schwupps – saßen wir in alten Traktorreifen-Schläuchen, schlürften Mojitos und paddelten mit den Füßen gegen die seichte Strömung des Mekongarms an, während die untergegangene Sonne Farbzauber an den Himmel pinselte.
Wir entschieden uns gleich länger hier zu bleiben als geplant, wenngleich das bedeutete, dass wir weniger Zeit hätten um in Kambodscha nach Siem Reap zu radeln. Zu wenig, wie sich später herausstellte. Doch den Urlaub genossen wir sehr und so entspannten wir in Hängematten, erkundeten Wasserfälle mit dem Fahrrad und unternahmen auch eine Kajaktour mit Fluß-Delfin-Safari im Anschluss. Außerdem gingen wir zum Abschied von den Schweizern noch fein Essen bei einem Inder, schlemmten Palak Paneer, Daals und Naans für unglaublich niedrige Preise, wir von Indern wirklich nicht gewohnt sind. (Hoffentlich ändert sich das, wenn wir auf dem Rückweg gen Westen durch Indien kommen 😉 ).
Obwohl wir unseren Zeitplan schon über den Haufen geworfen hatten und länger blieben als gedacht, viel es uns schwer, von hier wieder aufzubrechen. Lisa hat die «Pippi-Langstrumpf-Takkatukkaland-Insel», wie sie sie nennt, mit den bunten, auf Stelzen gebauten Holzbungalows, sehr ins Herz geschlossen. Irgendwie schafften wir es dann dennoch, uns loszueisen und so kamen wir mit unseren Rädern schließllich an die elfte Grenze, die wir auf unserer Reise passierten. Und schließlich auch darüber hinweg, nach Kambodscha.
Wie es da weiter geht erfahrt ihr im nächsten Blog-Beitrag. 🙂